Der Eroberer. Paul Weidmann

Der Eroberer - Paul Weidmann


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      Der Eroberer. Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten / Urkunden mit neuen Anmerkungen

      Zueignungsschrift

      An einen König der Antipoden

      Seit den uralten Zeiten des furchtbaren Tearkon1, der die Säulen Herkules aus Bescheidenheit nicht überschrit, fand sich, unter Eurer Majestät preiswürdigsten Ahnen zum Wohlseyn der Erde durch eine besondere Gnade des Himmels kein Eroberer. Eure Majestät treten mit einer so rühmlichen Menschenliebe, und mit einer so edlen Mäßigung in die Fußstapfen ihrer friedsamen Ahnen, daß Sie vielleicht der einzige König sind, der den Titel eines Helden für den liebenswürdigen Namen eines Vaters des Vaterlands, und eines Menschenfreundes verkaufet. Eure Majestät sind also der einzige Monarch, dem ich mein Buch schiksam zueignen kann, denn jedem andern würde es eine Satyre scheinen, wie jene Zueignungsschrift eines Franzosen dem römischen Pabste2.

      Wenn Eure Majestät, wie einige Reisende behaupten, auch ein Beschützer der deutschen Musen sind, welches die Fürsten selten wagen; so sind Sie ein wahrer Antipode von unserm gelehrten Europa, und ein Antipode aller Könige. Ich sage nicht mehr zum Ruhme Eurer Majestät, weil ausserordentliche Tugenden durch Stillschweigen am besten gepriesen werden. Nur gewöhnliche Könige werden gelobt, damit sie einige Tage länger leben.

      Ich lege Eurer Majestät mit warmer Empfindung der hohen Bewunderung mein Buch ehrerbietig zu Füssen, weil einige Meere und einige tausend Meilen mir das Vergnügen rauben, mich ihrem Throne persönlich zu nähern u. s. w.

      Vorrede des Dichters

      Die Musik ist die Mutter der Poesie; alle Eigenschaften erbt also diese liebenswürdige Tochter. Warum sollte sie die sinnreichste Gabe die Phantasie entbehren? Sollte die Dichtkunst nicht eben die harmonischen Freyheiten geniessen, da sich der spielende Tonkünstler frey seiner willkührlichen Laune überläßt, und in ein bewunderungwürdiges Chaos aller Tonarten sich verwickelt? Von einem taumelnden Wirbeltanze hüpft er zu einer melancholischen Arie; ehe er sie noch zu Stande bringt, schleicht er tändelnd zum neckischen Rundliedchen, artet rasch in ein heulendes Ungewitter aus, und donnert blutige Schlachten. Diese zerstreute Begeisterung ist oft den horchenden Ohren ein seltnes unerwartetes Vergnügen, und man hört manchen Künstler lieber phantasiren, als ein regelmäßiges Concert spielen; die Ursach ist, weil der kühne, und mannichfaltige Wechsel der Gedanken, und die verwägnen Uebergänge die Zuhörer reizen, hinreissen, erschüttern.

      Lasset uns versuchen, welchen Eindruck eine poetische Phantasie auf das menschliche Herz machen wird. Vielleicht bringt die scheinbare Unordnung, die doch heimlich Ordnung und Verbindung hat, das neue Gewühl gedrängter Ideen, eben die gute Wirkung in dem Gemüthe der Leser hervor.

      Es ist wahr, der Gleis ist unbetreten; ich kann meinen dreisten Versuch weder mit alten noch neuen Schriftstellern vor dem strengen Richterstuhle der gelehrten Welt rechtfertigen; aber mit ihrer gütigen Erlaubniß meine hochschätzbarsten Herren Kunstrichter und Richterinnen, müssen wir denn ewig so knechtisch unser Gehirn in Fässeln legen, daß wir nicht einmal einen Schrit ohne Leitbande wie die Kinder wagen dürfen, und bey jeder launichten Streiferey vor dem Hohngelächter zittern müssen?

      Was da immer im Areopagus über mich verhängt ist, fühle ich doch, daß mein Kopf in einer so freyen Stimmung ist, in welcher er zu einer Phantasie gleichsam durch ein Instinkt gezogen wird; und weil oft vom Erfolge das Lob oder der Tadel einer Unternehmung abhanget, und Kolumbus vor der Reise verspottet, nach der Rückkehr gepriesen wird; so lassen wir der Zeit über, ob Dank oder Verachtung meine Arbeit belohnet. Meine Rechtfertigung bey der Nachwelt sey, daß die holden Musen sich allezeit schwesterlich die Hände reichen.

      Anhang des Kommentars

      Da doch jeder Bajazzo mit einem komischen Kniks hervortrit, und Miene macht, dem hochgeneigten Publikum etwas sagen zu wollen, ohne Ihm etwas zu sagen; so soll auch mein kleiner Apendix in Ehrfurcht seinen Bückling machen. Ich habe viele gelehrte Vorgänger, und Wegweiser, die mehr Bogen Anmerkungen schreiben, als ihr Buch Blätter und Seiten hat. Ich will mein kleines Aemtchen sehr sittsam verwalten, und nur zu Zeiten dem Leser in die Ohren lispeln, damit er nicht vergißt, daß ich auch zugegen bin. Ich könnte zwar meine Wenigkeit schimmern lassen, aber oft vermuthe ich höchst wahrscheinlich, daß meine Leser mehr Einsicht haben, als ich, oder ich verstehe selbsten den Grundtext nicht klar genug, und dann schweige ich aus Bescheidenheit. Nemo ultra posse tenetur! Ein wahrer Kommentar erklärt nur das, was jedermann weiß.

      Prolog

      In Knittelversen

      Ihr Herren klug und Jungfraun schön,

      Ich bring kein Mährlein auf die Scen.

      Ich sag nicht blosse Narrenpossen,

      Wie mancher schon hat ausgegossen.

      Ich will Geschichten offenbarn,

      Und dabey nicht der Wahrheit sparn.

      Wenns Euch will also wohl behagen,

      Will ich jetzt kurz und rund aussagen,

      Wie Eduard der König groß

      Erobert manche Stadt und Schloß.

      Die Welt hat er für sich erhalten,

      Damit zu schalten und zu walten.

      Es zeigt sich, wie die Majestat

      Oft manniglich gefochten hat.

      Wie er so vielmal hat gerungen,

      Und Land und Leut hat eingeschlungen:

      Man sieht auch, daß sein Widerpart

      Erträget viel, und leidet hart.

      Ihr könnt Euch selbsten leicht gedenken,

      Das viele saure Herzenskränken,

      Das jeder Fürst erlitten hett,

      Der sich auf seinem Todesbett

      Sein Haab und Gut müsst nehmen lassen.

      Ich will dieß alles hübsch verfassen.

      Man hebt den König nicht hervor.

      Bald ist er schwärzer als ein Mohr.

      Man zeigt Euch alle seine Mängel;

      Oft ist er weisser als ein Engel.

      Von Nachbarn will er einen Theil;

      Doch ihnen ist ihr Land nicht feil.

      Da kommen sie dann stracks gelaufen,

      Den Sieg mit Grimmen zu erschnaufen.

      Er aber streckt die Klauen weit,

      Und macht mit ihnen tapfren Streit.

      Doch wie auch insgemein die Güter

      Zu endern pflegen die Gemüther;

      Wuxt ihm auch durch den Schatzgewinn

      Gar bald sein Muth und hoher Sinn;

      Man mußte seinen stolzen Willen

      Ohn alle Widerred erfüllen;

      Und er vergaß, wies denn geschicht,

      Auch alsobalden seiner Pflicht;

      Hub an selbst Freunde zu verachten,

      Und nach der Tyranney zu trachten.

      Sein hart und übermüthigs Herz

      Glaubt nur der Krieg sey blosser Scherz;

      Hat also Menschen viel getödtet,

      Und Völker viel ins Joch gekettet.

      Doch hungert ihn beständig sehr,

      Und hett noch gern gegessen mehr,

      Allein er starb durch Weibertücke,

      Und so knackt endlich seine Brücke.

      Da ihn der Tod erhascht beym Bein,

      Ward er so still als wie ein Stein.

      Er hatte stäts ein starkes Herze;

      Doch trieb er mit den Jungfern Scherze;

      Veracht


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<p>1</p>

Die Schrift heißt diesen König Tharaka, der sich zur Zeit Senacherib Königs der Assyrier furchtbar machte.

<p>2</p>

Das Trauerspiel Mahomet oder der Fanatismus ward vom Voltaire dem Pabste zugeeignet.