Alfried Krupp. Frobenius Herman

Alfried Krupp - Frobenius Herman


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mit verrichtete und jeden Groschen nur zu Gunsten des Geschäftes verausgabte. Wie manchmal mußte er sich sorgen, selbst nur die kleine Summe für die wöchentliche Löhnung seiner paar Arbeiter rechtzeitig zu beschaffen; für seine eigene Arbeitsleistung blieb ihm nichts übrig. „Fünfzehn Jahre lang,” sagt er in einem Aufruf an seine Arbeiter am 24. Juli 1872, „habe ich gerade soviel erworben, um den Arbeitern ihren Lohn auszahlen zu können. Für meine eigene Arbeit und Sorgen hatte ich weiter nichts, als das Bewußtsein der Pflichterfüllung.” So brachte er es bis zum Jahre 1832 erst auf 10 Arbeiter, die im folgenden sogar auf 9 wieder herabgingen. Und dabei dachte er Tag und Nacht auf Verbesserungen seiner Fabrikate und weitere Ausnutzung seines Gußstahls; dabei suchte er in sonntäglichem Unterricht bei seinem Oheim, dem Kaufmann Karl Schulz, die kaufmännische Buchführung und sonstige kaufmännische Wissenschaften sich anzueignen; dabei ergriff er selbst den Wanderstab, um als Reisender für sein Geschäft seine Fabrikate an den Mann zu bringen. Von Hof zu Hof zog er auf der aus dem Märkischen in’s Bergische führenden Enneperstraße, wo die „Reckhämmer” ihre heiße Arbeit betrieben, um Aufträge auf „Hammersättel” einzusammeln, jede Lieferung neu gefertigter Münzstempel brachte er selbst nach Düsseldorf in die Münze, um sofort die Bezahlung empfangen zu können; denn der Geldmangel steigerte sich manchmal bis zur Sorge, das Porto für eingehende Briefe zu decken.

      Nach einem Jahrzehnt dieses heißen, oft verzweiflungsvollen Ringens gelang es endlich Alfried, den ersten wichtigen Erfolg zu erringen. Er hatte eine Löffelwalze in Gußstahl hergestellt, bestimmt zum Gebrauch bei Herstellung von Löffeln in Gold und Silber und erhielt auf diese nicht nur in den deutschen Staaten, sondern auch in England, Frankreich und Oesterreich ein Patent. Die Walze ward außerordentlich vortheilhaft von den Löffelfabrikanten gefunden und in England dem Erfinder eine so ansehnliche Geldsumme für das Patent gezahlt, daß er sich nicht nur von den lästigsten Schulden befreien, sondern auch den Betrieb seines Werkes wesentlich erweitern konnte. Die erste schreckliche Periode der oft unheimlichen Angst und der beinahe übermenschlichen Anstrengung war damit überwunden; mit gehobenem Muthe sah der Jüngling einer besseren Zukunft entgegen.

      Der Gedanke lag nahe, die neue Erfindung auch in Deutschland weiter auszunutzen, wozu es jedoch größerer Anlagekapitalien bedurfte. Krupp wandte sich an das angesehene Bankhaus v. d. Heydt, Kersten & Co. in Elberfeld, und dieses zeigte sich auch nicht abgeneigt, eine Verbindung mit ihm einzugehen behufs Fabrikation der Löffelwalzen in großem Maßstabe. Jedoch trat bald das Bestreben hervor, weniger dem Erfinder zu Hilfe zu kommen, als vielmehr seine Erfindung im Interesse des Bankhauses auszunutzen. Man weigerte sich nämlich, ihm Kapital zur Verfügung zu stellen und verlangte die Gründung eines Werkes in Elberfeld, welches den Namen des Geldleihers tragen sollte, so daß also der Erfinder mit seiner Person ganz zurücktrat und der weiteren Entwickelung seiner eigenen Fabrik geradezu entgegengearbeitet wurde. Auf solche Bedingungen konnte dieser natürlich nicht eingehen, die Verhandlungen zerschlugen sich, die Beziehungen zu dem Bankhause scheinen aber Mißstimmungen bei dessen Chef hinterlassen zu haben, welche er in seiner späteren Stellung als Handels- bezw. Finanzminister noch nicht überwunden hatte. Wenigstens glaubte Krupp die seiner Firma zu Theil werdende Behandlung Seitens des preußischen Ministers hierauf zurückführen zu müssen.

      Besseren Erfolg hatte er in Oesterreich mit dem Bestreben, seine als vorzüglich anerkannten Münzstempel zur Einführung zu bringen. Allerdings galt es dort einen heftigen Kampf gegen die Intriguen und Chikanen der österreichischen Konkurrenten, welche mit allen zulässigen und unzulässigen Mitteln dem Eindringen des ausländischen Fabrikanten entgegenarbeiteten. Monatelang mußte Krupp wiederholt in Wien sich aufhalten, um seinen Erzeugnissen nach manchem schweren Verdruß zum Siege zu verhelfen. Aber leicht kann es nicht gewesen sein, denn sein schönes schwarzes Haar bleichte in diesen Jahren, und er pflegte später zu sagen, die Farbe seiner Haare habe er in Wien gelassen. Bei dieser Gelegenheit mag es ihm zum Bewußtsein gekommen sein, daß gegen die, ihre an und für sich ja durchaus berechtigten Interessen vertheidigenden österreichischen Metallfabrikanten auf die Dauer nur dadurch würde Stand zu halten sein, daß er auf österreichischem Boden festen Fuß faßte. Zur Gründung einer eigenen Fabrik daselbst fehlten ihm die Mittel, es blieb also nur der Ausweg, mit einem österreichischen Kaufmann nahe persönliche Beziehungen herzustellen. Er fand einen solchen in Alexander Schöller, einem geborenen Dürener, welcher seit 1833 in Wien eine Großhandlung besaß. Mit diesem vereint gründete Alfred Krupp im Jahre 1844 in Berndorf bei Leobersdorf eine Metallfabrik unter der Firma Krupp und Schöller. Die technische Leitung übernahm Krupp’s jüngerer Bruder Hermann. Bald blühte die Fabrik zu einem Werk ersten Ranges empor und ward dadurch erweitert, daß Hermann Krupp in Gemeinschaft mit Schöller auch eine Bessemer-Stahlfabrik, Aktiengesellschaft in Ternitz, und eine Nickelfabrik zu Losoncz in Ungarn gründete.

      In auffallendem Maaße begann die Essener Fabrik sich in diesen Jahren zu entwickeln; während ihr Areal im Jahre 1838 nur 2,87 ha umfaßte (weniger als in Friedrich Krupp’s letzten Lebensjahren), war es 1844 auf 4,53 ha angewachsen und die Arbeiterzahl stieg im Jahr 1843 auf 99, im folgenden auf 107 und 1845 sogar auf 122 Köpfe. Es ist hieraus ersichtlich, wie unablässig der Fabrikherr bemüht war, die Werkanlagen zu erweitern, die Leistungsfähigkeit der Fabrik zu steigern, wie selbstlos er jede Verbesserung der Einnahmen lediglich in deren Interesse verwendete und sein persönliches Wohlbehagen deren Förderung stets hintanstellte. Es ist hier der eigenthümliche Zug in Krupp’s Geschäftsleitung bereits deutlich erkennbar, welcher bis in die letzten Lebensjahre zu der mächtigen Entwickelung der Gußstahlfabrik so wesentlich beitrug, von den Einnahmen, so bedeutende Höhen sie auch erreichten, nie etwas zu kapitalisiren oder im persönlichen Interesse zu verwenden, sondern stets zu Verbesserungen und Erweiterungen der Fabrikanlagen zu benutzen. Stetig wuchsen mit der Eroberung neuer Produktionsgebiete, in deren Auffinden Krupp unermüdlich war, auch die Anforderungen bezüglich Beschaffung der Rohmaterialien, bezüglich der Räumlichkeiten und maschinellen Anlagen für ihre Ver- und Bearbeitung, bezüglich der Bedürfnisse der wachsenden Arbeitermasse. Da waren stets dringende Wünsche zu befriedigen, und der Gedanke scheint Krupp nie gekommen zu sein, seine persönlichen Bedürfnisse einmal denen der Fabrik voranzustellen oder einen ausführbaren Erweiterungsbau aufzuschieben, um eine Summe für sich und seine Familie zu kapitalisiren. Seine Fabrik erschien ihm stets die beste Kapitalsanlage und selbst die eigene Arbeitskraft und seine werthvollsten Erfindungen hielt er für am besten belohnt und verzinst, wenn er sie lediglich in den Dienst der Fabrik stellte. Wie er in dem ersten Dezennium unter dem Zwang der Noth jeden Pfennig für diese hatte ausgeben müssen, so geschah es weiter mit den großen Summen, die er später vereinnahmte, und dabei half ihm sein unerschütterliches Vertrauen in die Ausbeutungs- und Entwickelungsfähigkeit der väterlichen Erbschaft, sowie sein Bewußtsein einer unerschöpflichen Erfindungsgabe und nie erlahmenden Arbeitskraft auch den Zeiten ernster wirthschaftlicher Krisis ohne Reservefonds entgegenzutreten und sie siegreich zu überwinden.

      Hierbei kam ihm eine zweite Geschäftsregel wesentlich zur Hilfe, welche auch ein charakteristisches Merkmal seiner Geschäftsführung von Anfang an gewesen ist, und in dem Bestreben basirt, alle Bedürfnisse der Fabrik möglichst selbst mit deren eigenen Mitteln zu befriedigen. Was an Werkzeugen erforderlich war, suchte er selbst herzustellen und sparte damit den sonst in die Taschen anderer Fabrikanten fließenden Verdienst. Dieses System der Selbstfabrikation hat er stetig durchgeführt und in einem so großartigen Maßstabe entwickelt, wie es sich wohl nirgends wiederholen möchte, wie es allerdings auch nur mittelst der Einführung dieser Regel von Anfang an und mittelst der enormen hierfür verfügbar zu machenden Geldmittel ausführbar war. In Zeiten der Krisis war er aber hierdurch fast ganz unabhängig von anderen Lieferanten und entging allen durch solche etwa auszuübenden Pressionen und seinen Kredit gefährdenden Maßnahmen.

      Unermüdlich war Krupp eifrigst bemüht, seine Kenntnisse zu erweitern und als geeignetstes Mittel hierzu suchte er die zahlreichen Reisen auszunutzen, die er im Geschäftsinteresse unternehmen mußte. Namentlich war es in England, in dem Lande des Welthandels und der ausgedehntesten Industrie, wo er offenen Auges beobachtete und forschte, wo ihm die Gewißheit wurde, daß sich für sein vorzügliches Material auch ein weiter Wirkungsbezirk erschließen müßte; er selbst äußerte später, daß er hier erst einen Begriff davon bekommen habe, „welch einen umfassenden Markt eine gute Sache sich erwerben kann”. Weniger hoch schlug er das an, was er in technischer Beziehung, als in geschäftlicher, in Großbritannien lernte.


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