Briefe an Ludwig Tieck 4. Various

Briefe an Ludwig Tieck 4 - Various


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spielt also so selten als möglich, und wir müßen froh sein, wenn sie alle Monate einmal auf der Bühne erscheint. Die übrige Zeit werden elende kleine Nachspiele, meistens französische Uebersetzungen aufgeführt, und bis zum Ueberdruß wiederhohlt.

      Sie haben hoffentlich Herrn und Madame Bracebridge kennen gelernt und sich dieser Bekanntschaft gefreut, wie wir über den Verlust dieses wirklich liebenswerthen englischen Paares uns betrüben. Wie gern wäre ich mit diesen Freunden mit zu Ihnen gereiset, wie sehne ich mich das liebe Dresden und meine dortigen Freunde wieder zu sehen; doch vor der Hand ist eine unübersteigliche Scheidewand zwischen mir und Dresden gezogen, vielleicht wird sie einmal hinweggezogen; bis dahin denken Sie meiner mit gewohnter Freundlichkeit, wie ich Ihrer mit inniger Hochachtung und treuer Anhänglichkeit stets gedenke.

Johanna Schopenhauer.

      III

Weimar, d. 2ten Mai 1826.

      Zürnen Sie nicht, lieber Herr Hofrath, daß ich schon wieder mit der Empfehlung eines Fremden Ihnen beschwerlich falle. Ich kann mir recht wohl denken, wie lästig Ihnen die große Anzahl derselben, die sich um Sie her drängt, zuweilen werden muß, und sträube mich dagegen, so viel ich kann, diese durch Empfehlungen zu vermehren; doch diesesmal muß ich doch eine Ausnahme machen, und Sie recht herzlich bitten, den jungen Arzt Dr. Stromeyer aus Hannover gütigst aufzunehmen, ihm zu erlauben Sie nur einmal zu sehen und zu sprechen, und, wenn Sie während der Zeit seines Aufenthaltes in Dresden einen Kreis Ihrer Freunde durch Vorlesen erfreuen sollten, ihm zu vergönnen, diesen in seiner Art einzigen Genuß mit solchen zu theilen.

      Ich hoffe die äußre Erscheinung des jungen bescheidnen Mannes, der auch manches angenehme gesellige Talent besitzt, wird Ihnen nicht misfallen. Er studierte in Göttingen mit einem jungen Danziger Vetter von mir, dessen innigster Freund er wurde, und begleitete diesen drei Jahre nach einander während der Osterferien hieher, die mein Vetter immer in meinem Hause zubrachte; er ist also dreimal hinter einander, jedesmal drei Wochen, mein täglicher Gast, und gewißermaaßen mein Hausgenosse gewesen, und ich gestehe, daß sowohl sein anspruchsloses Wesen, als der Ernst, mit dem er nach dem Höheren und Beßeren strebt, mir ihn recht lieb gemacht haben. Er hat vor kurzem in Berlin promovirt, von wo aus er hier mit seinem Freund Eduard zusammen traf, und steht jetzt im Begriff eine Reise durch Deutschland nach England und Frankreich anzutreten, ehe er in Hannover, seiner Vaterstadt, als praktischer Arzt sich niederläßt.

      Wie geht es Ihnen denn, bei diesem unerhört schlechten Wetter? Ich sperre mich förmlich ein, das ist für mich das einzige Mittel mich vor dem bösen Einfluß desselben zu retten. Goethe kränkelt, ohne bedeutend krank zu sein. Stromeyer, der mehreremale ihn sah, kann Ihnen von seinem näheren Befinden, und auch von meinem Thun und Treiben manches erzählen. Der arme alte Herr ist durch einen Unfall, der Ottilien seine Schwiegertochter betraf, sehr erschreckt worden; sie ist vor wenigen Tagen vom Pferde gefallen, und zwar sehr stark, aber doch auf keine Weise gefährlich verletzt.

      Ich will meinem jungen Freunde nicht den Stoff zu einem Gespräche mit Ihnen wegnehmen, da ich weiß, daß alles was das Goethische Haus betrifft, Sie lebhaft interessirt, und lege die Feder weg, mit der herzlichen Bitte, ferner mit Güte und Wohlwollen meiner zu gedenken.

Johanna Schopenhauer.

      IV

Jena, d. 10ten Aug. 1827.

      Wie es zugehen mag, weiß ich nicht, aber die Leute bilden sich ein, ich hätte einen großen Stein bei Ihnen im Brette, mein innigst verehrter Freund, und plagen mich deshalb, sie Ihnen zu empfehlen, und bei Ihnen ein gutes Wort für sie einzulegen, so daß ich am Ende fürchten muß, Ihnen überlästig zu werden. Ich kann nichts dafür, lieber Herr Hofrath, wahrlich nicht. Ich prahle nie mit Ihrer Güte gegen mich, obgleich ich oft im Stillen mit Freuden daran denke, wie oft und wie freundlich Sie mir von dieser Beweise gegeben haben, die ich nie vergessen kann.

      Aus dieser Vorrede errathen Sie wohl schon, daß ich abermals auf dem Wege bin, Sie für andre in Anspruch zu nehmen, doch thue ich es diesesmal recht aus dem Herzen, und wünsche sehnlich, daß Sie dem Manne helfen könnten, der meine Fürsprache bei Ihnen in Anspruch nimmt. Es ist dieser der Schauspieler Löwe1 aus Mannheim, der, wie ich höre, sich schon an Sie gewendet hat um die Erlaubnis, auf dem Dresdner Theater einige Gastrollen spielen zu dürfen.

      Als ich vor etwa sechs Jahren einige Wochen in Mannheim mich aufhielt, habe ich seine Bekanntschaft gemacht; im Umgange habe ich an ihm einen gebildeten liebenswürdigen Gesellschafter gefunden, der sich sehr vortheilhaft vor den gewöhnlichen Schauspielern auszeichnet, und wie es mir schien mit mehr als gewöhnlichem Ernst über seine Kunst nachdenkt und nach dem Höheren strebt; und auf dem Theater ragte er weit über seine Mitspieler hervor, die freilich fast alle kaum eine der höheren Stufen der vielgepriesenen Mittelmäßigkeit erreichten. Er hat eine sehr schöne Gestalt und ein ausdrucksvolles angenehmes Gesicht, eine reine wohltönende Sprache und, obgleich er auch wohl nicht mehr jung ist, so nimmt er, besonders in Heldenrollen sich noch sehr gut aus, überdem weiß er sich sehr gut zu kleiden, und hat einen edlen vornehmen Anstand. So war es wenigstens damals, ob es noch so ist, weiß ich nicht; er hat seitdem viel gelitten, viel Kummer und Verdruß gehabt, und mag wohl merklich gealtert sein. Unter den Rollen, die ich ihn spielen sah, erinnere ich mich besonders des Bayard; er brachte es damals wirklich dahin, daß ich diesem jämmerlichen Wesen mit Aufmerksamkeit zusah. Auch im Leben hat er den Ruf eines sehr rechtlichen Mannes und wurde damals allgemein geachtet und mit in die Gesellschaft gezogen, was keinem andern Schauspieler wiederfuhr.

      Der arme Mann hat nun, ich weiß nicht auf welche Veranlaßung, seinen Abschied erhalten, und muß nun mit einer ältlichen Frau und sechs Kindern ein andres Engagement suchen, er hofft dieses zu finden, indem er auf andern Theatern Gastrollen giebt. Ist es irgend möglich, so laßen Sie auf Ihrem Theater ihn auftreten, das übrige muß dann von selbst sich ergeben; erhält er Ihren Beifall, so erwähnen Sie seiner vielleicht einmal auf eine Weise, die ihm weiter hilft. Ich wünsche dem armen Löwe alles mögliche Gelingen, würde ihn aber gewiß nicht, wenigstens nicht auf die Weise, Ihnen empfehlen, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß er es vor vielen andern verdient.

      Ich bringe diesen Sommer wieder hier in Jena in einem kleinen Landhause zu, und befinde mich beßer dabei als bei dem Besuche eines Badeortes; die Ruhe, der stündliche Genuß der freien Luft thun mir unbeschreiblich wohl, und meine mit den Jahren zunehmende Trägheit findet auch ihre Rechnung dabei. Meine Adele treibt sich in der Welt umher, jetzt hält sie in Rödelsheim nahe bei Frankfurt a. M. bei einer Freundin sich auf, und wird nächstens mit einer andern auf einige Monate nach Köln gehen. Sie empfiehlt sich Ihnen auf das Angelegentlichste, und möchte gern auch für Löwen ein gutes Wort bei Ihnen einlegen, wenn sie nur den Muth hätte.

      Nehmen Sie noch meinen herzlichen Dank für die gütige Aufnahme unsrer Freundin Kleefeld, sie war entzückt davon, und preist sich überglücklich, Sie lesen gehört zu haben.

      Gedenken Sie meiner mit gewohnter Güte und Freundlichkeit.

Ihre treuergebneJohanna Schopenhauer.

      V

Weimar, d. 29. März 1829.

      Die Ueberbringerin dieses ist Fräulein Kleefeld2 aus Danzig, die Tochter des ersten dortigen Arztes und eine Freundin meiner Adele; sie hat den ganzen Winter mit uns zugebracht, und kann Ihnen also sagen, wie es mir und meiner Tochter ergangen ist und ergeht. Sein Sie freundlich gegen sie, mein verehrter Freund, sie ist ein gutes Kind und uns herzlich lieb. Sie wünscht diese Zeilen Ihnen selbst zu bringen, um Sie nur zu sehen.

      Der eigentliche Zweck dieser Zeilen ist eine Erkundigung nach einem jungen Tragödiendichter, Doctor Rapp aus Stuttgardt, der vorige Woche hier durch kam, mit einem Bündel Tragödien à la Shakespear, die er Ihnen vorlegen wollte, und einer Empfehlung von Sulpitz Boisserée, die ihm Eingang bei Ihnen verschaffen sollte, und dessen Schwager er nächstens werden wird. Er hat eine dieser Tragödien, nehmlich den 1sten Theil von „König Heinrich der vierte,“ zu dem noch zwei andre gehören, bei mir niedergelegt, so sehr ich mich auch dagegen wehren mochte, denn es ist mir unmöglich mir über dergleichen ein Urtheil anzumaaßen, bei seiner schnellen Abreise hat


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<p>1</p>

Ferdinand L. nicht zu verwechseln mit seinem Bruder, dem Wiener Ludwig L.

<p>2</p>

Siehe den vorigen Brief: diese Dame ist ja schon vor zwei Jahren bei T. gewesen?