Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg - Ludwig  Ganghofer


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eirimsmalz der menzer

      ullri eirimsmalz der menzer

      ullri eirimsmalz der menzer

      Herr Someiner schüttelte den Kopf. »Was ist das für eine Narretei?« Er guckte das Blatt wieder an, während Lampert aus der Kammer trat. »Das sieht aus, als hätt’s ein Geisbock geschrieben mit dem Huf!«

      »Red, Bub!« sagte der alte Bergmann. »Tu dem Gestreng alles weisen! Gelt, Herr, das ist ein erstaunlich Ding!«

      »Erstaunlich?« fragte Lampert. »Was?«

      »Daß einer schreiben kann und keine Feder nit braucht.«

      Lampert nahm das Blatt, das der Vater ihm reicht, und besah die wunderliche Schrift.

      Der junge Knappe, dem bei der Sache nicht recht behaglich zumute war, begann zu erzählen, immer scheu den gestrengen Amtmann musternd.

      Er wäre zu Mainz daheim, Sohn eines Zinngießers, von zwölf Geschwistern das jüngste. Vor zwei Sommern, mit achtzehn Jahren, wäre er auf die Wanderschaft gegangen, hätte ein Jahr lang dem Stadthauptmann zu Würzburg als Pavesenknecht gedient, ein Jahr lang dem Bischof von Chiemsee als Pulverstößer und als Zeltpflöcker bei Jagd und Beizwerk. Die blauen Berge hätten an seiner Seele gezogen. Und so wäre er nach Berchtesgaden gekommen und Stollenräumer im Salzwerk geworden.

      »Und do haw ich, drei Woche kann’s her sin, vor de Knappe bei der Mahlzeit erzählt, ich hätt in der Menzer Borscheschul en Kamerad gehatt, den Henrichen Gensfleisch von Guteberg. Der hätt was Richtigs nich lerne woll, haw ich erzählt, und hätt deß allerweche finde mög, daß mer schreiwe kann un kee Feder nich braucht.«

      »Halt auch so einer von den Tagdieben«, murrte Herr Someiner, »die nicht wissen, wie sie die kostbaren Stunden totschlagen.«

      »Wird schon so sein, Herr, jo! Awer gefunnen hot er’s. Un weil die Knappe deß nich hawe glaube mög, daß mer schreiwe kan un keen Feder nich braucht, un weil ich mer nich der Lug hab zeihe laß, drum haw ich mer fürgenomm, daß ich’s ihne weise will, wie’s der Hennichen Gensfleisch gemacht hot. Un hab die Schriftzeiche nach Spiegelweis ussem Buchsbaumästche erausgestoche, wie’s der Hennichen Gensfleisch gemacht hot. Und hab mit Essig und Ruß e Farb gerührt, hab die Stäbcher eneingetunkt un hab die Schriftzeiche uf e Blättche gedruckt, wie’s der Hennichen Gensfleisch gemacht hot. Und do hawe’s die Knappe lese könn.«

      »Aber schlecht!« sagte Herr Someiner. »Mach, daß du weiter kommst mit deiner mühsamen Narretei!«

      »Vater!« Lampert hatte große Augen. »Das sollte man besser beschaun. Ich mein’, das ist —«

      Ein dröhnender Hall wie vom Einschlag eines schweren Blitzes krachte durch die Lüfte, und dann hörte man ein dumpfes Echo hinrollen über den Untersberg.

      Ein Ungewitter? In der schönen Sonne und bei blauem Himmel?

      Die viere, die in der Amtsstube waren, rannten zum Haustor und sprangen auf die Straße hinaus. Über ihren Köpfen klirrte ein Fenster, und da droben klang die angstvolle Stimme der Frau Someiner: »Was ist denn? Um Jesu Christ! Was ist denn da?«

      Aus allen Fenstern der Marktgasse fuhren Kindergesichter und weißbehaubte Frauenköpfe heraus. Buben und Mannsleute kamen aus den Türen gesprungen, und alle redeten wirr durcheinander.

      Nun wieder der gleiche, die Menschen erschreckende Hall. Er dröhnte vom Hirschgraben des Stiftes herüber. Und man hörte das donnernde Echo vom Untersberg über das weite Tal hinausrollen bis zum fernen Watzmann.

      Viele Leite rannten gegen den Hirschgraben hin. Und von dort her kam an der Häuserzeile ein kleiner, magerer Mensch gesprungen, der mit dem wehenden Mäntelchen einem bubengroßen geflügelten Insekt vergleichbar schien. Das war der Amtsschreiber Pießböcker, dem die Gadener den Spitznamen ›der Item‹ gegeben hatten.

      Der fuchtelte mit den Armen und kreischte in dünnen Fistellauten: »Gestreng, kommet flink hinüber zum Hirschgraben! Item, da probieren sie die neue Kammerbüchs, die gestern von Augsburg gekommen ist.« Das Männlein, dem der Atem versagte, schnappte nach Luft. »Item, sie haben mit dem ersten Schuß eine Mauer gebrochen, item, mit dem zweiten haben sie den großen Vierzehnender im Graben totgeschossen, item, das Vieh ist bloß noch ein Klumpen Fleisch und Blut gewesen. Item, Herr, das neue Ding ist eine mächtige Hilf wider Feind und Burgen! Kommet, Gestreng! Kommet, kommet!« Und aufgeregt, mit wehendem Mäntelchen, gaukelte das magere Männlein wieder davon.

      »Eins nach dem andern!« brummte der Amtmann. »Erst muß ich den Mainzer Buben seiner Narrheit überweisen.« Und während er in das Haus trat, sagte er zu dem jungen Knappen: »Hast du den Hall vernommen! Da ist auch ein lützel Ruß dabei. Ist aber ein mächtig Ding! War anders als dein rußiger Zeitvergeud!«

      Lampert stand noch immer auf der Straße und sah verloren in das schöne Blau hinauf, das über den steilen Dächern glänzte.

      Wieder donnerte die Kammerbüchse im Hirschgraben.

      Ein alter Handwerker in großem Schurzfell und mit nackten Armen nickte stumm vor sich hin. Er wandte das müde, freudlose Gesicht und flüsterte seinem neugierig guckenden Weibe zu: »Sie sagen, das hätt ein Pfaff erfunden. Da wird’s der Welt einen Schaden tun.«

      Als Lampert in die Amtsstube kam, saß Herr Someiner am Pult, tauchte die Feder ein, und während er zu kritzeln anfing, fragte er den Ulrich Eirimschmalz: »Jetzt sag, wie lang hast du gebraucht zu deiner federlosen Schreiberei?«

      »Durch dritthalb Woche haw ich an jedem Feierawend geschnitt un gestoche, bis die Stäbcher fertich ware. Drei Feierawend haw ich gebraucht zum Farbreibe un zum Drucke. Viel Blättcher haw ich verschmiert.«

      »Drei Wochen? So?« Der Amtmann reichte dem Buben ein kleines Blatt. »Und das da hab ich geschrieben im Viertelsteil eines Paternosters. Was du geschrieben hast — schau her da!« Herr Someiner fuhr mit einem Federlappen über das bedruckte Blatt, und die Schrift war ausgewischt zu einem rußigen Fleck. »Was aber mein Kiel mit guter Tinte geschrieben hat, das bleibt! Das kannst dir aufbewahren für Kind und Kindeskind!«

      Auf dem Blatte stand mit zierlicher Schrift geschrieben: »Hennichen Gänsbraten der Mainzer ist ein Tagdieb. Und du bist auch einer!«

      Herr Someiner sprach: »Flink! Weiter mit euch!«

      Die beiden trollten sich, und der junge Bergknappe mit dem Zettel in der Hand, sah stumm den alten Bergmann an. Der sagte: »Ich hab gemeint, es wär eine nutzbare Sach. Aber so ein Herr versteht’s halt besser.«

      Wieder dröhnte der Hall der Kammerbüchse.

      »Komm, Bub«, sagte der Amtmann. »Jetzt wollen wir hinüber in den Hirschgraben und das neue Ding betrachten. Der Pießböcker hat schon recht: Das ist eine große Sach! Und sei verständig, Bub! Tu im Hirschgraben die Herren geziemend komplimentieren.« Er fügte mit leiser Stimme bei: »Auch die Jungherren, die dir nicht gefallen.«

      »Vater!«

      »Was?« fragte der Amtmann mißmutig.

      Lampert legte die Hand auf den Arm des Vaters. »Das Ding mit dem Buben will mir nicht aus dem Sinn. Ich weiß nicht, ob das recht gewesen, was du da getan hast.«

      In der reizbaren Seele des Amtmanns kam plötzlich der nur halb unterdrückte Zorn wieder obenauf. »Willst du mucken wider deinen Vater?« schrie er. »Werd erst ein festes Mannsbild! Bist Doktor und Magister! Aber allweil bist noch wie ein seidnes Fähnl, das sich rührt vor jedem neuen Wind, mag’s ein guter oder schlechter sein! Ich denk zuerst! Verstehst du! Und was ich tu, das ist —«

      Herr Someiner schwieg und sah zum Fenster hin. Da draußen verstummte der Hufschlag zweier Pferde.

      Lampert, der bei seines Vaters Wort vom seidenen Fähnlein bleich geworden, wandte sich schweigend ab und verließ die Amtsstube. Als er schon bei der Treppe war, hörte er das Eisengeklirr zweier Männer, die das Haus betraten. Er drehte das Gesicht und schien in seiner Erinnerung zu suchen. Da kam der Ramsauer Richtmann auf ihn zu, streckte ihm die Hand hin und sagte freundlich:


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