Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Friedrich von Schiller
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Die Verschwörung des Fiesco zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel
Vorrede
Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Cardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons Geschichte Karls V. – dem dritten Theil – gezogen. Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht, mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen – wo der Mensch nichts, als das in freien Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.
Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen. – Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen – den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln – und von der erfindrischen Intrigue Situationen für die Menschheit zu entlehnen – das stand bei mir. Mein Verhältniß mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.
Personen des Stücks
Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren.
Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.
Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren.
Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz.
Die Bildung zerrissen.
(Beide Doria tragen Scharlach)
Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühend-schöner Mann von 23 Jahren – stolz mit Anstand – freundlich mit Majestät – höflich-geschmeidig und eben so tückisch.
(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)
Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.
Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.
Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.
Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.
Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.
Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.
Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.
Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.
Drei aufrührerische Bürger.
Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig.
Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren.
Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.
Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.
Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.
Der Schauplatz Genua. – Die Zeit 1547.
Erster Aufzug
Saal bei Fiesco Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
Erster Auftritt
Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.
Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.
Arabella. Gnädige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war – eine Galanterie-Leonore. Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.
Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen Cicisbeo Profit machen.
Leonore. Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin – komm mir nie wieder vor die Augen! – eine unschuldige Neckerei – vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?
Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!
Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich wüßte? – daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? – ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur? – Was ist das? wo gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild – nur ihr Bild gestochen ist? – daß er sie liebte? – Julien! O deinen Arm her – halte mich, Bella!
(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)
Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.
Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.
Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst – ich lese in euren Augen – in den Gesichtern der Genueser ein Etwas – ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.
Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!
Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war – dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten