Alfried Krupp. Frobenius Herman

Alfried Krupp - Frobenius Herman


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zu konkurriren, obgleich die preußische Regierung durch Zuwendung von Aufträgen die Gute Hoffnung-Hütte zu unterstützen suchte. Es ist interessant, daß unter dem Kaufakt sich die Namen der Begründer der niederrheinischen Eisenindustrie vereinigt finden, denn die Käufer waren Heinrich Huyssen, Gerhard und Franz Haniel und Gottlob Jacobi. Mit letzterem, einem sehr tüchtigen Hütteningenieur, begegnete sich Friedrich Krupp in dem Bemühen, das Geheimniß der Gußstahl-Fabrikation zu ergründen.

      In Essen, wohin der junge Ehemann nach Verkauf der Hütte seinen Wohnsitz verlegte, trat er in einen durchaus neuen Wirkungskreis, indem er das von seiner Mutter geführte größere Spezereigeschäft im Oktober 1810 auf seinen Namen übernahm. Aus dieser Zeit datirt also die Firma Friedrich Krupp, die sich freilich zunächst mit einem Artikel beschäftigte, der den späteren Fabrikaten derselben Firma so fremd wie möglich ist, sie handelte vornehmlich mit Kaffee.

      Nicht lange duldete es den jungen Eisentechniker in diesem Geschäft; alles Streben seines Herzens war auf die Gußstahl-Fabrikation gerichtet und unwürdig erschien ihm eine Thätigkeit, welche hierfür keinen Raum bot, es drängte ihn, seine ganze geistige, wie körperliche Kraft, seine Zeit und seine Mittel ganz ausschließlich diesem einen Zweck zu widmen. Um seine Versuche fortsetzen zu können, bedurfte er eines, wenn auch noch so kleinen Eisenwerkes; und so sehen wir, daß er bereits am 7. Dezember 1811 ein in der Gemeinde Altenessen gelegenes kleines Gütchen, „die Walkmühle”, ein Anwesen von etwa 5 Morgen Ausdehnung, ankauft, um hier einen Reckhammer, sowie ein Schmelz- und Cementirgebäude zu errichten; ein kleiner das Gelände durchfließender Bach gab die erforderliche Wasserkraft. Hier sollte das Material, der Gußstahl, erzeugt werden, und in dem Städtchen Moers, auf dem linken Rhein-Ufer, damals also noch im französischen Gebiet, sollte eine neu errichtete Feilenfabrik die für das Ausland bestimmten Waaren herstellen, um den Zoll für diese zu ersparen. Es war wohl zuviel auf einmal angefangen, so richtig das Unternehmen auch erscheinen muß, denn diese Feilenfabrik hat nicht lange bestanden.

      Mit Fertigstellung der Gebäude im Herbst 1812 löste Friedrich Krupp sein Spezereigeschäft auf, um alle Mittel disponibel zu machen für das eine Ziel, das er sich gesteckt hatte. Im Geburtsjahr seines Sohnes Alfried konnte er also die geschäftliche Mittheilung machen, daß die Firma Friedrich Krupp von jetzt ab „alle Sorten feinen Stahl, auch Guß-, Rund- und Triebstahl” zu liefern im Stande sei.

      Der Zeitpunkt, mit welchem mithin die Krupp’sche Gußstahl-Fabrik ins Leben trat, war für das Unternehmen außerordentlich günstig, denn durch die Napoleonische Kontinentalsperre war seit 1806 jede Einfuhr englischer Stahlwaaren abgeschnitten und die Bestände in den letzten Jahren verbraucht worden; die in voller Entwickelung begriffene Eisen- und Stahl-Kleinindustrie im westlichen Deutschland gerieth mehr und mehr in Verlegenheit, denn es mangelte einerseits an dem zu verarbeitenden, bisher aus England bezogenen Material, anderseits an den von dort gelieferten Stahlwerkzeugen. Allerorten wurden deshalb von Technikern und Chemikern Versuche über Versuche gemacht, einen Ersatz des englischen Fabrikates zu erzeugen, und wer mit Erfolg diesen Weg beschritt, konnte, wie es schien, eines reichen Lohnes sicher sein, da er das dringendste Bedürfniß der Industrie befriedigte. Wenn sich aber die vielfachen Versuche, Gußstahl herzustellen, trotz der thatsächlich erreichten Kenntniß des Geheimnisses fast alle spurlos im Sande verliefen, wenn außer Krupp keiner der patentirten Erfinder ein nennenswerthes Resultat erzielte, so liegt dieses in der eigenartigen Natur des Gußstahls wie jeder für bestimmte Zwecke auf einen hohen Grad der Leistungsfähigkeit entwickelten Eisenlegirung. Es ist nicht die Kenntniß der chemischen Zusammensetzung und das einmalige glückliche Gelingen der Herstellung hinreichend, um die Garantie für eine stetige Produktion eines gleich leistungsfähigen Materials zu bieten; denn die Rohmaterialien sind so verschieden und die geringsten Unterschiede in ihrer Zusammensetzung und in ihrer Zusammenmischung von einem so bedeutenden Einfluß auf die Eigenschaften der aus ihnen gewonnenen Eisenlegirung, daß erst ein langjähriges Studium und Probiren, verbunden mit der minutiösesten Prüfung und Untersuchung der Rohmaterialien und mit der peinlichsten Genauigkeit bei ihrer Verhüttung zu einem einigermaßen richtigen Urtheil über das jedesmal zu erwartende Resultat und schließlich zu jener Sicherheit im Betriebe führen konnte, welche der Legirung die für bestimmte Zwecke zu erreichenden Eigenschaften bei der Auswahl der Materialien zuzuführen imstande ist.

      Es ist hieraus erklärlich, warum nicht mit der einmaligen gelungenen Erzeugung eines guten Gußstahlblockes für Friedrich Krupp alle Schwierigkeiten überwunden waren; wie er Jahr für Jahr seines Lebens der emsigen Arbeit opfern mußte, um das theoretisch Gefundene und praktisch als richtig Bewiesene für die Fabrikation auch nutzbar zu machen und die geeignete Beschickungsart für die einzelnen Zwecke des Fabrikates zu finden. Ein Leitmotiv für alle seine Versuche hat ihm den richtigen Weg gewiesen und hat in gleicher Weise seinen Sohn von Erfolg zu Erfolg geführt: „Ohne gutes Eisen kein guter Stahl”; für das beste Erzeugniß, das er erstrebte, konnte er auch nur das beste Rohmaterial brauchen. Und der Mangel an letzterem war es häufig, der seine Fortschritte hemmte. Ein zweites aber, was die Fabrikation größerer Gußstahlstücke unbedingt erfordert, sind die Werkzeuge, mit denen diese durchgeschmiedet oder gewalzt werden müssen, um die Gleichmäßigkeit und Dichtigkeit des Gefüges zu erhalten, welche das Material zu den höchsten Leistungen befähigen. Es fehlten ihm die Mittel, um sich große Hämmer und Walzwerke zu beschaffen und erst nach langen Jahrzehnten der langsamen Entwickelung aus den kleinen Anfängen heraus gelang es dem Sohne, durch Konstruktion und Ausführung der mächtigen Hämmer, welche die Welt in Staunen setzten, seinen Stahlblöcken die von keinem Anderen je erreichte Güte und Leistungsfähigkeit zu geben. Friedrich Krupp hatte noch in keinem seiner Fabrikgebäude eine Dampfmaschine, mit dem Hammer, den er 1818 in Alten-Essen anlegte, konnte er Gußstahl nur bis zur Stärke von 3 Zoll durchschmieden und, um Platten zu walzen, mußte er das Walzwerk von Franz Dinnendahl in Spillenburg in Anspruch nehmen.

      Die ungeheuren Schwierigkeiten, welche Friedrich Krupp aus der Natur der Gußstahlfabrikation selbst erwuchsen, sind hieraus ersichtlich. Hierzu kamen aber noch andere unglückliche Umstände, welche einer raschen Entwickelung seines Werkes hindernd in den Weg traten. Gleich im zweiten Jahre nach dem Beginn der Gußstahl-Fabrikation war es seine Verbindung mit einem Mechaniker, Namens Nicolai, welche sehr ungünstige Folgen hatte. Nicolai hatte ein preußisches Patent (vom 5. Mai 1815) auf Gußstahl erhalten, „der dem besten, bis jetzt bekannten englischen Gußstahl in Rücksicht der Güte gleichgefunden” wurde. Damit war aber nicht gesagt, daß er auch die Fähigkeit und Erfahrung für die Fabrikation besaß, wie bereits erläutert wurde. Er war ein Beispiel der für die Praxis unbrauchbaren Erfinder, und Krupp sah sich binnen Kurzem gezwungen, den Gesellschaftsvertrag mit ihm wieder zu lösen, mußte aber hierbei eine bedeutende Entschädigung zahlen und wurde wegen des Nicolaischen Patentanspruches in einen Prozeß verwickelt, der allerdings zu seinen Gunsten entschieden wurde, aber erst 1823 zum Abschluß kam und in den zwischenliegenden Jahren eine Quelle von Verlegenheiten, Verlusten und Verdrießlichkeiten wurde.

      Zu den wichtigsten und besten Erzeugnissen der Fabrik zählten gußstählerne Münzstempel und – Walzen. Sie waren binnen Kurzem nicht nur in Berlin und anderen deutschen Münzprägeanstalten, sondern auch in Wien und Petersburg in Gebrauch. Gelegentlich deren Lieferung hatte Friedrich Krupp mit dem preußischen Generalmünzdirektor Goedeking freundschaftliche Beziehungen angeknüpft und trug sich mit der Hoffnung, durch dessen Vermittelung die Unterstützung der Regierung in Form eines größeren Kredits zu gewinnen. Denn seine Fabrik mußte nothwendigerweise erweitert werden, um den gesteigerten Anforderungen gerecht werden zu können, und er glaubte von der Regierung eine Entschädigung für die bedeutenden Verluste beanspruchen zu können, die ihm aus der Patentirung des leistungsunfähigen Nicolai erwachsen waren. Seine rastlose Energie ließ ihm aber nicht die Ruhe, jahrelang auf eine Entscheidung zu warten, und so begann er 1818 mit dem Bau eines neuen Fabrikgebäudes im Westen der Stadt Essen, wo es für ihn bequemer zu erreichen war, da er mit seiner Familie noch in der Stadt wohnte. Am 18. Oktober 1819 konnte zum ersten Male in dem neuen Werk geschmolzen werden, es ist der Geburtstag der jetzigen Gußstahlfabrik, deren weitläufige Anlagen sich mit der Zeit an diesen ersten verhältnißmäßig kleinen und bescheidenen Kernbau anschließen und in stetiger Erweiterung zu einem der größten Etablissements der Welt auswachsen sollten.

      Im Anfang sah es freilich noch wenig hoffnungsvoll aus, denn von den projektirten 60 Schmelzöfen konnten zunächst nur 8


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