Winnetou 3. Karl May

Winnetou 3 - Karl May


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hatte an einigen Lagerfeuern gelegentlich erwähnt, daß ich nach der Sahara gehen wolle. Das war auch geschehen, und nun erfuhr ich bei meinem jetzigen Streifzug durch die Prairie zu meinem Erstaunen, daß die Kunde davon sogar schon zu den Indianern gedrungen war. Es schien mir hier mit dem Bowiekneif besser gelungen zu sein, ein bekannter Mann zu werden, als drüben in der Heimat mit der Feder.

      »Er wird wiederkommen,« meinte Ma-ti-ru. »Wer den Atem der Prairie getrunken hat, dürstet nach ihr, so lange ihm der große Geist das Leben läßt!«

      Darin hatte er recht. Wie der Gebirgsbewohner sich im flachen Lande bis zur Krankheit nach seinen Höhen sehnt und der Seemann nicht von dem Meere zu scheiden vermag, so tut es auch die Prairie jedem an, den sie einmal umfangen hat. Ich war wieder zurückgekehrt.

      Jetzt deutete Ka-wo-mien nach den Sternen.

      »Mein weißer Bruder sehe den Himmel an! Es ist Zeit, nach der Bahn des Feuerrosses zu gehen. Sind die eisernen Hände, welche meine Krieger dem weißen Diener des Rosses genommen haben, stark genug, seine Bahn zu zerreißen?«

      Diese Frage sagte mir, wer der Ermordete gewesen war. Jedenfalls ein Bahnbeamter, welcher mit seinen Werkzeugen, die der Häuptling ›eiserne Hände‹ nannte, die Strecke begangen hatte, um den Schienenweg zu revidieren.

      »Sie sind stärker als die Hände von zwanzig roten Männern,« antwortete der Weiße.

      »Und versteht es mein weißer Bruder, sie zu gebrauchen?«

      »Ja. Die roten Männer mögen mir folgen! In einer Stunde wird der Zug ankommen. Doch meine Brüder mögen noch einmal bedenken, daß alles Gold und Silber mir gehört!«

      »Ma-ti-ru lügt nie!« versicherte stolz der Häuptling, indem er sich erhob. »Das Gold ist dein, und alles Andere samt den Skalpen der Bleichgesichter gehört den tapfern Kriegern der Ogellallah.«

      »Und ihr gebt mir Maultiere, um mein Gold zu tragen, und Männer, um mich zu beschützen auf dem Wege nach dem Canadian?«

      »Du bekommst Maultiere, und die Krieger der Ogellallah werden dich bringen bis an die Grenzen des Landes Aztlan. Und trägt das Feuerroß sehr viele Dinge, die Ka-wo-mien und Ma-ti-ru gefallen, so führen sie dich auch noch weiter bis an die große Stadt Aztlan, wo dein Sohn auf dich wartet, wie du erzähltest.«

      Der Sprecher stieß einen Ruf aus, und sofort erhoben sich alle Indianer. Ich wandte mich zurück. Unweit der Stelle, an welcher ich gelegen hatte, vernahm ich ein leises Geräusch, als ob ein leichter Luftzug über die Halme ginge.

      »Sam!«

      Ich hatte das Wort mehr gehaucht als gesprochen, und doch richtete sich in der Entfernung von einigen Schritten die kleine Gestalt meines Gefährten halb und nur auf einen einzigen Augenblick empor.

      »Charley!«

      Ich kroch zu ihm hin.

      »Was habt Ihr gesehen?« fragte ich ihn.

      »Nicht viel; die Indsmen, grad wie Ihr.«

      »Und gehört?«

      »Gar nichts, kein einziges Wort. Und Ihr?«

      »Sehr viel. Doch kommt! Sie brechen auf, jedenfalls nach Westen zu, und wir müssen eilen, daß wir unsere Pferde erreichen.«

      Ich huschte voran, er mir nach. Wir gelangten an die Bahn und stiegen über den Damm nach der andern Seite desselben. Dort hielten wir an.

      »Sam, geht zu den Pferden und reitet eine halbe Meile die Bahn entlang, wo Ihr auf mich wartet. Ich möchte die Roten doch nicht eher verlassen, als bis ich mich genau orientiert habe.«

      »Kann ich das nicht auch auf mich nehmen? Ihr habt bisher so viel erspioniert, daß ich mich schämen muß, gar nichts getan zu haben.«

      »Geht nicht, Sam! Mein Mustang gehorcht Euch; Euere Tony aber würde sich vielleicht von mir nicht fortbringen lassen.«

      »Da habt Ihr zum Beispiel sehr recht, Charley, und deshalb will ich gehen!«

      Er schritt aufrecht und schnell davon. Es wäre jetzt eine sehr überflüssige Mühe gewesen, darauf zu sehen, daß sein Fuß keine Fährte zurückließ. Er war kaum im Dunkel des Abends verschwunden, so erblickte ich, an der diesseitigen Böschung liegend, jenseits des Dammes die Indianer, welche – einer hinter dem andern – vorüberhuschten.

      Ich folgte ihnen hüben in der Weise, daß ich immer parallel mit ihnen blieb. Nicht weit von der Stelle, wo ich den Hammer gefunden hatte, hielten sie an und bestiegen den Damm. Ich zog mich hinter die Büsche zurück und vernahm nach kurzer Zeit das Geklirr von Eisen an Eisen und dann laute Hammerschläge. Der Bushheader hatte sich an die Arbeit gemacht, mit den dem Bahnwärter abgenommenen Werkzeugen die Schienen von ihrer Unterlage zu reißen.

      Nun war es Zeit. Ich verließ den Schauplatz des zu erwartenden Kampfes und eilte vorwärts. In fünf Minuten hatte ich Sam eingeholt.

      »Sie arbeiten an den Schienen?« fragte er mich.

      »Ja.«

      »Ich habe es gehört. Wenn man das Ohr hier auf dieselben legt, vernimmt man zum Beispiel jeden Hammerschlag.«

      »Jetzt vorwärts, Sam! In drei Viertelstunden kommt der Zug, und ich muß ihn erreichen, noch bevor sie seine Lichter sehen können.«

      »Hört, Charley, ich gehe nicht mit!«

      »Warum?«

      »Verlassen wir beide den Platz, so müssen wir nachher mit einem nochmaligen Rekognoszieren eine kostbare Zeit verlieren; gehe ich aber zu den Indsmen zurück, um sie zu beobachten, so kann ich Euch bei Eurer Rückkehr sofort genau unterrichten.«

      »Das ist wahr! Und Eure Tony?«

      »Lasse ich hier. Sie geht nicht von der Stelle, bis ich wiederkomme.«

      »Gut! Ich weiß, daß Ihr an der Sache nichts verderben werdet.«

      »Ich nicht, darauf könnt Ihr Euch sehr verlassen. Also macht, daß Ihr fortkommt, Charley! Ihr werdet mich hier wiederfinden.«

      Ich stieg aufs Pferd und ritt, so schnell es die Dunkelheit gestattete, dem zu erwartenden Zuge entgegen. Es war notwendig, diesen in einer solchen Entfernung von hier zu erreichen, daß die Indianer nicht bemerken konnten, daß er anhielt. Die Nacht ward allmählich lichter; die Sterne stiegen auf und warfen ihren milden Schein über die Prairie, so daß man auf einige Pferdelängen hin alles ziemlich deutlich zu erkennen vermochte. Mein Ritt nahm infolgedessen an Schnelligkeit fortwährend zu und wurde durch keine Störung unterbrochen, bis ich eine Strecke von vielleicht drei Meilen zurückgelegt hatte.

      Hier hielt ich an, stieg ab, pflockte meinen Mustang an und hobbelte ihm zugleich die Vorderbeine zusammen. Der durch den Eisenbahnzug entstehende Lärm hätte ihn sonst veranlassen können, auszubrechen.

      Jetzt suchte ich so viel Dürrgras wie möglich zusammen, legte Reisig auf dasselbe und fertigte mir dann eine Fackel, indem ich einige Büschel Gras auf einen Ast befestigte, den ich mir vom Busche brach. So vorbereitet, konnte ich des Zuges warten, legte meine Decke auf das Bahngeleis und setzte mich, um von Zeit zu Zeit das Ohr an die Schienen zu legen und dann wieder hinauszuforschen nach der Gegend, aus welcher der Zug kommen mußte.

      Ich hatte kaum zehn Minuten gewartet, so vernahm ich ein leises, ganz leises Rollen, welches von Sekunde zu Sekunde stärker anschwoll. Dann erblickte ich in weiter Ferne einen kleinen, lichten Punkt, der mitten unter den hart über dem Horizonte stehenden Sternen auftauchte, aber kein Stern sein konnte, da er sich auffällig vergrößerte und schnell näher rückte. Der Zug nahte.

      In kurzem teilte sich das Licht in zwei Punkte. Jetzt war es Zeit. Ich zündete den Asthaufen an, der sofort eine hochauflodernde Flamme gab, die bereits jetzt von dem Zuge aus bemerkt werden konnte. Das Rollen desselben nahm immer zu; schon vermochte ich den durch die beiden Lichter verursachten Lichtkeil zu bemerken, welcher vor der Maschine die Dunkelheit durchbrach. In einer Minute mußte er mich erreicht haben.

      Ich brannte meine Fackel an und lief, sie um den Kopf wirbelnd, dem Zuge entgegen. Der Maschinist erkannte natürlich, daß ich ihm ein Zeichen zum Halten geben wollte; er stoppte; drei schrille Pfiffe erschallten kurz hintereinander;


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