Italienische Nächte . Sophie Love

Italienische Nächte  - Sophie Love


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machte. Das Büro wirkte sogar gemütlicher, obwohl da noch immer dieselben kalten weißen Kacheln waren und das Echo nach wie vor durch das Großraumbüro hallte. Es gab nur einen optischen Unterschied, der Keira auffiel. Alle Türen, die zu den Besprechungsräumen und den kleineren Büros führten, standen offen. Sie konnte Elliots Assistentin Heather sehen, die in ihrem Büro an ihrem Computer saß und tippte. Im Konferenzraum besprachen sich ein paar Mitarbeiter und es sah so aus, als hätten sie Spaß dabei. Zu Joshuas Zeiten waren diese Türen immer alle zu gewesen, wie eine körperliche Barriere zwischen Angestellten und Vorgesetzten.

      „Keira ist da!“, rief jemand und alle Köpfe fuhren zu ihr herum.

      Zu ihrer Überraschung begann jemand zu applaudieren.

      Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, als immer mehr Leute sich von ihren Stühlen erhoben und in den Beifall einstimmten. Hatte sich Dorothy im Zauberer von Oz so gefühlt, nachdem sie die Hexe besiegt hatte? Immerhin hatte wegen ihr jemand seinen Job verloren, auch wenn er das wahrlich verdient hatte.

      Nina kam zu ihr herüber und umarmte sie.

      „Du hast es geschafft“, sagte sie sanft. „Ich sagte dir doch, alle freuen sich, dass du wieder da bist.“

      Denise, eine der Nachwuchsautorinnen, mit der Keira bisher kaum mehr als zwei Worte gewechselt hatte, kam ebenfalls und umarmte sie. Keira war überrascht.

      „Oh, äh, hallo“, sagte sie verlegen.

      „Ich wollte mich nur bedanken“, sagte sie. „Ich war kurz davor, wegen Joshua zu kündigen. Er gab mir das Gefühl, ich sei nutzlos, ich könnte nicht schreiben und hätte überhaupt kein Talent. Ich wollte den Journalismus an den Nagel hängen. Aber dank dir bin ich noch da und alles ist jetzt so unendlich viel besser als vorher.“

      „Gern geschehen“, sagte Keira und verspürte einen Hauch von Stolz. Sich gegen Joshua aufzulehnen war nicht leicht gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Und es hatte mehr Leuten geholfen als ihr vorher bewusst gewesen war. Falls sie noch einen Rest von Schuldgefühlen hatte, lösten die sich in Luft auf angesichts der Wirkung, die ihr Handeln für alle hier hatte. Josh war ein erwachsener Mann und daher verantwortlich für sein Handeln. Niemand hatte ihn gezwungen, den Kollegen gegenüber wie ein Arschloch aufzuführen. Er hatte es sich nur sich selbst zuzuschreiben, dass er gefeuert worden war. Keira hatte das Ganze nur ausgelöst.

      Zum ersten Mal seit Shane ihr das Herz gebrochen hatte, empfand Keira so etwas wie Zuversicht. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, bereit, sich wieder in die Arbeit zu stürzen. Da konnte sie auf jeden Fall glänzen. Selbst wenn ihr Liebesleben mal wieder in Scherben lag, so hatte ihre Karriere wenigstens Fahrt aufgenommen und sie würde daraus das Beste machen.

      Als sie an ihren Arbeitsplatz kam, fiel ihr auf, dass all ihre Sachen weg waren. Das gerahmte Foto von Bryn und ihrer Mutter, der kleine Kaktus, das gepunktete Mauspad, das sie zum Studienabschluss von Shelby geschenkt bekommen hatte, die Tasse in Katzenform, die ein Geschenk von Maxine im letzten Jahr gewesen war, alles weg. Sie hoffte inständig, dass man die ganzen Sachen nicht aus Versehen weggeworfen hatte. Es waren im Grunde wertlose kleine Dinge, aber sie bedeuteten ihr viel.

      Sie schaute sich besorgt um. Dabei fiel ihr auf, dass Elliot direkt auf sie zukam.

      Er blieb stehen, blickte auf sie herab und schüttelte ihr die Hand. „Willkommen zurück. Ich habe veranlasst, dass du in das Eckbüro umziehst. Ich hoffe, das ist okay.“

      Keira war vor allem erleichtert, dass ihre Sachen alle noch da waren. Dann sickerte langsam in ihr Bewusstsein, was Elliot da gesagt hatte.

      „Ich habe ein Büro?“, wiederholte sie ungläubig.

      „Selbstverständlich. Du bist jetzt eine Vorgesetzte. Alle Vorgesetzten haben ein eigenes Büro.“

      Er bedeutete ihr, ihm zu folgen. Als Keira durch das Büro schritt, fing sie einen Blick von Nina auf, die ihr zuzwinkerte. Sie musste es wohl schon gewusst haben.

      Sie blieben an der Tür zu einem kleinen Eckraum stehen. Keiras Name stand auf dem Schild neben dem Eingang. Ihre persönlichen Gegenstände waren auf dem Tisch angeordnet, wie sie es gewohnt war. Bloß hatte sie hier viel mehr Platz, der Raum wirkte so leer.

      Keira fühlte sich leicht, als schwebe sie auf einer Wolke. Sie hatte noch nie ein eigenes Büro gehabt oder ihren Namen auf einem Türschild gelesen.

      „Ist das okay für dich?“, fragte Elliot.

      „Es ist großartig!“, rief Keira, trat ein und drehte sich um sich selbst. Der Raum war eigentlich nicht groß genug zum Tanzen, aber das interessierte Keira gerade gar nicht.

      „Wir haben inzwischen eine Regelung getroffen, dass die Türen immer auf sind“, sagte Elliot. Es sei denn, du hast eine Besprechung oder ein Telefonat. Wir haben das mehrheitlich beschlossen, während du weg warst.“

      Keira schaute ihn überrascht aber auch zufrieden an.

      Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, wie eine solche Abstimmung bei Viatorum aussehen mochte. Joshua hatte immer nur Anweisungen gebrüllt und alle hielten sich dran. Wenn er einen an einem Feiertag ins Büro bestellt hatte, egal, ob Hanukkah, Weihnachten, das Opferfest, oder was man sonst so feiern konnte, dann hatte man zu erscheinen. Oder man war sofort gefeuert. Es machte Keira sehr glücklich, dass auch die Nachwuchsschreiber endlich mitreden durften.

      „Hast du Lance schon kennengelernt?“, fragte Elliot.

      „Lance? Nein. Ist das ein neuer Nachwuchsautor?“

      Elliot lachte. „Er ist dein neuer Boss“, sagte er.

      „Oh.“ Keira runzelte die Stirn. „Ich dachte, du bist mein neuer Boss.“

      Der Gedanke, jemand anderes würde nun das Sagen haben, beunruhigte Keira. Was, wenn der sich als ein neuer Joshua entpuppte? Was, wenn ihre kreativen Visionen nicht zusammenpassten?

      Elliot schüttelte den Kopf. „Ich kann ja nicht rund um die Uhr hier sein. Mal abgesehen von seinen Schwächen war Joshua aber sehr engagiert. Ich brauche jemanden, der die Stellung hält, wenn ich nicht da bin. Daher habe ich Lance eingestellt. Aber mach dir keine Sorgen, er wird dir gefallen. Er ist das genaue Gegenteil von Joshua, ich verspreche es.“

      Sie folgte Elliot aus dem Zimmer in den Konferenzraum, wo besagter Lance bereits auf sie wartete. Elliot hatte recht, er war so ganz anders als Joshua, zumindest rein optisch. Er war ein kleiner, stämmiger Mann, in einem alten, schlecht sitzenden Anzug und ungekämmt. Als er Keira eintreten sah, grinste er breit. Keira hatte immer vermutet, dass Joshuas Gesichtsmuskeln dazu gar nicht in der Lage waren. Lance streckte ihr seine Hand hin und sie schüttelte sie.

      „Du bist also der Star von Viatorum“, sagte Lance. „Die Heldin Keira Swanson.“

      Keira kicherte verlegen. „So weit würde ich jetzt nicht gehen.“

      „Ich schon“, meinte Lance und nahm wieder Platz. Mit einer Geste bat er Keira und Elliot, das ebenfalls zu tun. „Ich habe deine bisherigen Artikel gelesen und muss sagen, dass du wirklich Talent hast.“

      „Danke“, sagte Keira und wurde rot.

      Sie war es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen. Elliot war sehr sparsam damit, Joshua hatte so etwas gar nicht gekannt. Sie wusste gar nicht, wie sie damit umgehen sollte, wie man darauf antwortete, ohne arrogant zu wirken.

      Sie schaute zu Elliot hinüber, als sie sich neben ihn setzte. Er erwiderte ihren Blick, als wollte er sagen, habe ich dir doch gleich gesagt, er ist anders.

      „Kommen wir also direkt zu den Aufträgen“, sagte Lance und klatschte in die Hände. „Elliot hat den dicksten Batzen schon verteilt.“ Er rieb sich die Hände und grinste erwartungsvoll. „Das wird ein harter Wettbewerb.“ Dann sprang er auf und rannte zur Tür. Mit fröhlicher Stimme rief er laut: „Aufträge sind zu vergeben, Jungs und Mädels!“

      Es


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