Alfried Krupp. Frobenius Herman

Alfried Krupp - Frobenius Herman


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      Alfried Krupp / Ein Lebensbild

      I

      Das väterliche Erbe

      Im selben Frühjahr, in welchem Napoleon Bonaparte sich anschickte, seine sieggewohnte Armee dem Verderben in Rußlands unermeßlichen Gefilden entgegenzuführen und damit seine tyrannische, fast ganz Europa umfassende Herrschaft dem ersten, bis in die Grundfesten sie erschütternden Stoße aussetzte, im selben Frühjahr erblickte der Mann in dem Städtchen Essen das Tageslicht, dessen geniale Schaffenskraft das starke Werkzeug schmieden sollte, welches 58 Jahre später der deutschen Armee zur Vernichtung des herrschsüchtigen Neffen, des letzten Napoleoniden, diente. Dasselbe Jahr, welches als Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Nation sie eintreten ließ in eine Periode der kräftigsten Entwickelung, des ungeahnten Aufschwunges, es gab ihr auch mit der Geburt des Meisters die Waffen, um den übermüthigen Erbfeind zu Boden zu schlagen und dem Vaterland die langersehnte Einheit zu erkämpfen.

      Am 12. April 1812 ward Alfried Krupp geboren.

      Mitten in Deutschlands wichtigstem Steinkohlengebiet, in dem reizlosen, aber fruchtbaren, hügelbekränzten Thale der Ruhr, dort wo er mit seines Lebens schwerer Arbeit auch seine ans Wunderbare grenzenden Erfolge errang, in dem kleinen Städtchen Essen stand seine Wiege. Ja! klein, auffallend klein war noch der Ort mit seinen 4000 Einwohnern trotz des vollen Jahrtausends, auf das es seine Geschichte rückwärts verfolgen konnte. In jener Zeit der Geburt des ersten Deutschen Reiches, als das weite Erbe des großen Karl der Schauplatz der blutigen, ländergierigen Bruderkriege war, welche mit der endgültigen scharfen Trennung der gallischen und germanischen Volksstämme einen Abschluß fanden, damals ward Essen gegründet. Und ebenfalls ein Alfried war es, der Bischof Alfried von Hildesheim, welcher mit der Erbauung des alten Münsters den Mittelpunkt für die neue Ansiedelung formte; überaus langsam entwickelte sie sich, bis nach Verlauf eines Jahrtausends der zweite, größere Alfried, der, obgleich Protestant, den Namen des Schutzpatrons erhielt, die schlummernden Kräfte zu neuem, schaffensreichem Leben zu erwecken wußte und nicht nur seine Vaterstadt einem plötzlichen, überraschenden Wachsthum zuführte (die Einwohnerzahl betrug in seinem Todesjahre an 68000), sondern ihr die erste Stelle unter den Fabrikorten derjenigen großen Industrie errang, welche unter seiner Führung die Uebermacht des Auslandes siegreich überwand und die erste Bresche legte in die britische Weltherrschaft. Wie ein welterschütternder Heroldsruf wirkte dieser Sieg des Essener Fabrikherren auf den deutschen Handel und auf die deutsche Industrie und, wie er dem Heere die starke Waffe schmiedete zur Wiedergewinnung der seit 1000 Jahren der deutschen Nation zustehenden, heimtückisch vor 3 Jahrhunderten ihr geraubten linksrheinischen Lande, so führte er durch die selbstgeschaffene Bresche im friedlichen Wettkampf Deutschlands Handel und Industrie Schritt für Schritt vorwärts in Gebiete, welche Britannien bisher als seine alleinige Domäne zu betrachten sich angemaßt hatte. So erweiterte sich die von Alfried Krupp voll gelöste Lebensaufgabe aus der des patriotischen Waffenschmiedes, welche sich auf Stärkung der Wehrkraft des Vaterlandes und auf den Schutz seiner Grenzen richtete, zu der eines Bahnbrechers für die Idee eines „größeren Deutschland”, und er verstand in weiser Umsicht die beiden Wege zu betreten, welche diese zum Ziele führen müssen: Zusammenschluß der vaterländischen Kräfte durch friedliche Lösung der sozialen Aufgaben und Ueberflügelung der ausländischen Industrie durch intensivste Entwickelung und Ausbeutung der Technik und Wissenschaft, sowie durch sorgsamste und gewissenhafteste Pflege der Reellität in allen Industriezweigen.

      Klein, außerordentlich klein und unscheinbar, wie seine Vaterstadt im Jahre 1812, sind die Anfänge seiner so gewaltig sich erweiternden Wirksamkeit. Aber die Keime zu der großartigen Entwickelung waren bereits vorhanden, ebenso, wie in der Vaterstadt die Anfänge der Industrie, welche sie groß machen sollte, weit zurückdatiren. Schon im 16. Jahrhundert wurde hier Kohlenbergbau betrieben und die Gewinnung von Eisenerzen erlangte zeitweise eine gewisse Bedeutung in dem bis 1803 ein Freies Reichsstift bildenden Essener Territorium. Sie gab im vorigen Jahrhundert Veranlassung zur Entstehung der Eisenwerke Neu-Essen, St. Antony und Gute Hoffnung, deren letzte für die Familie Krupp und für deren Wirken im Gebiete der Eisentechnik eine große Bedeutung gewann. Auch die Waffenfabrikation war in Essen nichts Ungewohntes; denn seit 2 Jahrhunderten bis in den Anfang des unseren bildete die Gewehrfabrikation einen wesentlichen Zweig der bürgerlichen Erwerbsthätigkeit.

      Eng verknüpft mit der Geschichte der Stadt ist von jeher die der Familie Krupp. Schon im Jahre 1560 wird ein Kaufmann des Namens genannt, welcher durch Aufnahme des niederländischen Flüchtlings Alexander van Huissen eine Familie in Essen einbürgerte, welche in ihren Nachkommen von großer Bedeutung für die Begründung der niederrheinischen Eisenindustrie werden sollte. Im Jahre 1664 spielte ein Matthias Krupp als Sekretair der Stadt eine große Rolle im öffentlichen Leben und von 1703 bis 1734 stand ein anderer Ahnherr, Arnold mit Namen, als Bürgermeister an der Spitze der städtischen Verwaltung. Vom Jahre 1760 an sind die Vorfahren Alfried Krupps in fortlaufender Linie bekannt, Friedrich Jodocus, Sekretär der Stadt, ward in diesem Jahre mit einer von ihm gemutheten und „Sekretarius” benannten Kohlenzeche belohnt. Er wie sein einziger Sohn, Peter Friedrich Wilhelm, starben noch vor Beginn des neuen Jahrhunderts, sodaß im Jahre 1800 nur die beiden Wittwen, die „ältere” Amalie, geborene Ascherfeld und die „jüngere Wittwe” Petronella, geborene Forsthoff, sowie deren Sohn Friedrich Krupp, welcher am 17. Juli 1787 geboren worden war, die Familie repräsentirten.

      Diese erfreute sich zweifelsohne damals eines recht guten Wohlstandes, denn die jüngere Wittwe bewohnte ein von ihrem Manne 1791 erbautes stattliches, mit den Namenszügen F. W. P. Krupp und P. Forsthoff, sowie dem Kruppschen Wappen (eine um einen Baum sich windende, „krupende” Schlange) geschmücktes Haus (Flachsmarkt Nr. 9); Frau Amalie Krupp aber besaß die Mittel, um am 12. April 1800 von ihrem Schuldner Pfandhöfer, dem Besitzer der St. Antony- und Gute Hoffnungs-Hütte die letztere beim Zwangsverkauf für 12000 Thaler zu erwerben. Mithin erschloß sich am selben Tage, an welchem 12 Jahre später der geniale Erbe der väterlichen geistigen Hinterlassenschaft geboren wurde, für dessen Vater Friedrich das Feld der Thätigkeit, auf dem er die erste Anregung erhielt zu seinen schöpferischen Ideen und weit hinausschauenden Plänen.

      Frau Amalie, eine thatkräftige und geistig bedeutende Frau, übernahm selbst die Leitung des Eisenwerkes und suchte seine Ergiebigkeit durch Verbesserungen zu steigern; ihrem Enkel aber gab sie die Gelegenheit, sich dort als Hüttenmann auszubilden. Der Jüngling ergriff den Beruf mit voller Begeisterung. In seinem Geist reifte unter der Anregung der täglichen Beschäftigung der Gedanke, welcher ihm zum Leitstern wurde für sein ganzes, nur gar zu bald im Dienste der Idee geopfertes Leben. Die Eisentechnik Deutschlands war zurückgeblieben, durch England weit überflügelt, und immer mehr wurde der Bedarf an werthvolleren, besseren Erzeugnissen, wie Maschinentheilen und Geräthen, auch im Vaterlande allein aus den englischen Fabriken gedeckt, immer mehr aber drückte das auf die heimische Industrie, je mehr die Maschinen sich vervollkommneten und je allgemeiner ihre Anwendung in allen Berufskreisen voraussichtlich wurde. Für eine ganze Reihe von Werkzeugen und Geräthen verlangte die fortschreitende Industrie ein ganz besonders feinkörniges, hartes und widerstandsfähiges Eisenmaterial, und dies verstanden nur die englischen Fabriken in ihrem Gußstahl herzustellen. Daher ist es leicht erklärlich, daß sich in Deutschland allerorten die denkenden und strebsamen Hüttenleute mit Studien und Versuchen abmühten, um das Geheimniß der Gußstahl-Fabrikation zu ergründen. Und dieses Verlangen ist es auch, welches in Friedrich Krupp, durch seine Beschäftigung auf der Gute Hoffnung-Hütte in Sterkrade mächtig angeregt, zur heißen Flamme wurde, die sein Vermögen und seine Gesundheit verzehrte, während sie für die deutsche Industrie zum Heerdfeuer wurde, an dem sich ihre Thätigkeit in mächtigem Aufschwung entwickelte, und zum Freudenfeuer des endlichen Sieges über die britische Industrie.

      Das fleißige, unermüdliche Streben des Jünglings lohnte die Großmutter am 27. Juni 1807 – kurz vor Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres – durch Schenkung des Werkes, und als sich im August des folgenden Jahres Friedrich Krupp mit Therese Wilhelmi aus Essen verheirathete, geschah es noch auf der Gute Hoffnung-Hütte; den häuslichen Heerd wollte er sich neben dem flammenden Ofen errichten, der ihm den Gußstahl liefern sollte. Wie weit er damals mit seinen Versuchen bereits gediehen war, ist nicht bekannt. Jedenfalls erschien es ihm selbst wohl noch nicht möglich, in kurzer Zeit damit ein vollwerthiges Resultat zu erreichen, denn dann würde er nicht darein gewilligt haben, daß bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit am 14. September 1808 die Gute Hoffnung-Hütte verkauft wurde (nachdem die Schenkung,


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