Die Ahnen. Gustav Freytag

Die Ahnen - Gustav Freytag


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meines Sohnes zu zwingen, daß ich dich und deine Landstreicher verschone. Aber wild hat der Zorn sich erhoben zwischen mir und dir, und dauerlos wäre, so fürchte ich, die Versöhnung. Entziehst du dich heut meinem Zorn, so trifft er dich doch morgen oder zu anderer Zeit, denn selbst wenn die Bitte dieses Knaben dir meinen Zwinger öffnet, so weißt du doch, daß meine Macht weit reicht, und daß des Königs Wille dich umstellt wie ein gehetztes Wild.«

      »Wohl ehre ich deine Macht, König,« versetzte Ingo, »und ich weiß, daß es mir mühselig wäre, über die Brücke zu reiten und über die Heide zu traben, wenn dein Zorn feindlich hinter mir fährt. Dennoch meine ich, daß der König edel handelt, wenn er mir die Treue hält, soweit die Eide reichen. Den Zweikampf hat mir der König angetragen; ruhmvoll war das Erbieten und eines Helden würdig, und vermag er mich nicht zu dulden auf der Männererde, so weiß ich wohl, daß es für mich keine bessere Ehre gibt im Gedächtnis der Menschen, als durch die Waffe des Königs zu fallen, oder wenn ich ihn selbst voraufsenden sollte in die Totenhalle, mit meinen Gefährten vertilgt zu werden durch den Grimm der Thüringe. Dennoch ist es mir unleidlich, gegen dich zu kämpfen, mein Herr und Wirt, denn freundlich warst du gegen mich, Guttat genoß ich an deinem Hofe, ehrenwert ist mir auch dein Gemahl und hier der Knabe, den ich im Arm halte, und Frohes habe ich von deiner Huld für mein Leben gehofft. So kränkt mich‘s, obgleich ich den Schwertgrimm für rühmlich halte, daß ich um meinen Leib feindlich gegen dich ringen soll.«

      »Verständig sind deine Worte,« versetzte der König, »auch dein Sinn ist redlich, wie ich vermute, und ungern sinne ich auf dein Verderben, aber mich zwingt die Königsnot, die keiner versteht, außer wer als Wirt über seinem Volke waltet. So wisse denn, friedloser Mann, der Cäsar fordert, daß ich dich ausliefere an seine Boten.«

      »Will der große Volkskönig dem Befehl eines neidvollen Römers gehorchen wie ein Besiegter?«

      »Die Katten hat er aufgehetzt, sie sind eilig, sich Sklaven und Herden zu holen aus meinem Volke, um deinetwillen sollen die Thüringe den Schlachtgesang singen.«

      »Stelle mich in deine Heere, o König,« unterbrach ihn Ingo, »nimmer kehre ich zurück, wenn nicht als Sieger.«

      »Meinst du, daß du mir als Sieger willkommener wärest als jetzt, du mit der Erbtochter?« fragte der König finster. »Über die Schlachten der Thüringe waltet der König allein!«

      Da legte Ingo die Hände auf das Haupt des Knaben und sprach traurig: »Gleich diesem Kinde wuchs ich fröhlich auf unter der Königskrone, schuldlos wie dein Sohn war ich, da ich aus der Heimat gescheucht wurde. Denke daran, König, daß sich schnell die Geschicke der Männer wandeln, auch du weißt nicht, welches Schicksal deinem Knaben einst bereitet ist. Wie auch die Götter uns die Lose werfen, von uns fordern sie, daß wir treu sind unserem Wort. Sorge auch du, o Herr, damit sie nicht den Eid, den du dem armen Ingo geschworen, einst an dem Haupte deines Sohnes rächen.«

      »An den Sohn denke ich, daß ich ihm die Herrschaft sichere, wenn ich mich des Eides gegen dich entledige«, versetzte der König.

      »So löse den gastlichen Eid, ohne daß die Götter dir zürnen,« fuhr Ingo flehend fort, »entlaß mich mit meinem Gesinde ungekränkt aus deiner Burg und aus deinem Lande. Mehr fordert dein Volk nicht, und begehrt der Römer Ärgeres von dir, so kränkt er deine Ehre. Hilf mir, Knabe, und bitte bei deinem Vater für mich.«

      Hermin kniete nieder und umschlang das Knie des Königs: »Tu dem Vetter kein Leid, mein Vater!«

      Der König sah lange auf den Knaben, über welchen Ingo die bewehrte Hand hielt. »Du weißt nicht, was du bittest, Kind«, sagte er endlich. Und mitleidiger zu Ingo aufsehend fuhr er fort: »Willst du, Ingo, mir mit hohem Eide geloben, niemals diese Nacht zu rächen, niemals schädlich zu sein mir und meinem Sohne, und niemals Freundschaft zu suchen im Herrensitz am Walde, so will ich dich entlassen aus meiner Burg, aus meinem Land.«

      »Den Eid nehme ich auf mein Leben,« sprach Ingo leise, »wenn auch der König mir geloben will bei dem Haupt dieses Knaben, der Worte zu gedenken, die er vor kurzem zu mir sprach und das Königsauge zu schließen gegen mein Tun, wenn nicht das Volksgeschrei übermächtig zwingt.«

      Der König lächelte finster. »Ich will, wenn du mir etwas von deinen Gedanken vertraust.« Ingo neigte beistimmend das Haupt. »Wohlan denn, setze dich zu mir wie einst und künde leise dein Geheimnis.« Die Könige sprachen heimlich, und der Knabe saß zwischen ihnen und umfaßte mit den Händen beider Knie.

      Auf den Stufen lagen getrennt die Vandalen und die Königsknaben hinter ihren Schilden. Über ihnen saßen auf den Schemeln die beiden Schwerthalter Berthar und Hadubald gegeneinander. Da begann Hadubald: »Frieden bereitet, wie ich merke, das Gespräch im Saale unseren Schwurherren. Gefällt dir‘s, Held, so tilgen wir den Groll durch einen Trunk, den einer meiner Genossen schnell zu schaffen weiß, denn kühl weht die Nachtluft.«

      »Mordbrenner!« versetzte Berthar grimmig.

      »Töricht handelst du, den Diener zu schelten, der getan hat, was seinem Herrn nützt.«

      »Nachtschächer!« brummte Berthar wieder, »deine Treue brachst du für des Königs Bier, seitdem ist der Trunk verdorben, den du bietest.«

      »Wer hochmütig verschmäht, beim Zapfen Bescheid zu tun, der wahre sich, daß nicht sein Blut gezapft wird auf grüner Heide.«

      »Auf grüner Heide und im finsteren Wald, wie hier in der Herberge bist du blutiger Schläge sicher, sobald dich nicht der Königsfrieden schützt; damit begnüge dich, Held!«

      Lange währte die Zwiesprache der Herren, endlich rief der König: »Bringe den Becher, Schenk, Minne zu trinken, bevor Held Ingo scheidet.« Willig regten sich die Mannen auf den Stufen, der Schenk lief und trug einen großen Becher Met herzu, die Könige taten über dem Becher und auf dem Haupt des Knaben einander das Gelöbnis. »Und jetzt scheiden wir, Ingo,« sagte der König, »leid tut mir‘s, daß du ein fahrender Held und nicht von meinem Geschlecht bist, und doch, wärst du von meinem Stamme, du wärst mir vielleicht weniger vertraulich.«

      »Denke mein im Guten, o Herr«, dankte Ingo, und fröhlich rief er dem Alten zu: »Rüste den Aufbruch, wir reiten.«

      »Bei Sonnenlicht kamen wir,« versetzte Berthar, »mein Herr und seine Helden entweichen nicht wie Nachtdiebe. Will der Häuptling, daß wir aufbrechen, bevor der Hahn singt, so flehe ich, König Bisino, daß deine Knaben uns mit den Fackeln leuchten, die sie am Abend sorglich um dieses Haus getragen haben, damit wir bei unserer Abfahrt den hellen Schein nicht missen.«

      Der König sah zuerst zornig auf den Kühnen, aber er sprach: »Ich lobe dich, du verstehst für deinen Herrn mit Schlägen und mit Worten zu streiten. Besteigt die Rosse, ihr stolzen Gäste, ihr Mannen aber entzündet die Brände, denn der König selbst gibt das Geleit zum Tor.«

      Auf der Brücke schied Ingo von dem König und seinem Sohn, und alle erstaunten, als der König nach dem Abschied noch einmal über die Bretter zu Ingo eilte, ihn mit den Armen umfing und küßte. Lachend sah Berthar auf die finsteren Mienen der leuchtenden Königsknaben. »Reitet im Schritt,« gebot er vor dem Tor den Vandalen, »damit sie nicht wähnen, daß wir ihren Gruß im Rücken fürchten.« Und nach einer Weile rief er: »Nimm die Spitze, Wolf, und laß die Rosse springen, frisch bläst die Nachtluft, und wohl gelang uns die Reise nach der Königsburg.«

      Als sich das Tor hinter den Gästen geschlossen hatte, befahl der König seinen Knaben: »Wer etwa morgen oder später von dieser Nacht schwatzt, oder wer noch mit dem Römer beim Trunke raunt, wie heut mancher getan, dem zerschellt die Axt des Königs das Tor seiner Worte.«

      Darauf nahm er das schlafende Kind in die Arme und trug es zu seiner eigenen Kammer. Als er beim Turme vorüberkam, blickte er finster nach dem Gemach der Königin. Dort drinnen lag ein trostloses Weib mit dem Haupt an der Fenstermauer und hörte auf den Schall der Stimmen und auf den Hufschlag, welcher in der Ferne verklang. Der König aber dachte: Wenn sie nicht so erlaucht wäre von Geschlecht, wäre es besser für mich und sie. Denn gern möchte ich ihr Schläge geben und sie dann wieder liebhaben. Sie aber wollte das Tuch zerschneiden zwischen sich und mir, und sie hat gerungen gegen mein Schwert; ob sie meint, daß ich ihr das vergesse? – Was aber den Römer betrifft, so ist mir‘s im Herzen lieb,


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