Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia
zustimmen, Cousine,« sagte Falkner fest.
»Nun hetzen Sie auch noch,« schmollte die Prinzeß, der wohl noch selten eine Bitte versagt worden war, doch Prinzeß Alexandra sagte verweisend:
»Unsere liebenswürdige Wirtin ist im Recht, Lolo, und wir haben keines, aus bloßer Neugier oder zum Spaß Familienangelegenheiten zu durchstöbern!«
»Meinetwegen kann die ganze, dumme Prophezeiung auch eingepökelt werden,« sagte die junge, fürstliche Dame schmollend mit dem ganzen Trotz eines ungezogenen Backfisches, der für gleichgültig erklärt, was ihm verboten worden ist, und als Prinzeß Alexandra ein leis ermahnendes »Aber Lolo« hören ließ, spannte der kleine reizende Übermut die niedlichen Hände mit den rosigen Fingern Tandem vor ihr Näschen als Antwort, d. h. sie machte der entthronten Autorität ihrer Schwester eine ganz unfürstliche, schusterjungenmäßige »lange Nase.«
Als sie diese Heldenthat vollbracht, sprang der stets bizarre Sprünge machende Geist Prinzeß Lolos sofort auf eine andere Idee über.
»Famos, solch' ein Familiengespenst,« rief sie und betrachtete das Bild der bösen Freifrau. »Wir haben ja natürlich auch unsere graue Dame, aber ich hab' sie leider noch nicht gesehen, auch nicht von ihr geträumt, wie Sie! Sie geht immer die Korridore im Schlosse lang bis in die Kapelle und steigt dann zur Ahnengruft hinab. Apropos, Baroneß, haben Sie auch eine Ahnengruft? Und ist die Freifrau Dolorosa dort beigesetzt?«
»Ich habe wirklich noch nicht danach gefragt,« sagte Dolores.
»Da kann ich Auskunft geben,« warf Doktor Ruß ein. »Der Sarg der Freifrau Dolorosa steht in dem verschlossenen Raum der Gruftkapelle zwischen den Särgen der beiden Brüder Falkner, welche ihre Gatten gewesen sind.«
»In der sogenannten Bleikammer,« ergänzte Falkner.
»Ach, gehen wir doch hinein – bei Fackellicht! Es ist schon ganz finster,« rief Prinzeß Lolo aufspringend.
»Unsinn, Lolo,« sagte der Erbprinz.
»Na, ich dächte, das wäre doch ein unschuldiges Vergnügen,« erwiderte sie empört.
»Unschuldig – ja! Vergnügen – nein!«
»Das ist Geschmacksache,« entgegnete das blonde Prinzeßchen weise. »Mir zum Beispiel macht es ein wonnevoll grausiges Vergnügen, nachts in eine Ahnengruft zu steigen, um den Sarg einer spukenden Ahnfrau zu sehen. Und die Baronin Dolores wohnt sogar in ihren Zimmern und schläft in ihrem Bett. Aber ihr gönnt mir nichts. Nicht wahr, Baronin, ich darf in die Ahnengruft?!«
»Natürlich,« lächelte Dolores ergötzt.
»Ach, da kommen wir gleich,« rief Prinzeß Lolo und sprang auf.
»Heut' noch, Durchlaucht? Ein andermal –« –
»Nein, nein, gleich!« beharrte die Prinzeß. »Sascha würde zu Haus bloß predigen und mir haarklein beweisen, daß einer Prinzeß von Nordland nicht Extrawürste, wie andere Sterbliche sie speisen, gebraten werden dürfen. Das kenne ich schon!«
»Nun denn, vorwärts, wenn Seine Hoheit nichts dagegen hat,« sagte Dolores resigniert und amüsiert zugleich, während Prinzeß Alexandra ihrem Bruder zuflüsterte:
»Wenn ich nur wüßte, wo Eleonore diese Ausdrücke her hat!« –
Der Herzog hatte natürlich gar nichts dagegen, und nachdem Dolores an Ramo die nötigen Befehle gegeben hatte, brach man auf zu der alten Gruftkapelle, welche, in einem fernen Parkwinkel gelegen, unter hohen, uralten Eichen ein engbegrenztes, aber sehr stimmungsvolles Bild gab. In einem früheren Stil als der Falkenhof erbaut, hatte die Gruftkapelle schon Geschlechtern zur letzten Ruhestätte gedient, welche dahingegangen und erloschen waren, und durch die Eichenallee, durch welche nun die kleine Tafelrunde der Lehnsherrin Dolores lachend und plaudernd dahinschritt, war manch' ein Falkner hinausgetragen worden zum letzten langen Schlafe.
Alfred Falkner mußte unwillkürlich an seinen letzten Gang durch diese Eichenallee denken – als er dem Sarge des Onkels folgte, ein entthronter Erbe, ein bloßer Agnat im Gefolge der »Theaterprinzeß«! Auch heut' schritt sie ihm voran, aber an der Seite eines regierenden Herzogs, und er konnte nicht anders, als hinblicken auf sie, auf diese leicht schreitende, schlanke Gestalt, in deren goldnem Haar sich mitunter ein Mondenstrahl fing, der durch eine Lichtung im Gezweig huschte. Und dann glänzte dies Haar auf und sprühte wie Feuer und leuchtete metallisch wie poliertes Kupfer – dies Haar, dessen »Satansfarbe« er so gehaßt hatte. Nun freilich wußte er, daß dieser Haß Selbstbetrug gewesen –
Da hing sich leicht ein Arm in den seinen, und ein reizendes Gesichtchen blickte auf zu ihm mit thränengefüllten Augen – Prinzeß Lolo.
»Sehen Sie nicht immer nur hin nach ihr,« flüsterte sie mit erstickter Stimme, »sie macht sich doch nichts aus Ihnen – gar nichts!«
»Das wußt' ich eher, wie Sie, Prinzeß,« erwiderte er in der Bitterkeit seines Herzens, und dann ärgerte ihn das rasche Wort. Was brauchte dies kleine Schoßkind des Glückes davon zu wissen?
»Das wissen Sie? Gott sei Dank!« flüsterte es an seinem Arme zurück.
»Wie meinten Durchlaucht?« fragte er steif.
»Ich sagte: Gott sei Dank, daß Sie es wissen,« kam es trotzig zurück, aber etwas lauter. »Ich will nicht so laut sprechen – was brauchen es die andern zu hören?«
»Was hören?«
»Daß Sie umsonst den Toggenburg spielen vor dem Falkenhof:
Ritter, treue Schwesterliebe
Widmet Euch dies Herz –
Fordert keine andre Liebe,
Denn es macht mir Schmerz –«
deklamierte die kleine Prinzeß.
»Durchlaucht belieben starke Ausdrücke,« gab er hochmütig zurück. »Denn wenn ich zu etwas nicht Anlage habe, so ist es zum Toggenburg.«
»Dazu wären Sie auch zu schade –« –
»O wirklich –?«
»Ja, denn Sie sollen siegen, aber nicht schmachten. Schmachten ist für einen Mann etwas Gräßliches – Jämmerliches. Wenn man Sie als Prometheus an einen Felsen schmiedete, und die Geier an Ihrem Herzen hackten –« –
»Es war die Leber, Durchlaucht!« – unterbrach er sie ironisch.
»Und die Geier an Ihrem Herzen hackten,« fuhr sie unbeirrt fort, »dann würde ich so viel glühende Thränen weinen auf Ihre Fesseln, bis sie schmölzen. Aber für einen Gefangenen im Bagno mit der Kugel am Fuß rühre ich keinen Finger!«
Die kleine, leidenschaftliche Rede verfehlte ihre Wirkung nicht. Falkner führte gerührt und geschmeichelt – vielleicht letzteres noch mehr, das reizende kleine Händchen, das auf seinem Arm lag, an die Lippen.
»O, Prinzeß Lolo!« murmelte er.
»Nennen Sie mich doch nicht auch mit diesem schrecklichen Namen,« bat sie leise mit schmeichelnder Stimme.
»Eleonore!« sagte er da, ohne Titel, ohne Prädikat.
»Alfred!« jauchzte es noch leiser zurück, aber mit solchem Herzensjubel, daß er davor erschrak. Was war geschehen? Was hatte er gethan? Doch zum Überlegen war keine Zeit – man war an Ort und Stelle.
Vor der Kapelle, die grau und verwittert unter dem dichten Blätterdach der sie umgebenden Eichen lag, standen zwei Diener mit Fackeln – sie hatten einen näheren Weg genommen, um die Herrschaften zu erwarten.
Der Herzog setzte sich sogleich auf eine Steinbank vor der Pforte. »So! Nun macht, was ihr wollt, ich bleibe hier,« erklärte er behaglich; die Lust in die Gruft hinabzusteigen, war übrigens auch bei den anderen nichts weniger als groß und man zögerte vor der nun geöffneten Pforte, bis Dolores zu Prinzeß Lolo sagte:
»Nun denn, so muß ich Ihnen allein die Honneurs dort unten machen, Durchlaucht!«
Aber der kleinen Durchlaucht war längst die Lust vergangen – sie hatte durchgesetzt, was sie sich eingebildet