Die Ahnen. Gustav Freytag

Die Ahnen - Gustav Freytag


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meines Gottes, und darum wandere ich jetzt hier durch das Unkraut der wilden Täler allein mit dir, Knabe, denn austilgen will ich den Jammer der Welt und Heil allen verkünden, die jetzt im Elend sind. Solches hat mir unser Herr in jener Angstnacht geboten.«

      Der Jüngling küßte ihm ehrfurchtsvoll die Hand. Winfried hielt sie fest und sprach ruhiger: »Du mein Liebling, der du die Jahre eines Knaben hast und den Sinn eines Weisen, du bist mir treu und wenig Gedanken gibt es, die ich dir verberge. Nicht die Heiden sind es, die mir die größte Not bereiten, größer ist die Arbeit, die ich habe, wo ich Hilfe erwarten könnte. Die Franken, welche sich Christen nennen, ihre Bischöfe, die zuchtlosen Frevler, von denen jeder mit allen anderen streitet, die sind, dünkt mich, die schlimmeren Wölfe. Ein würdiger Mann ist der Bischof zu Rom. Aber auch er sah mich zuerst an wie einen Unsinnigen, als ich vor ihn trat und ihm bekannte, daß er der höchste Herr werden müsse über den Glauben der Männererde, um uns alle zu retten. Viel Eigennutz gibt es dort und Gier nach weltlicher Herrschaft; aber der Herr, dem ich mich gelobt habe, wird mir helfen, daß ich den Unverstand der Großen überwinde wie den Trotz dieser langhaarigen Wilden. Darum folge auch du mir zu dem Heiden, mein Sohn, öffne die Ohren und vernimm auf dem Wege, was dir noch zu wissen not tut.«

      Als sie die Höhe erreichten, auf welcher der Rabenhof lag, stob ihnen eine Koppel wilder Rosse entgegen, auf dem einen saß Ingram, auf einem anderen sein Diener. Winfried trat in den Weg, daß das Roß Ingrams bäumte, und der erhitzte Reiter, als er es kraftvoll bändigte, dicht vor dem Bischof hielt. »Was kommst du selbst mich aufzuhalten?« rief Ingram zornig, »unselig war die Stunde, wo ich dir Dienst gelobte.«

      »Wer auf eine Reise ausfährt, wie die deine,« antwortete Winfried, »der handelt nicht weise, mit einer Verwünschung die Fahrt zu beginnen.«

      »Deinen Segen begehre ich nicht, Christ, besseren Schutz weiß ich mir zu gewinnen, als dein Zeichen gibt.«

      »Und doch vertrauen manche im Sorbendorfe, denen der Weidenring die Hände zusammenschnürt, auf das heilige Zeichen, welches du töricht mißachtest. Schmähst du den Himmelsgott, zu dem die Christen flehen, vor deiner Reise, so wahre dich, daß deine Fahrt nicht fruchtlos sei.«

      Der Reiter wollte sein Roß antreiben, jetzt hielt er still und sah finster vor sich hin. »Bändige dein heißes Blut,« fuhr Winfried mit Würde fort, »bedächtiger Rat dient vor schneller Tat. Bin ich dir auch unwillkommen, so verachte doch nicht meine Worte; steige ab, Ingram, wenn du in Wahrheit das Weib lösen willst.«

      So nachdrücklich war die Mahnung, daß der Thüring sich vom Pferde schwang und seinem Knechte die Zügel zuwarf.

      »Mache kurz, was du mir zu sagen hast, Fremder, denn der Boden brennt mir unter den Füßen.« Winfried führte den Ungeduldigen einige Schritt abseits. »Beantworte mir eine Frage, wenn du willst, die ich wohlmeinend tue und in großer Sorge um die Gefangenen. Führst du mit dir, was dir von dem Ratiz zur Lösung dienen kann? Oder hoffst du, daß es dir gelingen wird, die Weiber und Kinder aus dem Sorbenlager zu rauben?«

      Mit zuckendem Antlitz antwortete Ingram: »Wer dem Lager des Räubers naht, greift das Geraubte, wie er kann. Vermag ich unerkannt einzudringen, so suche ich sie heimlich zu entführen.«

      »Du sagtest mir, ihr Thüringe habt den Sorben Frieden gelobt.«

      »Nicht ich, auf dem Lager lag ich mit blutigem Leibe.«

      »Aber die Alten haben ihn gelobt, auch für dich.«

      »Gebrochen ist der Eid durch jenen, als er meinen Gastfreund erschlug. Wer mag mich schelten, wenn ich den befreundeten Mann räche?«

      »Dein Volk wird fragen, ob du von der Freundschaft des Toten bist, du aus dem Land der Thüringe, er ein Franke.«

      Ingram schwieg.

      »Und wenn die Grenzwächter der Sorben dich erspähen? Sicher sind sie des Grenzbrauches kundig und sorgen jetzt um eine Rachefahrt der Franken. Darum meine ich, auch dir ist nicht verborgen, daß du nur in Frieden die Gefangenen lösen kannst.«

      »So magst du wissen,« versetzte Ingram finster, »was ich ungern bekenne, daß ich mir Lösegeld suchen will durch Verkauf der Rosse, die du hier siehst; einige darunter sind wohl wert den Sattel eines Königs zu tragen. Unsicher ist, ob der Ratiz selbst die Rosse nimmt, denn voll von Hufen ist, wie ich fürchte, das Lager der Diebe seit ihrem letzten Zuge. Deshalb will ich die Rosse jetzt an die Erfesfurt treiben, wo der große Markt meines Volkes ist, ob ich Armringe oder fränkisches Silber dafür einhandle. Doch mißlich ist ein Verkauf in der Not. Das ist die Sorge, die mich ängstigt.«

      »Und gibt es anderen Kaufpreis, der dir den Willen des Slawen bezwingt?«

      »Rotes Gold der Zwerge und Silber, das der Schmied künstlich geschlagen hat«, versetzte Ingram schnell. »Ihm kann der niedrige Mann nicht widerstehen. Aber solch Königsgut hat der Thüring nicht.«

      Winfried zog die Kapsel hervor und drehte sie auf, einen großen Becher hob er heraus, von außen Silber, von innen Gold, mit einem Kranz von Weinlaub und erhöhten Menschenbildern daran, ein wundervolles Stück Arbeit. »Aus dem Schatz eines Königs stammt es und von einem königlichen Mann ist es in meine Hand gelegt. Meinst du, daß dies Stück uns die Kinder lösen wird?«

      »Nie sah ich solch ein Werk von Menschenhand,« rief der Thüring mit leuchtenden Augen, »silbern sind die Kinder und nackt, sie wandeln um den Becher als ob sie lebten.« Und gehaltener setzte er hinzu, sich seiner Neugier schämend: »So großes Schatzstück löst viel.«

      »Dann sei der Tag gesegnet,« rief Winfried, »wo ich den Becher empfing.«

      Aber wieder fuhr ein dunkler Schatten über das Gesicht des jungen Kriegers, und das Gefäß stolz zurückgebend rief er: »Fahre hin mit deinem Becher, du schlauer Fremdling«, und wandte sich den Rossen zu.

      Doch Winfried hielt seinen Arm. »Meine nicht, Ingram, daß ich deine Gunst erkaufen will durch Silber und Gold. Du hast dich ja selbst geweigert, Führerlohn zu empfangen. Wärest du von den Kindern des großen Gottes, dann dürfte ich dir das Schmiedewerk zu christlicher Tat schenken. Du aber hast deine wilde Begier mir verraten. Nicht als deine Sklavin darfst du das Frankenweib heimführen in dein Haus, ihr selbst und ihrem Geschlechte schenke ich den Becher, und rettet er sie aus der Gefangenschaft, so kehrt sie wieder als eine Freie, sie und andere, die du zu lösen vermagst. So ist meine Meinung. Dich aber bitte ich um der Gebundenen willen, daß du für sie alle den Handel vollendest und sie darauf herführst in den Schutz, den sie sich selbst begehren.«

      »Dein soll die Ehre sein, und nicht mein«, rief Ingram heftig.

      »Nicht du, nicht ich spenden den Kaufpreis, ich selbst besitze weniger als der ärmste deiner Landgenossen, ich bin nur ein Bote des Christengottes und seinem Schatz gehört dies Silber.«

      Scheu sah der Krieger auf das blinkende Metall. »Birg es in seinem Holze, denn sehr fürchte ich, daß ein übler Zauber in solcher Gabe sei.«

      »Auch rate ich nicht, daß du selbst diesen Kaufpreis trägst,« fuhr Winfried fort, »denn auch ich habe einen Boten zum Ratiz zu senden in Geschäften des Frankenkönigs, meinen jungen Bruder Gottfried. Du aber wirst der Sprecher sein um den Loskauf, und ich bitte dich, daß du dem Jüngling gestattest, mit dir zu reiten, und daß du selbst mir gelobst, treu um ihn zu sorgen.«

      »Rauh ist der Weg zu dem Dorfe des Ratiz, schnell muß die Fahrt sein, und nicht gefahrlos ist rascher Botenlauf in den Bergen, wie mag ich den Knaben davor bewahren?«

      »Du hast seine Kraft versucht, und du hast ihn nicht schwach gefunden.« Der Krieger sah auf Gottfried hinüber, der das Roß des Bischofs am Zügel hielt, und sein Antlitz wurde freundlicher. Er überlegte. »Ich erkenne,« sagte er endlich, »daß du wie ein Herr meinen Willen richten willst. Nicht weiß ich, ob es zu meinem Heil ist, wenn ich nach deinem Verlangen tue, und wäre es um meinetwillen, ich täte es nicht. Aber ein Weib sehe ich sitzen mit gerungenen Händen in der Sklaverei.« Er fuhr heftig auf und rief: »Ich gelobe den Knaben zu halten wie einen aus meiner Freundschaft«, und legte seine Hand in die des Bischofes, dann eilte er zu seiner Koppel, gab seinen Männern Befehle und ließ die ledigen Rosse nach dem Hofe zurückführen. Unterdes sprach Winfried leise zu dem Jüngling, faltete die Hände über dem Haupte,


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