Italienische Nächte . Sophie Love
ganz anders aus. Ich möchte das eigentlich nicht tun müssen. Nicht im Geringsten. Verstehst du das?“
„Ja“, antwortete Keira. Noch immer rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie verstand es laut und deutlich. Der Mann ihrer Träume, der Mann, der sie liebte und sie zum Lachen brachte, gab sie einfach auf, weil die Lage etwas kompliziert war. Der Mann, in den sie sich in einem einzigen Monat unsterblich verliebt hatte, gab einfach an der ersten Hürde auf. Er würde keine Arbeit in ihre Beziehung investieren. Diese Gedanken kreisten in ihrem Kopf.
„Ich nehme an, dann heißt es jetzt lebe wohl?“, fragte sie kühl.
Shane musste ihren neuen Tonfall bemerkt haben. „Sei doch nicht so. Wir können in Kontakt bleiben. Wir können Freunde sein. Es gibt das Internet. Ich will dich nicht komplett aus meinem Leben herausschneiden.“
„Natürlich.“ Keira wurde das Herz schwer. Sie wusste, dass aus einstigen Liebesbeziehungen niemals platonische Freundschaften wurden, egal, wie sehr man sich bemühte. So lief das einfach nicht. Sobald es mit der Liebe aus war, war es vorbei, zumindest nach Keiras Erfahrung.
„Bist du sauer auf mich?“, fragte Shane. Er klang klein und zerbrechlich.
„Nein“, sagte Keira und es stimmte sogar. Shanes Gründe, es zu beenden, waren anständig. Er stellte seine Familie an die erste Stelle. Das war genau die Art von Partner, die sie sich wünschte, es wäre also ziemlich unfair, ihm das jetzt vorzuwerfen. „Ich denke, du solltest zu deiner Familie zurückkehren. Nimm sie einmal für mich in den Arm, okay?“
„Mache ich“, versprach Shane.
Keira war sich nicht ganz sicher, aber er schien zu ahnen, dass er nie wieder mit ihr reden würde. Er war sehr niedergeschlagen.
Es entstand eine lange Pause.
„Leb wohl, Keira“, sagte Shane schließlich.
Bevor sie antworten konnte, hatte er aufgelegt. Sie nahm das Handy vom Ohr und starrte darauf. Wie konnte so ein kleines Stück Technik ihre ganze Welt zum Einstürzen bringen? Wie konnte ein einziges Gespräche alles auf den Kopf stellen? Sie hatte das Gefühl, jedes Fünkchen Glück, das sie je empfunden hatte, sei vom Handy eingesaugt und in eine schwarze Leere gespuckt worden, auf Nimmerwiedersehen.
Und sie konnte nicht einmal richtig wütend sein. Shane war kein Widerling, wie all die anderen Typen, mit denen sie Schluss gemacht hatte. Er hatte sie nicht betrogen, nicht belogen, es gab kein Geschrei, kein absichtliches Wehtun. Vielleicht tat es deshalb nur noch mehr weh. Vielleicht, weil sie sich von dem Gedanken hatte einlullen lassen, dass Shane der Eine war, dass es überhaupt den Einen geben könnte.
Noch immer weinte sie, verließ aber das Bad und warf ihr Handy auf die Couch. Bryn stand an der Küchentheke und machte Kaffee. Sie sah überrascht auf.
„Was ist los? Weinst du etwa?“
Keira ignorierte die Fragen und nahm ihren Terminkalender zur Hand. All die eingetragenen Termine mit Shane, die unauslöschliche Erinnerungen hätten werden sollen - sie riss die Seiten einfach heraus.
KAPITEL ZWEI
Bryn legte tröstend den Arm um Keira, während diese bitterlich weinte.
„Du hast das ganz richtig gemacht“, sagte sie beruhigend. „Ich weiß, das kommt dir im Augenblick nicht so vor, aber glaube mir. Du hast dich viel zu sehr da reinziehen lassen. Du bist achtundzwanzig, Keira. Da setzt man sich noch nicht zur Ruhe.“
Ihre Worte trösteten Keira nur wenig. Bryn musste gerade reden. Ihr Leben war nichts als eine Reihe von desaströsen Beziehungen. Sie hatte keine Ahnung, welch tiefe Liebe Keira und Shane gefunden und wieder verloren hatten. Keiras ganzer Körper wurde von heftigen Heulkrämpfen erschüttert.
„Komm schon“, fügte Bryn hinzu. „Lass uns einen Kaffee trinken gehen. Ich rufe Mom an. Du weißt, dass sie mit so etwas richtig gut umgehen kann.“
Keira wusste es besser. Im Gegensatz zu Bryn hatte ihre Mutter es sehr eilig gehabt, Keira unter die Haube zu bringen und möglichst schnell Kinder zu kriegen. Sie hatte sogar behauptet, es mache für Keira keinen Sinn, sich um ihre Karriere zu kümmern, weil sie die in ein paar Jahren sowieso aufgeben würde, um Kinder in die Welt zu setzen.
Sie schüttelte daher den Kopf. „Ich kann nicht. Ich muss zur Arbeit.“
Bryn verzog das Gesicht. „Schätzchen, du bist ein Wrack. In diesem Zustand wollen die dich da sicher nicht haben. So bist du niemandem eine Hilfe.“
„Besten Dank auch“, murmelte Keira. „Aber ich kann da nicht einfach wegbleiben. Es ist mein erster Tag nach dem Urlaub. Und in der neuen, gehobenen Position. Elliot wird auch im Büro sein. Er wird erwarten, dass ich noch eine Schippe drauflege.“
Während sie sprach, griff Bryn nach Keiras Handy und nahm es ihr einfach weg.
„Hey!“, protestierte Keira.
Bryn tippte ein wenig und legte es dann triumphierend auf den Tisch. „Erledigt.“
„Was?“, rief Keira entsetzt und nahm es in die Hand. „Hast du mich etwa krankgemeldet? Ich habe mich noch nie krankgemeldet! Das ist unprofessionell. Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich getan hast.“
Aber als sie durchblätterte, welche Aktionen zuletzt auf ihrem Smartphone ausgeführt worden waren, sah sie, dass Bryn keineswegs die Redaktion kontaktiert hatte, sondern Nina, ihre Freundin und Lektorin des Magazins. Sie las die Nachricht, die Bryn ihr geschickt hatte.
Shane hat mich abserviert. Mein Leben ist zu Ende. Hilfe.
Keira rollte mit den Augen, vollkommen unbeeindruckt, und starrte ihre Schwester finster an. Bryn zuckte nur grinsend mit den Schultern. Eine Sekunde später summte Keiras Handy mit einer neuen Nachricht von Nina.
Das wird schon wieder. Ich sage Elliot, wir treffen uns außerhalb des Büros. Kaffee in zehn Minuten?
Keiras Gesichtsausdruck entspannte sich ein wenig. Vielleicht war Bryn doch manchmal ganz nützlich.
„Nina kommt vorbei“, sagte sie und packte das Handy weg. „Bist du nun zufrieden?“
„Ja“, antwortete Bryn. „Jetzt muss ich nur noch schnell meinem Boss mitteilen, dass ich heute nicht zur Arbeit komme.“
„Das musst du nicht machen.“
„Ach, bitte. Jede Ausrede ist mir recht“, meinte Bryn.
Keira gab nach. Manchmal hatte es einfach keinen Sinn, mit Bryn zu argumentieren. Auch wenn ihre Schwester vielleicht nicht die Beste zum Ausheulen war, sie dachte immer an ihren eigenen Vorteil und das half Keira hin und wieder auch mal.
Einige Minuten später verließen die Schwestern das Apartment gemeinsam, warm angezogen, und gingen die Straße hinunter zu dem Coffeeshop, wo sie Nina treffen wollten. Es war noch sehr früh. Als sie ankamen, hatte der Laden gerade erst aufgemacht. Sie waren die ersten Gäste.
Bryn bestellte einen Milchkaffee und einen Muffin für sie beide und führte Keira zu einer durchgesessenen Ledercouch. Kurz darauf traf auch Nina ein.
„Keira“, sagte sie mitfühlend.
Sie setzte sich und umarmte Keira fest. Sofort fühlte diese sich besser. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, die Arbeit heute sausen zu lassen. Aber sie ermahnte sich sogleich, das nicht zur Gewohnheit zu machen. Es war mehr als unprofessionell, auch wenn Bryn und Nina da offensichtlich anderer Ansicht waren. Keira musste sich darüber eigentlich auch gar keine Sorgen machen, denn sie war auf dem besten Wege, ein durch und durch keusches Leben zu führen. Es schien also relativ unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder einen freien Tag brauchte wegen eines gebrochenen Herzens.
„Ich kann nicht fassen, dass Shane so ein Idiot ist“, begann Nina.