Alfried Krupp. Frobenius Herman
Ausbildung und Fortbildung für seine Arbeiter für nothwendig erachtete. Als sich die neugebauten Kolonien zu bevölkern begannen, zeigte sich die Nothwendigkeit, für den Unterricht der Jugend zu sorgen, und Krupp gab ihnen eine Volksschule. Sie ist simultanen Charakters und besteht aus je 8 Knaben- und Mädchen-Klassen unter einem Rektor und 19 Lehrern bezw. Lehrerinnen, deren eine Hälfte evangelischer, die andere katholischer Konfession ist. Der Unterricht wird unentgeltlich ertheilt und alle Kosten werden von der Firma getragen. Im Jahre 1876 ward das erste Schulhaus mit 8 Lehrsälen und 4 Zimmern erbaut, im Jahre 1882 zwei weitere Gebäude mit 4 Lehrsälen und 4 Klassenzimmern neben verschiedenen anderen Räumen hinzugefügt. Außer dieser in eigenen Gebrauch genommenen Anstalt wurden aber der Gemeinde Altendorf Schulgebäude mit 20 Schulzimmern für deren Volksschulen beider Konfessionen unentgeltlich zur Verfügung gestellt, im Interesse der in der Gemeinde wohnenden zahlreichen Angestellten der Fabrik, und bei den verschiedenen allmählich von der Firma erworbenen Hütten und Gruben wurde dem Bedürfniß durch Ueberlassung geeigneter Räume, durch Erbauung von Schulhäusern oder durch jährliche Beiträge abgeholfen.
Die Fortbildungsschulen, wie sie in Essen 1860 und in Altendorf 1874 eingerichtet wurden, unterstützte Krupp durch Zuschüsse und legte seinen Lehrlingen die Verpflichtung des Besuches auf. Daß er solche in der Fabrik annahm, und seinen Meistern und Betriebsführern dadurch einen großen Zuwachs an Arbeit verursachte, hat sich nicht weniger für die Gußstahlfabrik durch die Heranziehung tüchtiger Handwerker und Arbeiter in Spezialitäten, als auch in hohem Maaße für die Lehrlinge selbst als nützlich und segensreich erwiesen, denn sie erhalten eine gründliche Fachausbildung, und werden an exakte Arbeit und eine regelmäßige Lebensführung gewöhnt.
Wie für die Ausbildung der heranwachsenden Knaben zu tüchtigen Arbeitern, sorgte der Fabrikherr aber auch für eine sachgemäße Erziehung der Mädchen durch Industrieschulen, welche 1875 in den drei Kolonien für schulpflichtige Kinder mit Unterricht im Stricken, Häkeln und Nähen eingerichtet wurden. Für Frauen und Mädchen über 14 Jahre ward gleichzeitig eine Industrieschule gegründet, welche für Zwecke des Hauswesens und zur Förderung der Erwerbsfähigkeit in allen weiblichen Handarbeiten gegen ein sehr mäßiges Schulgeld (z. B. Kleidermachen, Dreimonatskursus von täglich 3 Stunden für 10 Mark) eine gründliche Ausbildung verschafft.
Schließlich bleibt noch die Gründung eines Lebensversicherungsvereins zu erwähnen, durch welche Alfried Krupp die Wohlfahrtseinrichtungen für seine Beamten und Arbeiter im Jahre 1877 wesentlich ergänzte. Er schloß mit acht Lebensversicherungsgesellschaften Verträge ab, um dadurch besondere Vortheile für seine Angestellten zu erlangen, nahm alle schon bisher mit verschiedenen Gesellschaften geschlossenen Verträge in den neuen Vertrag auf und stiftete dem neuen Verein persönlich ein Grundkapital von 50000 Mark, das er gelegentlich der goldenen Hochzeit des Kaisers Wilhelm I. 1879 durch ein weiteres Geschenk von 6000 Mark vermehrte.
In Folge des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883, welches die Vereinigung von Pensionseinrichtungen mit den Krankenkassen nicht zuläßt, mußte die „Kranken- und Sterbekasse” umgestaltet werden. Es entstand eine Kranken- und eine Pensionskasse mit getrennter Verwaltung am 1. Januar 1885. Krupp begnügte sich aber nicht damit, den nunmehr gesetzlich vorgeschriebenen Forderungen zu genügen; so wie er mit seiner Krankenkasse bereits vor 30 Jahren der gesetzlichen Einführung zuvorgekommen war, übernahm er nun Leistungen für diese, welche über die gesetzlich vorgeschriebenen weit hinaus gehen. So beträgt die Verpflegungsfrist bei Personen, welche über 5 Jahre auf dem Werke in Arbeit sind, 26 Wochen, und neben dem eigenen Krankengeld wird für jedes Kind unter 15 Jahren ohne Verdienst ein Zusatz-Krankengeld von 5 % des Verdienstes gewährt. Auch wurde allmählich das Ziel zu erreichen gestrebt, nicht nur den Mitgliedern sondern auch ihren Familienangehörigen nach Möglichkeit kostenfreie ärztliche Behandlung zu verschaffen und zu all diesen Zwecken außer den jährlichen nach den Mitgliederbeiträgen geregelten Zahlungen Seitens der Firma noch bedeutende Mittel durch Schenkung überwiesen.
Ueberblicken wir dieses ganze wohldurchdachte und weitverzweigte System von Wohlfahrtseinrichtungen, so müssen wir dem Worte des Ministers von Puttkamer beistimmen, welcher bei einem Besuche der Essener Fabrik sie als einen klassischen Boden in sozialistischer Hinsicht bezeichnete. Hier bedurfte es nicht der staatlichen Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Wahrung der Interessen und der Wohlfahrt der letzteren; hier waren die Zwecke des Krankenkassen-, Unfallversicherungs- und Altersversicherungsgesetzes längst erreicht, bevor der gesammten Arbeiterwelt durch kaiserliche Botschaft diese Segnungen sozialpolitischer Maßnahmen verkündigt wurde. Aus dem warmen mitfühlenden Herzen Alfried Krupps heraus waren längst diese Institutionen entstanden und durch ihre für Arbeiter und Fabrik gleich segensreichen Wirkungen der Beweis für ihre Durchführbarkeit erbracht, den Sozialpolitikern die Wege gewiesen, auf denen sie eine Lösung der sozialen Frage anzustreben im Stande seien. Alfried Krupp ist der Bahnbrecher und Führer auf diesem für unsere Zeit so außerordentlich wichtigen Gebiet und er konnte es sein, weil er selbst die ganze Noth des Arbeiters durchgemacht hatte und weil seine hohe Begabung und seine unermüdliche Thatkraft ihm die Mittel in reichem Maße verschafften, um seine humanen und weisen Ideen zum Segen seiner Arbeiter ins Leben zu rufen. Aus eigener Kraft, aus eigener Erfahrung, aus eigenem Bedürfniß und mit selbst erkämpften Mitteln hat er dieses große Werk vollbracht, welches allein genügt, um ihm eine der ersten Stellen unter Deutschlands größten Männern zu sichern.
„Meine Fabrik soll, wie jedes gewerbliche Etablissement, zunächst das äußere Wohlergehen aller ihrer Angehörigen sichern. Bei so gesichertem Erwerb und Frieden in seinem Hause kann Jedermann seines Daseins froh werden.”
Wie himmelweit verschieden lautet dieser sein ausgesprochener und durch sein ganzes Leben bethätigter Grundsatz gegenüber den lediglich auf Geldgewinn gerichteten Spekulationen so vieler Industriellen, welche im Streben, die Konkurrenten durch Preisermäßigungen zu überflügeln, die Produktionskosten herabzudrücken suchen und erst durch Gesetze des Staates dazu gezwungen werden müssen, ihre darbenden Arbeiter wenigstens bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit nicht hilflos im Stich zu lassen. Wie anders würde es in den Industriebezirken unseres Vaterlandes aussehen, wenn Alle dem leuchtenden Beispiele Alfried Krupps folgen und, frei von persönlicher Habgier, vor allem ein Herz für das äußere Wohlergehen ihrer dienenden Mitmenschen beweisen wollten!
Auch Alfried Krupp sollten freilich die Erfahrungen nicht erspart werden, daß das giftige Unkraut des Unfriedens durch staatsfeindliche Elemente unter seinen Arbeitern ausgesäet wurde, aber wir werden sehen, wie machtlos an dem auf dem Fundament echter Humanität errichteten Gebäude der Ansturm abprallte.
IV
Ein königlicher Bundesgenosse
Alfried Krupp hatte auch nach dem Ausscheiden seines Bruders Friedrich das kleine Häuschen seiner Eltern bewohnt. Noch lebte ja seine Mutter, die ihm bisher mit ihrem Fleiß und ihrer Thatkraft treu zur Seite gestanden hatte und mit Befriedigung die Vorbereitungen mit ansah, welche zum ersten großen Erfolge führten. Diesen selbst, den Triumph der Londoner Ausstellung von 1851, sollte sie nicht mehr erleben; sie starb am 3. August 1850. Einsam und allein blieb Alfried in dem kleinen Häuschen zurück. Und das Gefühl des Verlassenseins in den bisher von der Hand seiner treuesten Gefährtin und Mitarbeiterin verwalteten Räumen mag den Anstoß gegeben haben, daß er, der bereits über Hunderte von Arbeitern gebot, endlich sich entschloß, die kleine, dürftige Wohnung aufzugeben und ein einfaches zweistöckiges Gebäude, das er dicht daneben erbaute, im Jahre 1852 zu beziehen. In dieses Haus führte er am 19. Mai des folgenden Jahres seine junge Gattin, Bertha, die Tochter des Steuerraths Eichhoff zu Köln; hier erblühte ihm an der Seite einer anmuthigen und intelligenten Frau ein neues, bisher unbekanntes Glück; hier ward ihm am 17. Februar 1854 sein Sohn – und es sollte der einzige bleiben – Friedrich Alfred geboren. Wie wohl er sich in dem Familienleben fühlte, erhellt aus der Wandlung, welche sein geselliger Verkehr von dem Tage seiner Vermählung an erlitt. Bisher in den besseren Kreisen seiner Vaterstadt ein durch seinen Humor und seine treffenden Aeußerungen beliebter und häufiger Gast, entsagte er plötzlich dieser ihm lieb gewordenen Gewohnheit. Er hatte keine Zeit mehr dazu. Die geschäftlichen Arbeiten, die durch neue Aufgaben immer wieder angeregten Studien und erforderlichen Versuche nahmen mehr und mehr seine Zeit so in Anspruch, daß er sich mit der Geselligkeit begnügen mußte, welche Verwandte und eine stetig zunehmende