Verraten . Морган Райс

Verraten  - Морган Райс


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so viele von ihnen versammelt gesehen. Aberhunderte füllten den Raum. Offensichtlich wollten alle zusehen und die Neuigkeiten über das Schwert hören. Sie wollten hören, wie sie es sich hatte entwischen lassen.

      Aber wahrscheinlich wollten sie vor allem miterleben, wie sie bestraft wurde. Jeder wusste, dass Rexus ein unerbittlicher Meister war, der sogar den kleinsten Fehler mit einer Strafe ahndete. Und eine Verfehlung von dieser Tragweite würde sicherlich eine besonders schwere Bestrafung nach sich ziehen.

      Samantha wusste das, und sie versuchte auch gar nicht, ihrem Schicksal zu entkommen. Schließlich hatte sie den Auftrag, den sie übernommen hatte, nicht erfolgreich ausgeführt. Zwar hatte sie das Schwert gefunden, aber sie hatte es auch verloren – sie hatte zugelassen, dass Kyle und Sergei es ihr vor der Nase weggeschnappt hatten.

      Alles wäre perfekt gewesen. Das Schwert hatte nur wenige Schritte von ihr entfernt auf dem Boden in der King’s Chapel gelegen. Nur wenige Sekunden hatten sie von dem Ergreifen des Schwertes getrennt, von der Erfüllung ihres Auftrages, um ein Haar wäre sie zur Heldin ihres Clans geworden.

      Und dann war Kyle mit seinem schrecklichen Handlanger hereinmarschiert, hatte sie niedergeschlagen und das Schwert gestohlen, unmittelbar bevor sie danach hatte greifen können. Das war so unfair. Wie hätte sie damit rechnen können?

      Und was war sie jetzt? Der Bösewicht, die Versagerin. Die, die sich das Schwert vor der Nase hatte wegschnappen lassen. Oh ja, das dicke Ende würde noch kommen, davon war sie überzeugt.

      Jetzt war es für sie nur noch von Bedeutung, dass Sam in Sicherheit war. Er war ebenfalls niedergeschlagen worden und hatte das Bewusstsein verloren. Daraufhin hatte sie ihn weggetragen und die ganze Strecke hierhergebracht, weil sie ihn in ihrer Nähe haben wollte. Sie war nicht bereit, ihn gehen zu lassen, und sie hatte nicht gewusst, wohin sie ihn sonst hätte bringen sollen. Also hatte sie ihn hereingeschmuggelt und ihn in einem leeren Raum tief unter der Erde untergebracht. Niemand hatte sie dabei beobachtet, jedenfalls nicht, soweit sie wusste. Dort würde er vor den neugierigen Augen dieser Vampire sicher sein. Jetzt würde sie Rexus Bericht erstatten, ihre Bestrafung erdulden und danach bis Tagesanbruch warten, wenn alle anderen schliefen, um mit Sam zu fliehen.

      Natürlich konnte sie nicht einfach sofort fliehen. Wenn sie nicht zuerst ihren Bericht ablieferte und ihre Strafe verbüßte, würde ihr Clan Jagd auf sie machen, und sie wäre für den Rest ihres Lebens auf der Flucht. Hatte sie erst einmal ihre Strafe erduldet, würde niemand sie verfolgen. Dann konnte sie mit Sam zusammen fliehen und sich irgendwo niederlassen. Nur sie beide.

      Niemals hätte sie damit gerechnet, dass dieser Junge solche Gefühle in ihr wachrufen könnte. Inzwischen besaß er für sie erste Priorität. Sie wollte mit ihm zusammen sein: Sie brauchte ihn. So verrückt es auch klingen mochte, selbst für ihre eigenen Ohren – sie konnte sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Das machte sie wütend, denn sie wusste nicht, wie es so weit hatte kommen können. Wie hatte sie sich nur in einen Jungen im Teenageralter verlieben können? Ganz zu schweigen davon, dass er ein Mensch war. Dafür hasste sie sich. Aber es war, wie es war. Es würde nichts bringen, ihre Gefühle ändern zu wollen.

      Dieser Gedanke gab ihr Kraft, als sie langsam auf Rexus’ Thron zuging und sich auf seinen Urteilsspruch vorbereitete. Sie wusste, dass sie unbeschreibliche Schmerzen erleiden würde, doch der Gedanke an Sam würde ihr helfen, das durchzustehen. Es gab jemanden, zu dem sie zurückkehren konnte. Außerdem würde Sam all das erspart bleiben, weil sie ihn in Sicherheit gebracht hatte. Deshalb würde sie ertragen können, was jetzt auf sie zukam.

      Doch würde er sie nach der Verbüßung der Strafe überhaupt noch lieben? So wie sie Rexus kannte, würde er als Strafe für sie eine Behandlung mit Weihwasser für angemessen halten und ihr Gesicht so gut es ging verunstalten. Vielleicht würde sie danach nicht mehr hübsch sein. Würde Sam sie dann immer noch lieben? Sie konnte es nur hoffen.

      Stille senkte sich über den Raum, während die unzähligen Vampire näher rückten, um nichts zu verpassen. Samantha ging auf Rexus zu, ließ sich auf ein Knie sinken und neigte den Kopf.

      Rexus starrte von seinem Thron auf sie hinunter, wobei seine harten, eisblauen Augen sie förmlich zu durchbohren schienen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, obwohl Samantha wusste, dass wahrscheinlich nur wenige Sekunden vergingen. Wohlweislich hielt sie den Kopf gesenkt und hütete sich, seinem Blick zu begegnen.

      »Also«, begann Rexus mit rauer Stimme zu sprechen, »jetzt rächt es sich, dass ich dich ausgewählt habe.«

      Ein längeres Schweigen folgte, während er Samantha musterte. Sie unternahm keinen Versuch, sich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, sondern blickte nicht einmal auf.

      »Ich habe dich losgeschickt, um einen sehr einfachen Auftrag zu erledigen«, fuhr er fort. »Nachdem Kyle versagt hatte, brauchte ich jemandem, dem ich vertrauen konnte. Meine wertvollste Kriegerin. Noch nie zuvor hattest du mich enttäuscht, nicht ein einziges Mal in Jahrtausenden«, sagte er hart. »Aber irgendwie ist es dir gelungen, an diesem einfachen Auftrag zu scheitern – absolut kläglich zu scheitern.«

      Samantha schwieg weiterhin.

      »Nun erzähl mir ganz genau, was mit dem Schwert geschehen ist. Wo ist es?«

      »Mein Meister«, antwortete sie bedächtig. »Ich habe dieses Mädchen aufgespürt, diese Caitlin. Und Caleb. Ich habe sie beide gefunden. Auch das Schwert habe ich gefunden. Ich habe Caitlin sogar dazu gebracht, es aus der Hand zu geben. Dann lag es auf dem Boden, nur ganz knapp außerhalb meiner Reichweite. Ich war ganz dicht davor, es war eine Frage von Sekunden, bis ich es in den Händen hätte halten können, um es Euch zu bringen.«

      Samantha schluckte.

      »Ich konnte nicht ahnen, was als Nächstes passieren würde. Als Kyle mich angriff, war ich völlig überrumpelt …« Lautes Gemurmel breitete sich unter den versammelten Vampiren aus.

      »Bevor ich das Schwert ergreifen konnte«, fuhr sie fort, »hatte Kyle es schon an sich genommen. Sofort flüchtete er aus der Kirche, ich konnte nichts tun, um ihn daran zu hindern. Als ich versuchte, ihn zu verfolgen, war er bereits verschwunden. Das Schwert befindet sich jetzt in seinem Besitz.«

      Das Gemurmel wurde lauter. Die Aufregung und Besorgnis im Raum war beinahe greifbar.

      »RUHE!«, rief jemand mit lauter Stimme.

      Langsam erstarb das Murmeln.

      »Also hast du zugelassen, dass Kyle das Schwert genommen hat. Du hast es ihm praktisch überreicht.«

      Obwohl Samantha es besser wusste, konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie musste einfach etwas zu ihrer Verteidigung sagen. »Mein Meister, ich konnte nichts tun …«

      Rexus unterbrach sie mit einem simplen Kopfschütteln, eine Geste, die Samantha fürchtete. Denn sie bedeutete, dass Schlimmes folgen würde.

      »Wegen dir muss ich jetzt zwei Kriege vorbereiten. Diesen erbärmlichen Krieg gegen die Menschen und jetzt auch noch einen Krieg gegen Kyle.«

      Als sich drückendes Schweigen über den Raum legte, spürte Samantha, dass ihre Bestrafung unmittelbar bevorstand. Sie war bereit. In Gedanken klammerte sie sich an das Bild von Sam und an die Tatsache, dass sie sie nicht wirklich umbringen konnten. Das würden sie nie tun. Es würde ein Leben nach all dem geben, irgendein Leben, und Sam würde ein Teil davon sein.

      »Ich habe mir eine ganze besondere Strafe für dich ausgedacht«, erklärte Rexus, während er das Gesicht zu einem bösen Grinsen verzog.

      Als Samantha hörte, wie die große Doppeltür hinter ihr geöffnet wurde, drehte sie sich unwillkürlich um.

      Das Herz wurde ihr schwer, und ihr Mut sank.

      An Händen und Füßen mit Ketten gefesselt wurde Sam von zwei Vampiren in den Raum gezerrt.

      Sie hatten ihn gefunden.

      Da sie ihn auch geknebelt hatten, konnte er sich winden, wie er wollte, doch es war ihm trotzdem nicht möglich, sich zu artikulieren. Seine Augen waren vor Schock und Furcht weit aufgerissen. Die Ketten rasselten, als sie ihn vorwärtszerrten.

      »Offensichtlich hast du nicht nur das Schwert verloren, sondern auch noch Zuneigung zu


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