Der Eroberer. Paul Weidmann
Regel.
Einige wählen sich einen zum Fürsten, doch herrscht er despotisch;
So wird der Monarch ein Tyrann, das Scheusal der Erde!
Diese Gefahr zu vermeiden bestimmen die Völker den Adel
Zur Handhabung der Landesgesetze; auch dieses zeugt Uebel,
Denn der Stolz so vieler Gebieter verscheuchet die Freyen.
Diese gesellen sich brüderlich in dem Staat der Republik.
Einige mischen aus dreyen Gestalten die glücklichste Herrschaft.
Doch die Monarchie bleibet die Thätigste jeder Regierung.
Persien hat die wichtige Frage mit Weisheit entschieden,
Und die Meinung Darius besiegte die klugen Gefährten.
Aechte Gesetze müssen dem Volk und dem Lande behagen.
Wie ein Baumeister die Plane nur nach der Lage bezeichnet;
So sey bey neuen Gesetzen die Zone, die Sitte des Volkes,
Und der Charakter der Nation mit Vorsicht geprüfet.
Selbst die Regierungsart soll die Verfassung des Landes bestimmen.
Durch die Mittel, durch die wir entstehn, sind wir auch erhalten!
Ist ein Staat kriegerisch; so verderbt ihn ein ewiger Friede.
Doch den Handelstaat tilget die Flamme verderblicher Kriege.
Kriege heissen gerecht, wenn die Nothwendigkeit streitet.
Liebst du den Frieden; so mußt du dich immer zum Kriege bereiten!
Dieses war der geheiligte Grundsatz der siegenden Römer.
Ist ein mächtiger Staat mit vielen Provinzen verbunden,
König, so zittere nicht vor seiner gewaltigen Grösse,
Er faßt in sich die häufigen Mittel sich groß zu erhalten.
Vielleicht machen kleinere Länder mehr glückliche Bürger,
Denn der Körper der Staaten ist wie der Körper des Menschen;
Jener ist nicht der stärkste zu heissen, der alles verschlinget;
Der lebt mit blühender Kraft, der mäßige Speisen verdauet.
Ein unübersehbares Reich ist schwer zu erhalten.
Suchet die Menschen in nährenden Staaten geschikt zu vertheilen;
Lernet die vollblütigen Adern mit Weisheit zu leeren;
Mit Pflanzstädten muß man bevölkerte Länder entlasten.
Setze dem Wachsthum ein Maaß, damit du dein Erbtheil erhaltest.
Suche Monarch, nur das zu beglücken, was du schon besitzest;
Sey nicht lüstern nach neuer Eroberung; fodre nicht alte
Langvergessene Rechte von deinen friedliebenden Nachbarn.
Dieser Eigennutz reisset Verträge, zerstöret das Wohlseyn;
Mit unersättlicher Habsucht verscheuchst du die Bundesgenossen.
Fliehet ihr Hirten, die Staatenverbesserer, die euch betrügen!
In der Monarchie lassen sich Fehler der Fürsten verbessern.
In der Regierung des Volkes fällt der Staat mit den Gesetzen.
Weh dem unglücklichen Reiche, wo der unbändige Wille
Eines grausamen Despoten die Landesgesetze beweiset!
Gold ist das reineste Blut der Reiche; doch setzt es in Umfluß;
Dadurch blühet der Handel, und glücklich ernährt sich der Bürger.
Weiser Minister, sey wie ein Steuermann immer in Arbeit!
Sieh, wie er spähet, die Winde belauschet, und Stürme voraussieht.
Bald spannt er Segel, bald zieht er sie ein, bald ändert er Flaggen;
So mußt du mit forschendem Blicke die Welt übersehen.
Du must wissen, was war, was ist, was eilet zu kommen.
Der Ostracismus entehret, und stürzet die Demokratien.
Die Republik ist zu langsam zu grossen Geschäften.
Die Regierung der Edlen befürchtet die Grossen und Kleinen;
Eifersüchtig auf ihre Verfassung wird sie oft tyrannisch.
Die Monarchie gleichet der weisen Regierung der Gottheit,
Und die Monarchen sollen dem göttlichen Meister sich nähern.
Suchet, O Fürsten, nicht Schätze wie Midas, begehret vom Himmel
Wie einst Salomon Weisheit, denn Weisheit beglücket die Staaten.
Selig die Länder, die Weise regieren, sie schmücken die Krone!
O wie soll ich genug die Güte den Grossen empfehlen?
Sie ist die Seele der Staatskunst, der Schmuck und die Säule des Thrones.
Völker vergöttert den gütigen Fürsten, der Stunden beweinet,
Die er nicht mit erquickenden Thaten der Menschheit bezeichnet!
Wie viel dankende Thränen fliessen noch auf die Gebeine
Gütiger Hirten! Sie sind auf der Erde das Ebenbild Gottes,
Und man heißt sie die reizende Wollust des Menschengeschlechtes.
Du bist zwar mächtig Monarch, doch setze der Eigenmacht Schranken;
Schäme dich nicht, dich unter die weisen Gesetze zu schmiegen.
Ehre das Recht der Natur, der Völker, des heiligen Tempels.
Du bist zwar frey von menschlichen Richtern, doch Gott wird dich richten;
Früh oder spät wird dich die Geissel der Vorsicht bestrafen.
Ihr seyd nicht Herren, O Fürsten, des Lebens, der Güter der Bürger;
Diese Maxime schändet die Throne, brandmarket die Menschheit!
Nur die Verbrecher könnt ihr des Lebens, der Güter berauben.
Ihr sollt wie liebende Väter die zärtlichen Kinder beschützen,
Und mit segnender Lippe den Söhnen die Erbschaft vertheilen.
Geheime Nachrichten
König Jakob ward vom Schlage gerührt, und starb eh er seinen Sohn umarmen konnte. Die Königinn bemächtigte sich mit ihren Ministern der Regierung während der Minderjährigkeit ihres Sohnes, und Alsin, der diese Zeit zum Nutzen des jungen Prinzen verwenden wollte, führte ihn auf Reisen. Eduard lernte unter seiner weisen Anführung die Sitten der Völker, und die Geschichte der Künste und Wissenschaften. Bey seiner Zurückkunft übernahm er das Staatsruder.
Einige glaubwürdige Zeitgenossen erzählen diese Geschichte mit folgenden veränderten Umständen. Unter der Herrschaft Jakobs blühten die Länder; aber so glücklich seine Staaten waren, so unglücklich lebte er in seiner eignen Familie. Emilie seine Gattin ergab sich gänzlich den Ausschweifungen der Liebe; unter unzählbaren Buhlern, die heimlich und öffentlich ihren prächtigen Hofstaat vermehrten, war Feranson der Glücklichste, und erhielt sich in ihrer Gunst so lange sie herrschte. Der gütige Jakob war zu liebreich, zu nachsichtig gegen die Fehler seiner Gattin. Feranson nützte diese natürliche Gutherzigkeit, flößte in das Herz der Königinn seinen unbeschränkten Ehrgeiz, und entwarf ihr einen schwarzen Plan, der dem Besten der Könige durch ein schleichendes Gift die Tage verkürzte. Da er den Erbprinzen aus eben den Absichten haßte, entfernte ihn die Königinn unter dem Vorwand einer schwächlichen Gesundheit vom Hofe; oder wie andere Biographen schreiben, Alsin ein wahrer Patriot, der die Lage der Sachen kannte, und wohl einsah, daß dem Reichserben das Schiksal des Vaters bedrohte, entwich heimlich mit diesem kostbaren Pfande. Gewiß ist, daß Eduard erst sechs Jahre nach dem Tode seines Vaters herrschte. Er fand das Reich in einem betrübten Zustande. Die Königinn überließ sich ganz der Wollust. Ihr