Der Eroberer. Paul Weidmann
Schluß bereut er seine Sünden,
Das könnt ihr in dem Büchlein finden.
Nehmt selber jetzt den Augenschein,
Was da für Ding enthalten seyn.
Die Kindheit Eduards.
Erste Kaprizze 3
Einleitung
Unter den grossen und kleinen Königen, welche alle Länder der vier bekannten Welttheile als eine natürliche Erbschaft großmüthig unter einander vertheilen, lebte Jakob der Friedsame. Sein Reich war so groß, daß er es übersehen konnte, um alle seine Unterthanen zu beglücken. Das Volk und der Monarch wünschte zu ihrer Glückseligkeit nur noch einen Thronerben. Die Königin näherte sich eben dem glücklichen Zeitpunkt ihrer ersten Entbindung.
Monolog
So wahr ich König bin! Mein Sohn soll nicht Alexander, nicht Cäsar, nicht Sesostris heissen! – Schenkt mir die Königin eine Tochter; so mag sie ihr einen schicksamen Namen beylegen; aber der Name eines Sohnes ist mir als Vater und König nicht so gleichgültig. Es liegt oft im Namen gleichsam eine Weissagung. Wie soll ich also diesen sehnlich gewünschten Gast nennen? – Hahaha! Was dem guten Weibe beyfällt, Alexander. Hahaha! – Eh soll er mir Nero und Attila, wo nicht gar Kartusch heissen! So weiß die Welt, was sie von ihm erwarten soll. Gesetzt ich gebe dem Kinde den Namen Adam – Nein! Dieser Name ist mit schwarzen Gedanken vom Fluche der Erde verknüpft. Adam war der erste Ehrgeizige! – Ich wünschte einen gutherzigen lächelnden Namen – Willhelm – Pfui! So heißt mein unruhiger Nachbar! – Eduard, Ha! Das Wort klingt sanft. Eduard, ja Eduard soll mein geliebter Sohn genannt werden.
Dialog
Jakob. Was bringt mein getreuer Alsin.
Alsin. Einen freudigen Glückwunsch! Die Königin wird Eure Majestät bald mit dem schönsten Ehrennamen Vater begrüßen.
Jakob. Dank dir, mein Freund!
Alsin. Betrachten Eure Majestät das seltsame Nordlicht! Ich staunte schon einige Stunden über diese wunderbare Lufterscheinung. Das Volk zieht große Vorbedeutungen daraus, und ein Schwärmer rief in meiner Gegenwart: Es wird ein zweyter Alexander gebohren! Der Pöbel bleibt immer Pöbel.
Jakob. Lassen wir die Narren reden! Nun, was bringst du so eilends?
Der Höfling. Es lebe der König und sein Thronerbe! Ein Prinz hat das Licht erblickt.
Jakob. Die Mutter hat ihn gebohren, und ich habe ihn getauft. Es lebe Eduard! – Alsin, das ist ein froher Tag für mich, und wenn der Himmel unsern guten Willen segnet, ein froher Tag für mein Volk! – Laßt uns den Säugling küssen!
Geburts-Ode
Strophe
Fürstenkind, sey mir gegrüßt! Lächle Gebährerinn,
Hofnungen blühen der Welt schon in dem Säuglinge.
Parze beginne für ihn einen unsterblichen
Faden! Reife heran zu den Erwartungen
Zärtlicher Eltern du Trost, und du Glückseligkeit
Neuer Geschlechter, die dich Völker beglücken sehn.
Jauchzet dem fürstlichen Gast, ruft ihn zur Herrlichkeit!
Gütiger Himmel, bist du sehnlichen Wünschen hold;
O so gieß Segen herab; Weisheit und Tugenden
Schmücken den Prinzen, der würdig zum Throne reift;
Nicht der Krone bedarf, sondern die Krone ziert.
Antistrophe
Musen begeistert mich izt! Goldenes Saitenspiel,
Das in dem Lorbeerhain hängt, töne heut lieblicher;
Sing ein unsterbliches Lied; preise den Jubeltag!
Hier keimt ein Zweig hervor, der einst die Wolken küßt.
Unter dem Schatten ruht einst sicher der Wanderer,
Und sein lechzender Mund kostet die süsse Frucht.
Wenn der Donner ertönt, und das Gewitter dräut,
Strecket der gütige Baum liebreich die Wipfeln aus,
Nimmt die Heerden in Schutz, schläfert die Hirten ein.
O du wohlthätiger Baum, wachse zum Segen auf;
Sey von Völkern verehrt, und angebetet stäts!
Epod
Darf ich die süssen Ahndungen meines Herzens ergiessen?
Weissagt mein frohes Gefühl?
Seh ich die rühmliche Wiege von jenem vergötterten Helden?
Welche Schlange bekriegt
Den vom unschuldigen Schlummer gewiegten Säugling? Erwache!
Rettet das Götterkind! Eilt!
Tilget den zischenden Wurm! Doch welch Erstaunen befällt mich!
Welche Tapferkeit blüht!
Unüberwindliche Riesenstärke beseelt die Arme,
Und der Heldensohn ringt;
Säuglingshände zermalmen die giftaushauchende Schlange.
So siegt in Windeln Alcid!
Feenmährchen
Kaum war die Geburt des Erbprinzen eines grossen Königreichs in der neugierigen Feenwelt durch den Ruf ausposaunet; so eilten alle Feen diesen durchlauchtigen Gast zu bewillkommen, und nach Gewohnheit des wunderlichen Feenreiches mit allen Gaben zu verherrlichen. Die Thore und die Plätze der Hauptstadt wurden zu enge, alle Drachenwägen und magischen Reisekarren der Feen zu beherbergen. Alle Gattungen der vierfüßigen, zweybeinigen, und kriechenden Thiere bevölkerten die jauchzende Residenz. Drachen, Skorpionen, Basilisken, Eidexen, und tausend Insekten krochen auf den Dächern des königlichen Pallastes, und verfinsterten das Tageslicht.
Die Feen nach der löblichen Gewohnheit unserer alltäglichen Weiber machten rings um die goldene Wiege des Kronprinzen einen so entsezlichen Chor, daß der Säugling vom festen Schlaf erwachte, und seine Gönnerinnen mit einem Zettergeschrey begrüßte. Zehen Kinderammen wurden gelegentlich gehörlos, und zum Glück für die Unterthanen dieses Reichs erschien der König zu spät, sonst wäre er nach dem Modebeyspiel vieler Grossen taub geworden. Die Königinn der Feen, die grosse und weise Rokatania begann eben ihre Rede, nachdem sie das Geheule ihrer beredten Schwestern gemildert hatte, und rief mit Begeisterung: Junger Prinz sey ein Held!
Um des Himmels willen! Madame, unterbrach sie hastig der schnaubende König, halten Sie ein; machen Sie aus dem Kinde, was Sie wollen, nur keinen Helden! Was soll ich mit einem tolldreisten Thronfolger machen, der nichts an seinem Orte läßt, den jeder Nagel an der Wand irrt, wenn er ihn nicht nach seinem Eigensinne ordnet? Frau Fee nehmen Sie den Jungen, ziehen Sie ihn! Seine Mutter kann mit ihrem Schooßhunde spielen. Aber bewahren Sie mich und mein Land vor der leidigen Seuche des Heroismus! Wer das Kriegsgeräusche liebt, findet leicht eine Trommel. In meinem Lande würde der Bursche noch in der Wiege zum Alexander. Ich war auch so ein kleiner Nickel, gleich kamen ein Dutzend einladende Klopffechter, denen der Kopf wirbelte, und wollten mich ohne Gnade zum Erzhelden machen; aber ich liebte den Frieden. Freylich schreibt von mir kein Dichter, und die Geschichte pranget nicht mit meinen unsterblichen Thaten; aber meine Unterthanen sind glücklich. Ihr König hat keine blutige Lorbeern; aber ein gutes väterliches Herz, das sie liebt. Jeder Strassenräuber, wenn ihn das Glück ein bischen begünstiget, kann ein Held, ein Eroberer seyn; aber zu einem guten Hirten, zu einem menschenfreundlichen Landesvater
3
Da alle neuen Geburten Nachahmer finden; so werden vermuthlich einige Dichterlinge hastig über dieses lächelnde Fach herfallen; ich will Ihnen also durch einen kleinen Auszug aus einem poetischen Kochbuch Anleitung zu einer Phantasie geben. Man nimmt Geflügel Rindfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, viel Gewürz, läßt alles in einem reinen Topf wohl verkochen, und diese Kraftbrühe heißt Phantasie. Zu oft darf man nicht solche Speisen geniessen, sie geben Anlage zum gelehrten Podagra.