Ein Reich der Schatten. Морган Райс

Ein Reich der Schatten - Морган Райс


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breitete sich über der Oberfläche aus und die Haie verschwanden. In derselben Bewegung ergriff sie seine Hand und zog ihn zurück aufs Schiff.

      Das Schiff korrigierte seine Position selbst als der Wind aufkam und Merk saß frierend, nass und schwer atmend mit einem schlimmen Schmerz in der Wade auf dem Deck.

      Lorna untersuchte seine Wunde und riss ein Stück Stoff aus ihrem Hemd und wickelte es um sein Bein, um Blut zu stauen.

      „Du hast mein Leben gerettet“, sagte er dankbar. „Es gab dutzende von diesen Dingern da drin. Sie hätten mich umgebracht.“

      Sie sah ihn an. Ihre hellblauen Augen waren groß und hypnotisierend.

      „Diese Kreaturen sind hier deine kleinsten Sorgen“, sagte sie.

      Sie fuhren schweigend weiter. Merk kam langsam wieder auf die Beine und beobachte den Horizont. Diesmal hielt er sich mit beiden Händen fest an der Reling fest. Er studierte den Horizont, aber so sehr er auch schaute, die drei Dolche waren nirgendswo zu sehen. Er sah nach unten und beobachtete das Wasser der Todesbucht mit neuem Respekt und Angst. Er sah sich vorsichtig um und entdeckte Schwärme von roten Haien unter der Oberfläche. Sie waren unter den Wellen kaum auszumachen. Er wusste nun, dass ins Wasser zu fallen lebensgefährlich war – und er konnte nicht anders als sich zu fragen, welche anderen Kreaturen hier noch lebten.

      Die Stille wurde tiefer und nur vom Heulen des Windes unterbrochen und als Stunde um Stunde verging hatte Merk das dringende Bedürfnis zu reden.

      „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Dass, was du mit deinem Stab gemacht hast.“

      Lorna blieb ausdruckslos und beobachtete weiter den Horizont.

      „Erzähl mir etwas über dich“, presste er hervor.

      Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder zum Horizont.

      „Was würdest du denn gerne wissen?“ fragte sie.

      „Egal was“, antwortete er. „Alles.“

      Lange blieb sie still, dann sagte sie endlich:

      „Fang du an.“

      Merk sah sie überrascht an.

      „Ich?“ fragte er. „Was willst du wissen?“

      „Erzähl mir über dein Leben“, sagte sie. „Alles was du mir erzählen willst.“

      Merk atmete tief ein und drehte sich in Richtung des Horizonts. Sein Leben war das Einzige worüber er nicht reden wollte.

      Und dann, als er realisierte, dass sie noch eine lange Reise vor sich hatten, seufzte er. Er wusste, dass er sich seinem gelebten Leben irgendwann stellen musste, auch wenn er nicht stolz darauf war.

      „Ich bin den Großteil meines Lebens ein Mörder gewesen“, sagte er langsam und bereute es. Seine Stimme war ernst und voller Selbsthass. „Ich bin nicht stolz darauf. Aber ich war der Beste darin. Ich erfüllte Aufträge für Könige und Königinnen. Niemand war fähiger und besser als ich.“

      Merk wurde still, er war gefangen von den Erinnerungen seines Lebens, die er bereute. Erinnerungen, an die er lieber nicht erinnert wurde.

      „Und jetzt?“ fragte sie sanft.

      Merk war dankbar als er im Gegensatz zu sonst, wenn er über sein Leben sprach, keine Wertung in ihrer Stimme wahrnahm. Er seufzte.

      „Jetzt tue ich das nicht mehr. Das bin ich nicht mehr. Ich habe geschworen auf Gewalt zu verzichten. Und mir und meinen Diensten einen Sinn zu geben und für unser Recht und unser Ziel zu kämpfen. Aber es scheint, dass ich nicht davor weglaufen kann. Gewalt scheint mich immer zu finden. Es scheint, dass es immer einen neuen Grund gibt.“

      „Und was ist dein Ziel?“ fragte sie.

      Er dachte darüber nach,

      „Ursprünglich war mein Ziel ein Wächter zu werden“, antwortete er. „Mich und meine Dienste in den Service zu stellen und den Turm von Ur zu bewachen und das Flammenschwert zu schützen. Als dieser dann fiel hatte ich das Gefühl den Turm von Kos erreichen und das Schwert retten zu müssen.“

      Er seufzte.

      „Und hier sind wir nun und segeln durch die Todesbucht, ohne Schwert, verfolgt von Trollen auf dem Weg zu einer unfruchtbaren Inselkette“, antwortete sie mit einem Lächeln.

      Merk runzelte die Stirn.

      „Ich habe mein Ziel verloren“, sagte er. „Den Sinn meines Lebens. Ich kenne mich selber nicht mehr. Ich weiß nicht in welche Richtung es geht.“

      Lorna nickte.

      „Das ist ein guter Ort zum Verweilen“, sagte sie. „Ein unsicherer Ort ist auch ein Ort voller Möglichkeiten.“

      Merk beobachtete sie erstaunt. Er war ergriffen von ihrer fehlenden Verurteilung. Jeder andere, der diese Geschichte hörte, würde ihn verschmähen.

      „Du verurteilst mich gar nicht“, bemerkte er geschockt, „dafür, wer ich bin.“

      Lorna starrte ihn an, ihre Augen waren so intensiv wie der Mond.

      „Dieser Mensch warst du einmal“, korrigierte sie ihn. „Aber das ist nicht das, was du jetzt bist. Wie kann ich dich verurteilen für etwas, was du einmal warst? Ich beurteile nur den Mann, der jetzt vor mir steht.“

      Merk fühlte sich dank ihrer Antwort wie ein neuer Mensch.

      „Und wer bin ich jetzt?“ fragt er. Er wollte die Antwort so gerne wissen, er war sich seiner nicht sicher.

      Sie starrte ihn an.

      „Ich sehe einen guten Krieger“, antwortete sie. „Einen selbstlosen Mann, der anderen helfen will. Und ein Mann mit Sehnsucht. Ich sehe einen Mann, der verloren ist. Ein Mann, der sich selbst nie gekannt hat.“

      Merk sinnierte über ihre Worte nach und sie hallten in ihm wieder. Es war alles wahr. Zu wahr.

      Es folgte eine lange Stille und ihr kleines Schiff fuhr die Wellen hoch und runter und bewegte sich langsam weiter in Richtung Westen. Merk sah sich um, aber die Troll-Flotte war immer noch am Horizont zu sehen. Glücklicherweise waren sie noch ausreichend weit entfernt.

      „Und du?“ fragte er schließlich, „Du bist doch Tarnis Tochter oder nicht?“

      Sie suchte den Horizont ab, ihre Augen glänzten und endlich nickte sie.

      „Das bin ich“, antwortete sie.

      Merk war verwundert dies zu hören.

      „Aber warum bist du hier?“ fragte er.

      Sie seufzte.

      „Ich wurde schon seitdem ich ein kleines Mädchen war hier versteckt.“

      „Aber warum?“ fragte er.

      Sie zuckte mit den Schultern.

      „Ich vermute, dass es zu gefährlich in der Stadt für mich war. Die Menschen durften nicht wissen, dass ich die uneheliche Tochter des Königs war. Es war hier sicherer.“

      „Hier war es sicherer?“ fragte er. „Am Ende der Welt?“

      „Ich wurde hierhergebracht um ein Geheimnis zu hüten.“ erklärte sie. „Ein Geheimnis, noch wichtiger als das gesamte Königreich Escalon.“

      Sein Herz klopfte, er fragte sich, was es wohl war.

      „Wirst du es mir erzählen?“ fragte er.

      Aber Lorna drehte sich nur langsam um und zeigte nach vorne. Merk folgte ihrem Blick und erkannte dort am Horizont die drei unfruchtbaren Inseln, die aus dem Ozean ragten. Die letzte war eine solide Steinfestung. Es war der abgelegenste und doch schönste Ort, den Merk jemals gesehen hatte. Es war ein Ort, der weit genug weg von allem war, um alle Geheimnisse von Magie und Macht zu halten.

      „Willkommen auf Knossos“, sagte Lorna.

      KAPITEL NEUN

      Duncan rannte alleine durch die Straßen von Andros. Er humpelte vom Schmerz in seinen Fuß- und Handgelenken. Er ignorierte es und wurde vom Adrenalin angetrieben und konnte


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