Der Eroberer. Paul Weidmann

Der Eroberer - Paul Weidmann


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Sein Leben war einfach, aber wohlgeordnet.

      Im Frieden, den er liebte, theilte er weislich seine Stunden. Früh begann er die Reichsgeschäfte. Er suchte die Kürze, und haßte die Weitschweifigkeit und Dunkelheit des Vortrags. Seine Minister und Räthe mußten gründlich von den Gegenständen unterrichtet seyn. Den Nachmittag widmete er dem Umgang mit allen Menschen, und hatte jeder Stand seinen ausgezeichneten Tag, in welchem jeder das Antlitz seines Königs sehen konnte. Der erste Tag der Woche ward den Staatsleuten gewidmet; der zweyte den Kriegern; der dritte den Gelehrten, der vierte den Künstlern, der fünfte den Kaufleuten, der sechste den Priestern, der siebente den Ackersleuten, und der achte dem schönen Geschlechte, in dessen Umgang er die Artigkeit zu suchen pflegte. In diesen Stunden sprach er mit Jedermann wie ein Bruder zum andern, und klärte sich so auf, daß jeder ihn für einen Meister in seinem Fache hielt. Die Höflichkeit war jene Zauberey, womit er alle Herzen fässelte; er schien unwiderstehlich im Umgang. Seine Reden schlichen so sanft in alle Ohren, und drangen so rasch zum Herzen, daß er alles hinriß. Nie sprach er von sich selbst. Er lobte verdienstvolle Männer. Nie war er bescheidner, als nach gewonnenen Schlachten, und niemals demüthiger als im Glücke. Selbst seine Feinde preisen an ihm diese seltne Tugend; aber nie schien seine Seele grösser und thätiger als in Gefahren, die sein geliebtes Vaterland bedräuten. Er war wie eine Löwin, die ihre Jungen vertheidiget. Seine Augen glüten, er war Tag und Nacht auf den Flügeln, und er ruhte nicht, bis er die Stürme beschwur, und die Wolken zertheilte. Jemehr Feinde wider ihn aufstunden, destomehr Gelegenheit fand er seinen Ruhm zu vergrössern. Ein Seemann wird in Ungewittern geprüft. Er kannte die Ebbe und Flut des Glückes, und nützte die goldenen Augenblicke, in denen es ihm lächelte. Die Gnaden, die er ertheilte, und versprach, waren so gewiß, daß man sie gleichsam schon empfieng, wenn er sie verhieß. Nie brach er sein Wort, weil er nichts ohne reife Ueberlegung zusagte. Geprüften Gelehrten gab er einen Gehalt zur Aufmunterung, um sie in den Stand der nöthigen Musse zu versetzen, die ihr Studium erfoderte. Würdige Witwen, die Kinder zu erziehen hatten, konnten Anspruch auf seine Güte machen, und er foderte Rechenschaft von der Verwendung seiner Gnaden. Wenn rechtschaffene Männer durch Unglücksfälle darbten: bot er ihnen eilends Hülfe an; warum, pflegte er zu sagen, wendet ihr euch nicht an mich, und vertraut eure Bedürfnisse eurem Freunde? Da er wuste, daß die Armuth die Mutter aller Laster ist; so war er der Vater der Armen. Leute, welche das Alter oder ein gebrechlicher Körper ausser Stand sezte, das Brod zu gewinnen, wurden von seiner Milde erhalten, und er zählte sie unter die Säuglinge, die er als Waisen ernährte. Andern Bedürftigen wies er gute Nahrungswege an, und sie wohnten in einer Vorstadt beysammen, durften auch so lange nicht in Städten sich niederlassen, bis sie durch Fleiß ein kleines Vermögen sich erwarben. Er ehrte alle Stände, wie ein Vater alle seine Kinder gleich liebt. Er gab keinem Stande eine Vorliebe, und keinem eine Ausschliessung. Jeder in seiner Gattung war geschätzt, und von ihm geehrt. Der Vater vieler Kinder genoß besondere Vortheile. Er ließ dem Adel fühlen, daß ohne eigne Verdienste das Ungefähr einer hohen Geburt ein blosser Schatten ist, und der Adel nur eine Aneiferung zu ausserordentlichen Tugenden, nicht aber ein Freybrief des Müßiggangs seyn sollte. Er zog die Talente aus der Dunkelheit hervor, und suchte die schüchterne Bescheidenheit auf, wo sie im Winkel darbt. Die Beamten durften sich durch Wissenschaften aufklären, und er hielt nicht wie viele barbarische Grosse die Unwissenheit für ein Zeichen der Treue und des Fleisses. Jeder konnte Anspruch auf Würden machen, wenn er nur Fähigkeit besaß. Jeder Bürger erfreute sich im Genusse seiner Güter. Ich bin ein Hausvater, sagte Eduard, die erste Pflicht eines liebreichen Hausvaters ist, von seinen Kindern geliebt zu werden, ihnen den Aufenthalt in seinem Hause lächelnd zu machen, damit sie sich nicht um fremde Wohnungen sehnen, und vergnügt sind, in seiner Hütte zu leben. Die Gesetze werden liebreich, wenn er sie überzeugt, daß alle zu ihrem Wohl, und zur allgemeinen Glückseligkeit abzielen. Er liebte zu sagen, alle Fehler der Könige tragen ihre Unterthanen.

      War er im Felde; so übersah er nicht nur die Würde des Anführers, sondern er ward ein gemeiner Soldat; und wenn er die Heere in Schlachtordnung stellte, und das Treffen entwarf, theilte er alle Gefahren mit seinen Kriegern. Seine Unterthanen, die ihn wie einen Vater liebten, hatten zum Sprüchwort: Die Tapferkeit ist unsers Königs einziger Feind, die uns für seine kostbaren Tage zittern macht. Wer die Geschwindigkeit seiner Thaten bemerkte, glaubte, daß Eduard fliegen müßte, und wer die Grösse und Wichtigkeit der Handlungen prüfte, erkannte, daß er nicht eilen konnte. Man bedurfte oft mehr Zeit, seine Thaten zu erzählen, als er, sie auszuführen. Die Gelassenheit war ein besonderes Zeichen seines erhabnen Verstandes, und er hatte die gröste Herrschaft über sich selbst. Die sanfte gütige Art, womit er alle Handlungen und Worte würzte, legte ihnen einen doppelten Werth bey; die Gnaden wurden unschätzbar, und selbst eine verweigerte Bitte ward zur Gnade.

      Er liebte zärtlich sein Volk, und unterschied den Bürger weislich vom Fremdling; dadurch pflanzte er die Liebe zum Vaterland in alle Herzen. Ein Land, das seine Kinder geringschäzt, wird von ihnen verachtet, und verlassen. Das Glück seines Volks war sein reichster Segen. Er liebte nicht Leibwachen, und wandelte frey unter seinen Söhnen. Seine Rathschlüsse waren meistens bekannt, er ließ seine Unterthanen alle Plane und guten Absichten wissen, und sagte: Ich liebe keine schädlichen Neuerungen, und habe kein Staatsgeheimniß. Ein wohlgeordnetes Heer von treuen Landeskindern, und der Reichthum meiner Bürger ist meine Politik! Sklaven fechten nur aus Zwang für Ketten und Gefängniß, freye Bürger, die ihr Vaterland lieben, sind die Stützen eines gerechten Thrones.

      Er handhabte mit Standhaftigkeit die Gesetze, die alle nur zum Wohl der Länder abzielten, wenig, einfach, und verständlich waren. Oft weinte er, wenn er ein Urtheil unterschrieb, und er milderte gern die Strenge. Er strafte kühne bundbrüchige Nachbarn: er beschränkte den Ehrgeiz habsüchtiger Könige; er kam unterdrückten Freunden zu Hülfe; er schonte, wo er Langmuth zeigen konnte; er wog das Blut auf der Goldwage, und zog nur gezwungen das Schwert. Die Feinde fürchteten seine Gerechtigkeit. Er hungerte nie nach fremden Gütern. Wurden feindliche Schiffe auch in Kriegszeiten durch Stürme an seine Gestade geworfen; so gab er großmüthig Befehl, sie frey zu lassen, und ihnen alle Bedürfnisse zu reichen, weil er sich keines Ungefährs zum Vortheil bedienen wollte. Dies machte ihn zum Mittler und Schiedsrichter aller Nazionen, die seine Gemüthsbilligkeit kannten.

      In seinem Pallast hatte jeder freyen Zutritt. Lasset das Volk herein, rief er oft den Wachen zu: ich bin nicht König für mich, sondern für sie! Er strafte freche Zungen. Es sind nur Worte, sagte einst dreist ein Höfling, und Worte sind keine Pfeile! Desto ärger, rief Eduard! Pfeile durchdringen nur den Körper; aber Worte verwunden die Seele und das Herz! Die Verschwender waren nie seine Lieblinge. Ein verschuldeter Edelmann lud ihn auf einer Reise zu Gast. So müssen wir eilen, meine Freunde, sprach Eduard zu seinem Gefolge, sonst kommen wir zu spät. Da er in das Haus des Verschwenders trat, fragte er, wem gehört dieser Pallast? Dir mein Wirth? Wenn es wahr ist; so wünsche ich dir Glück!

      Eduard war gütig, leutselig, sanft und uneigennützig. Jeder Tag wurde durch edle Handlungen bezeichnet, und wie eine Meile gepflegtes Land mehr ist, als eine Wüsteney von hundert Parasangen; so ist ein Blatt seiner Geschichte wichtiger, als ganze Bände unfruchtbarer Jahrbücher, die der Nachwelt nichts weiter sagen, als daß viele Könige Thoren gewesen sind.

      Brief

Lusian an seinen Freund

      Bruder, wir haben Krieg. Unser Eduard beginnt seine Regierung damit, daß er von seinen wilden Nachbarn die Länder zurückfodert, die sie unter der schlafsüchtigen Herrschaft der wollüstigen Emilie gewaltsam an sich rissen. Die feindlichen Könige hören mit Verachtung seine gerechten Foderungen, behandeln ihn wie einen unweisen Jüngling, verspotten dreist seine Gesandten, und senden ihm einige Kriegsgefangene schändlich verstümmelt zurück. Der Krieg ist erklärt. Wir fliegen an die feindliche Gränze, und stehen vielleicht schon auf fremder Erde, wenn unsere Feinde erst unsere Kriegserklärung lesen. Eduard ist lauter Leben und Tätigkeit. Ich folge seinen hastigen Schritten, und umarme dich in Gedanken, u. s. w.

      Scene

Eine Ebne. Eduard, Lusian, viele Krieger, hernach Ritter Piron

      Edu. Mein lieber Lusian, unsere Geschwader werden durch Freywillige bevölkert, die sich von allen Seiten zu unserer Fahne drängen.

      Lus. Ich finde wackere Leute darunter. Betrachten Eure Majestät nur jene muntere Jugend


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