Die Braut von Messina. Friedrich von Schiller
wahr, daß alles Andre treulos ist —
Und falsch! Die Mutter sagt's, du darfst es glauben!
So will ich diese Bruderhand ergreifen —
(Er reicht ihm die Hand hin.)
Die mir die nächste ist auf dieser Welt.
(Beide stehen Hand in Hand und betrachten einander eine Zeitlang schweigend.)
Ich seh' dich an, und überrascht, erstaunt
Find' ich in dir der Mutter theure Züge.
Und eine Ähnlichkeit entdeckt sich mir
In dir, die mich noch wunderbarer rühret.
Bist du es wirklich, der dem jüngern Bruder
So hold begegnet und so gütig spricht?
Ist dieser freundlich sanftgesinnte Jüngling
Der übelwollend mir gehäß'ge Bruder?
(Wiederum Stillschweigen; Jeder steht in den Anblick des Andern verloren.)
Du nahmst die Pferde von arab'scher Zucht
In Anspruch aus dem Nachlaß unsers Vaters.
Den Rittern, die du schicktest, schlug ich's ab.
Sie sind dir lieb, ich denke nicht mehr dran.
Nein, nimm die Rosse, nimm den Wagen auch
Des Vaters, nimm sie, ich beschwöre dich!
Ich will es thun, wenn du das Schloß am Meere
Beziehen willst, um das wir heftig stritten.
Ich nehm' es nicht, doch bin ich's wohl zufrieden,
Daß wir's gemeinsam brüderlich bewohnen.
So sei's! Warum ausschließend Eigenthum
Besitzen, da die Herzen einig sind?
Warum noch länger abgesondert leben,
Da wir, vereinigt, jeder reicher werden?
Wir sind nicht mehr getrennt, wir sind vereinigt.
(Er eilt in seine Arme.)
Was stehen wir hier noch feindlich geschieden,
Da die Fürsten liebend sich umfassen?
Ihrem Beispiel folg' ich und biete dir Frieden,
Wollen wir einander denn ewig hassen?
Sind sie Brüder durch Blutes Bande,
Sind wir Bürger und Söhne von einem Lande.
(Beide Chöre umarmen sich.)
Sechster Auftritt
Ein Bote tritt auf.
Den Späher, den du ausgesendet, Herr,
Erblick' ich wiederkehrend. Freue dich,
Don Cesar! Gute Botschaft harret dein,
Denn fröhlich strahlt der Blick des Kommenden.
Heil mir und Heil der fluchbefreiten Stadt!
Des schönsten Anblicks wird mein Auge froh.
Die Söhne meines Herrn, die Fürsten seh' ich
In friedlichem Gespräche, Hand in Hand,
Die ich in heißer Kampfes Wuth verlassen.
Du siehst die Liebe aus des Hasses Flammen
Wie einen neu verjüngten Phönix steigen.
Ein zweites leg' ich zu dem ersten Glück!
Mein Botenstab ergrünt von frischen Zweiten!
Laß hören, was du bringst.
Ein einz'ger Tag
Will Alles, was erfreulich ist, versammeln.
Auch die Verlorene, nach der wir suchten,
Sie ist gefunden, Herr, sie ist nicht weit.
Sie ist gefunden! O, wo ist sie? Sprich!
Hier in Messina, Herr, verbirgt sie sich.
Von hoher Röthe Gluth seh' ich die Wangen
Des Bruders glänzen, und sein Auge blitzt.
Ich weiß nicht, was es ist; doch ist's die Farbe
Der Freude, und mitfreuend theil' ich sie.
Komm, führe mich! – Leb wohl, Don Manuel!
Im Arm der Mutter finden wir uns wieder;
Jetzt fordert mich ein dringend Werk von hier. (Er will gehen.)
Verschieb' es nicht. Das Glück begleite dich.
Don Manuel! Mehr, als ich sagen kann,
Freut mich dein Anblick – ja, mir ahnet schon,
Wir werden uns wie Herzensfreunde lieben,
Der langgebundne Trieb wird freud'ger nur
Und mächt'ger streben in der neuen Sonne.
Nachholen werd' ich das verlorne Leben.
Die Blüthe deutet auf die schöne Frucht.
Es ist nicht recht, ich fühl's und tadle mich,
Daß ich mich jetzt aus deinen Armen reiße.
Denk' nicht, ich fühle weniger, als du,
Weil ich die festlich schöne Stunde rasch zerschneide.
Gehorche du dem Augenblick! Der Liebe
Gehört von heute an das ganze Leben.
Entdeckt' ich dir, was mich von hinnen ruft —
Laß mir dein Herz! Dir bleibe dein Geheimniß.