Alfried Krupp. Frobenius Herman

Alfried Krupp - Frobenius Herman


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eröffneten ihm eine Perspektive in weite Gebiete, in welchen der Gußstahl zur vollsten Anerkennung seiner Vorzüge kommen mußte, wenn es gelang, ihn in großen Stücken zu erzeugen. Es waren ja die Jahrzehnte, in welchen die Dampfmaschine ihren siegreichen Einzug hielt in alle europäischen und überseeischen Länder; seit 1835 liefen die ersten Lokomotiven auf europäischen Schienengeleisen, und von Jahr zu Jahr vermehrten sich die Eisenbahnen, deren Linien bald den ganzen Erdtheil mit einem eng gemaschten Netz überziehen sollten; schneller noch hatten sich die Dampfschiffe auf den Weltmeeren und den großen Strömen eingebürgert. Hier galt es überall einen Fortschritt zu erzielen durch leistungsfähigere und haltbarere Eisentheile, als sie bisher aus Schmiedeeisen hergestellt wurden. Hier war der Gußstahl am Platze und, ihm diesen zu erobern, war Krupp unablässig bemüht. Hier war das Gebiet, auf welchem die englische Industrie überflügelt werden konnte, wo der deutschen alle Aussichten auf einen erfolgreichen Wettbewerb sich öffneten.

      Eine günstige Gelegenheit, um in den offenen Kampf einzutreten, fand sich bereits 1851 in der ersten internationalen Industrie- und Kunst-Ausstellung zu London. Das Hauptstück der Krupp’schen Ausstellung war ein roher Gußstahlblock von ca. 2000 kg Gewicht. Auf einem englischen Stück Gußstahl von nahezu 1000 Pfund, erzählt ein Fachbericht, soll sich der Ausdruck „Monsterpiece” finden; dem gegenüber stellte Krupp seinen Block von dem viereinhalbfachen Gewicht und gewann damit sofort den ersten Platz unter sämmtlichen Gußstahl-Fabriken der Welt; er hatte geleistet, was die gesammte Eisenindustrie in Staunen versetzte, was man für eine Unmöglichkeit gehalten hatte. Kein Wunder, daß die Eisenindustriellen von weit herzukamen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, daß einige englische Blätter einen Betrug witterten und die Schmiedbarkeit des Gußblocks ernstlich in Frage stellten. Krupp begegnete solchem Mißtrauen, indem er ein Stück herausschneiden, ins Schmiedefeuer bringen und auf dem Ambos nach allen Seiten ausschmieden ließ. Wie hoch diese eine Leistung in ihrer Bedeutung für die Eisenindustrie geschätzt wurde, ergiebt sich daraus, daß Krupp als Einziger mit der Council Medal ausgezeichnet wurde.

      Charakteristisch sind seine weiteren Ausstellungsgegenstände. Neben Walzen von einer Politur, wie nur ein glasharter Stahl sie zu erreichen gestattet, standen da Trag- und Stoß-Federn und – eine Eisenbahnachse von zähestem Material. Daß seine Münzwalzen vertreten waren, ist selbstverständlich; waren sie doch selbst in England schon vordem als beste anerkannt und eingeführt. Außer einem Küraß aus Gußstahl war auch ein Sechspfünder-Geschütz ausgestellt, das später noch Erwähnung finden wird.

      Den in London errungenen Sieg war Krupp bemüht sofort auf das energischste auszunutzen, und auf dem gewonnenen Terrain weiter Fortschritte zu machen. Er bekam durch zahlreichere Bestellungen die Mittel, um seine Fabrik, namentlich durch Aufstellung eines neuen 2000 kg schweren Hammers, zu vervollständigen und konnte im Jahre 1852 die Leistung auf 1450000 Pfund Gußstahl (gegen 1120000 Pfund im Jahre 1851) steigern. Sein Hauptaugenmerk richtete er jetzt auf die Herstellung von Achsen. Die Einführung des Gußstahls für Eisenbahnwagenachsen hatte sofortiges Verständniß gefunden und ihm eine starke Lieferung für die Ostbahn eingetragen. Hatten sie doch schon seit 2 Jahren in der Borsigschen Maschinenfabrik zu Berlin die schärfsten Erprobungen mit Erfolg überstanden; sie fanden bald allgemein Eingang und die Produktion stieg namentlich in den sechziger Jahren so gewaltig, daß 1865 bereits über 11000 Stück geliefert wurden.

      Aber auch die Verwendbarkeit für Schiffsachsen war ohne Weiteres einleuchtend, und bald liefen Bestellungen für die Rheindampfschiffe, sowie für die des Oesterreichischen Lloyd in Essen ein. Man erkannte in allen Betrieben, wo die Achsenbrüche an Fahrzeugen und Maschinen bisher häufig genug störend geworden waren, die großen Vortheile, welche das Kruppsche Material bot, und so reihten sich auch bald die Achsen an Förder- und Wasserhaltungsmaschinen in diese Fabrikate ein.

      Krupp’s aufmerksam spähendes Auge fand aber bald noch einen anderen wichtigen Bestandtheil des neuen Beförderungsmittels, der Eisenbahn, welcher durchaus einer Verbesserung bedurfte, und seine unermüdliche Erfindungsgabe schuf in genialer Weise Abhilfe. Es sind die Radreifen, die Bandagen der Eisenbahnräder, welche bis dahin aus Schweißeisen oder Stahl durch Zusammenschweißen hergestellt, an der Schweißstelle nur zu leicht brüchig wurden und unzählige Unglücksfälle herbeiführten. Das Problem bestand also darin, einen geschlossenen Reifen ohne jede schwächere Stelle, ohne Naht oder Schweißung zu erzeugen. Und dies gelang Krupp auf eine einfache Weise, welche er zuerst durch Experimente mit einem Bleiring, nicht größer als ein Fingerring, erprobte. Was mit dem Bleistück ausführbar war, mußte auch mit seinem homogenen Tiegelstahlblock sich ermöglichen lassen. Einen Barren vom Gewicht des zu fertigenden Radreifen versah er mit zwei Durchbohrungen, schnitt den zwischen beiden befindlichen Metalltheil mit der Säge durch und gewann hierdurch eine Oeffnung, groß genug, um einen Keil einzustecken und den Barren auseinander zu treiben. Durch allmähliche Verstärkung des eingetriebenen Dornes ward die Oeffnung immer mehr erweitert und das allseitig ihn umgebende Metall zum Ring geformt, wobei jede stellenweise Schwächung durch sorgfältige Behandlung vermieden werden konnte. Am 21. März 1853 erhielt der Fabrikant auf diese in ihrer Einfachheit geniale Erfindung ein auf 8 Jahre lautendes Patent von der preußischen Regierung, dessen Ausbeutung ihm endlich die Mittel gewährte, sich von allen aus schweren Zeiten noch restirenden Verbindlichkeiten frei zu machen und die finanzielle Möglichkeit zu gewinnen für andere besonders wichtige Versuche, welche ihm am meisten am Herzen lagen und doch erst mittelst bedeutender Geldopfer in dem wünschenswerthen größeren Maaßstabe ausgeführt werden konnten, es sind die Versuche in der Geschützkonstruktion, welche später im Zusammenhang zur Darstellung kommen werden. Die Erfindung der Radreifen, welche sofort durch Patente in allen Kulturstaaten geschützt wurde, bildete lange Zeit den ergiebigsten Zweig der Fabrik und brachte Gewinne ein, wie sie für die damalige Zeit beinahe unerhört waren. Begann doch der Eisenbahnbau in Europa und Amerika gerade in diesem Jahrzehnt sich mächtig zu entwickeln – die im Betriebe befindlichen Strecken betrugen 1860 105758 Kilometer gegen nur 38568 im Jahre 1850 – und der Bedarf an den allein haltbaren Krupp’schen Radreifen steigerte sich von Jahr zu Jahr, da nicht nur die europäischen, sondern auch die amerikanischen Eisenbahnen sie einführten. Die Jahresproduktion stieg in Folge dessen bis zu einem Maximum von 65000 Stück.

      Die reichlich ihm zufließenden Mittel gaben Krupp auch die Möglichkeit, einen Gedanken zur Ausführung zu bringen, der ihm schon lange am Herzen lag. Seine auf Förderung des geistigen und leiblichen Wohles seiner Arbeiter gerichteten Bestrebungen hatten sich bisher nur von Fall zu Fall bethätigen können. Aus den selbst überstandenen schweren Noth- und Sorgen-Jahren hatte er aber einerseits die Ueberzeugung gewonnen, daß nur durch feste Institutionen die Möglichkeit geschaffen werden könnte, den Bedürfnissen der Arbeiter auch in ungünstigen Zeitläuften gerecht zu werden, sie in Krankheit und Arbeitsunfähigkeit gegen Mangel zu schützen; anderseits war es ihm zu einem tiefempfundenen Bedürfniß geworden, seinen Untergebenen ein besseres Loos zu schaffen, als es ihm selbst durch Jahrzehnte zu Theil geworden war. Aus allen seinen an die Arbeiter gerichteten Veröffentlichungen leuchtet das tiefe Verständniß hervor, welches er für ihre Lage, für ihre Bedürfnisse in leiblicher und geistiger Beziehung hatte, und welches ihm aus der eigenen schweren Jugend erwachsen war. Es ist sicher anzunehmen, daß er die Vortheile nicht übersah, welche seiner Fabrik aus der Verbesserung der Lage der Angestellten erwuchsen, da sie mit Herz und Verstand an eine Gemeinsamkeit sich würden fesseln lassen, in welcher sie Schutz gegen Noth und Hilfe in allen Unglücksfällen zu gewärtigen hatten. Es entging ihm sicher nicht, daß allen Regungen von Unzufriedenheit würde vorgebeugt, jeder Beeinflussung von außerhalb am besten würde begegnet werden können, indem man den Arbeitern Vertrauen zur Fürsorge der Leitung, Zufriedenheit mit ihrer Lage und Sicherheit der Zukunft gegenüber verschaffte. Und so muß man die Weisheit bewundern, mit der Krupp zukünftige Gefahren voraussah und ihnen mit allen Mitteln vorzubeugen verstand, wie er ohne andere Anregung, als die seines Herzens und seines Nachdenkens im Bereiche seiner Wirksamkeit die soziale Frage zu lösen vermochte, bevor man anderswo daran dachte. Es ist aber sicher, daß sein Herz, sein aus der eigenen Vergangenheit erwachsenes Verständniß für die Noth des Arbeiters den ersten Impuls dazu gab; und da seine nimmer ermüdende und nach weiteren Hilfsmitteln sich umschauende Fürsorge dieser Quelle und nicht der einer klugen Berechnung entsprang, hat er auch stets die richtigen Wege gefunden, in Zeiten der Gefahr den rechten Ton anzuschlagen verstanden, der im Herzen des Arbeiters Widerhall fand, und seine ernsten Bemühungen


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