Italienische Nächte . Sophie Love
als Shane weiterhin schwieg.
„Keira“, fiel er ihr schließlich ins Wort.
Die Art, wie er ihren Namen sagte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie hatte die vage Vorahnung, dass Shane keine guten Neuigkeiten haben würde.
„Was?“, fragte sie und klang schon vorauseilend unglücklich.
„Ich werde die Reise absagen“, meinte Shane.
Keira konnte hören, dass ihn das auch ziemlich mitnahm.
„Wirklich?“ Ihre eigene Stimme war voller Schmerz.
„Es tut mir leid. Aber ich muss jetzt hier sein. Für meine Mutter und die Mädchen. Sie sind alle ganz aufgelöst. Ich käme mir wie ein Schuft vor, wenn ich nach New York abrausche und sie damit allein lasse.“
„Aber es ist noch eine Woche bis dahin“, widersprach Keira. „Vielleicht hat sich die Lage bis dahin entspannt? Calum wird wieder auf die Beine kommen. Und solange wärst du ja nicht weg. Nur eine Woche. Es ist ja nicht so, als würdest du einen ganzen Monat hier verbringen. Ein paar Tage werden sie sicher ohne dich zurechtkommen. Ich meine, sie kommen ja auch ohne dich aus, wenn du beim jährlichen Festival der Liebe in Lisdoonvarna arbeitest.“
Sie konnte nicht aufhören zu reden und klang schon ziemlich verzweifelt. Aber sie hatte sich so darauf gefreut, Shane wiederzusehen. Sie wollte ihm ihre Welt zeigen, so wie er ihr seine gezeigt hatte. Das Warten fiel ihr schwer, die Trennung war hart. Ganz abgesehen von den teuren Flugtickets, die sie gekauft hatte, den Veranstaltungen, die sie im Voraus gebucht hatte, die man zwar absagen konnte, aber das Geld nicht zurückbekam. Sie hätte den Bonus, den Elliot ihr gezahlt hatte, besser in eine neue Wohnung investiert, anstatt sich auf Bryns Couch den Rücken zu ruinieren. Konnte sie es sich überhaupt leisten, die Reise umzubuchen? Shane hatte nicht viel Geld und konnte nichts dazu beisteuern.
„Mein Vater wäre fast gestorben, Keira“, sagte Shane ganz direkt. „Das ist nicht dasselbe, wie ein Monat weg von zu Hause wegen des Festivals.“
„Das weiß ich doch“, gab sie schnell nach. „Ich wollte mich nicht selbstsüchtig anhören. Du fehlst mir einfach so sehr.“
„Du fehlst mir auch“, antwortete Shane und seufzte schwer.
Keira fühlte sich hundeelend. Aber sie wollte sich nicht so runterziehen lassen, denn es war ja nicht einmal ihr Angehöriger da in der Notaufnahme. Sie entschied sich, munterer zu erscheinen als sie sich fühlte.
„Ich schätze, da ist dann nichts zu machen“, sagte sie ruhig. „Lass uns lieber einen neuen Termin überlegen, damit die Tickets nicht komplett verfallen. Dann kann ich wenigstens wieder anfangen, die Tage zu zählen.“ Sie kicherte und bemühte sich, so zu tun, als wäre alles halb so schlimm.
Wieder antwortete Shane nicht. Keira hörte nur eine Krankenschwester, die irgendjemanden zu Dialyse geleitete.
„Shane?“ Sie hatte genug von der andauernden Stille.
Endlich antwortete er.
„Ich glaube nicht, dass ich einen neuen Termin ausmachen kann“, sagte er.
„Wegen deines Vaters? Shane, es wird ihm bald wieder besser gehen. Dann kümmert er sich wieder um die Farm. Ich wette, spätestens im November ist alles wieder wie vorher. Oder wir können auch bis Dezember warten, wenn dir das lieber ist. Das gibt ihm reichlich Zeit, sich gut zu erholen.“
„Keira“, unterbrach Shane.
Sie klappte den Mund zu. Sie musste sich zwingen, den Wortfluss zu beenden, der unweigerlich kommen würde, weil sie nicht hören wollte, was er ohne Frage gleich sagen würde.
„Ich werde nicht kommen“, sagte er. „Überhaupt nicht.“
Keiras Hände begannen zu zittern. Das Telefon fühlte sich kalt an in ihrer Hand, sie hatte das Gefühl, es entgleite ihr.
„Dann komme ich nach Irland“, sagte sie schwach. „Es macht mir nichts aus zu reisen, wenn du gerade nicht kannst. Ich liebe Irland. Ich kann dich besuchen kommen.“
„Das ist nicht, was ich meinte.“
Keira wusste, was er gemeint hatte, aber sie wollte es nicht wahrhaben. Sie wollte nicht, dass Shane gleich beim ersten Hindernis die Flinte ins Korn warf. Ihre Liebe war stärker als das, wichtiger. Etwas ganz Besonderes. Sie musste ihn einfach überzeugen, auch wenn das bedeutete, sich verzweifelt anzuhören oder, wie Bryn gesagt hatte, sich zu sehr von ihm abhängig zu machen.
Sie hörte, wie Shane tief durchatmete. „Ich werde auf der Farm gebraucht. Irland ist meine Heimat. Ich kann nirgendwo anders leben.“
„Niemand hat davon gesprochen, dass du umziehen sollst.“
„Aber das kommt sicher bald. Wenn unsere Beziehung dauerhaft Bestand haben soll, werden wir im selben Land leben müssen. Ich kann nicht zu dir ziehen. Und du würdest nicht hierher ziehen.“
„Ich könnte sehr wohl“, stammelte Keira. „Ganz bestimmt. Irgendwann.“
Sie dachte an das wunderschöne Land, in das sie sich verliebt hatte. Bestimmt konnte sie da leben, wenn es bedeutete, mit Shane zusammen zu sein.
„Auf der Farm?“
„Sicher.“
Das niedliche Farmhaus mit der wunderbaren Familie und all der Liebe hatte ihr sehr gefallen. Ihre eigene Familie war nur in Teilen vorhanden. Bryn war ständig beschäftigt, ihre Mutter lebte weit entfernt, ihr Vater spielte in ihrem Leben nicht die geringste Rolle. Wie sollte ihr die Familie, die Shane mitbrachte, nicht gefallen?
„Mit meiner Familie? Meinen Schwestern? Meinen Eltern?“, fragte Shane. „Und mit all den Schafen?“
Keira erinnerte sich, dass sie knietief in Schafmist gestanden hatte. Sie dachte an seine sechs Schwestern, die alle sehr nett waren, aber auch alle noch zu Hause lebten. Es wäre ziemlich eng. Nicht gerade das Leben, dass sie sich für sich vorgestellt hatte. Aber auf Bryns Couch zu schlafen, war auch nicht Teil ihrer Träume gewesen. Wenn sie es fertigbrachte mit ihrer eigenen Schwester zusammen zu wohnen, dann sicherlich erst recht mit Shanes sechs Schwestern. Und gehörte es nicht zum Leben dazu, dass man Hindernisse überwand? Sollte man nicht alles mal mitgemacht haben?
„Shane“, sagte Keira, bemüht, ruhig zu klingen. „Wir müssen das doch nicht hier und heute klären. Das Leben ändert sich. Wer weiß, eines Tages heiraten alle deine Schwestern und ziehen aus. Deine Eltern entscheiden sich vielleicht, die Farm zu verkaufen und mit einer Jacht um die Welt zu segeln. Du kannst die Zukunft nicht vorhersehen, also macht es auch keinen Sinn, sich heute schon darüber zu sorgen.“
„Bitte hör mir zu“, bat Shane. Er klang sehr mitgenommen. „Ich versuche es jetzt schon zu beenden, weil es später nur noch viel schmerzhafter würde.“
Das Wort 'beenden' hallte in Keiras Kopf wider, wie ein Hammer auf Stahl. Sie stöhnte auf. Der dicke Kloß im Hals wurde noch dicker.
Ihr wurde da zum ersten Mal bewusst, dass Shane sich schon entschieden hatte. Er würde nicht nachgeben. Was auch immer sie sagte, es würde nichts ändern.
„Tu das nicht“, sagte sie. Auf einmal kamen ihr die Tränen. Sie schluchzte laut und unkontrolliert, als ihr wirklich bewusst wurde, dass Shane nicht nachgeben würde. Er trennte sich gerade von ihr. Der Eine. Die Liebe ihres Lebens.
„Es tut mir leid“, sagte er und weinte ebenfalls. „Ich muss es tun. Bitte versteh das. Gäbe es diesen Ozean nicht zwischen uns, würde ich immer mit dir zusammen sein wollen, ich würde dich sogar heiraten wollen.“
„Sag das nicht!“, heulte Keira. „Du machst es doch nur noch schlimmer.“
Shane atmete laut aus. „Ich möchte aber, dass du weißt, wieviel du mir bedeutest, Keira.