Oblomow. Иван Гончаров

Oblomow - Иван Гончаров


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muß gepfropft, dort gestützt werden u.s.w. Doch die größte Sorge war der Küche und dem Mittagessen gewidmet. Bezüglich des Mittagessens hielt das ganze Haus eine Versammlung ab, zu der auch die uralte Tante eingeladen wurde. Jeder schlug ein Gericht vor: der eine Suppe mit Gekröse, der andere Nudeln oder Magen, oder Kaldaunen, oder eine braune oder weiße Brühe zur Sauce. Jeder Rathschlag wurde in Betracht gezogen, genau überlegt und dann nach dem endgiltigen Beschluß der Hausfrau angenommen oder abgelehnt. Unaufhörlich wurde bald Nastassja Pjetrowna, bald Stjepanida Iwanowna in die Küche geschickt, um an etwas zu erinnern oder einen Befehl aufzuheben, um Zucker, Honig, Wein zum Kochen hinzutragen und zu sehen, ob der Koch alles Verabfolgte verbrauchte.

      Die Sorge um das Essen bildete das hauptsächlichste Lebensinteresse in Oblomowka. Was für Kälber wurden dort zu den Feiertagen gemästet! Was für Geflügel gezogen! Was für Erwägungen und Kenntnisse, welche Sorgfalt wurde bei dessen Behandlung angewendet! Die Truthühner und Küchlein, die für Namensfeste oder andere feierliche Tage bestimmt waren, wurden mit Nüssen gemästet; die Gänse wurden jeder Möglichkeit sich zu bewegen beraubt; man ließ sie ein paar Tage vor dem Feiertag unbeweglich im Sack hängen, damit sie vor Fett trieften. Was für gesottene, gesalzene und gebackene Conserven gab es dort! Was für Honig, was für Kwaß wurde dort gekocht, was für Pirogen wurden in Oblomowka gebacken!

      So arbeitete und mühte sich alles im Laufe des Vormittags ab und führte ein so volles, so bemerkbares Ameisenleben. Diese arbeitsamen Ameisen kannten auch an Sonn- und Feiertagen keine Ruhe; dann ertönte das Klopfen der Messer in der Küche noch lauter und öfter; die Frau wiederholte ein paarmal die Reise aus der Vorrathskammer in die Küche mit einer doppelten Quantität von Mehl und Eiern; auf dem Geflügelhof gab es häufigeres Stöhnen und Blutvergießen. Man backte eine Riesenpiroge, die von den Herrschaften selbst noch am folgenden Tage gegessen wurde; am dritten und vierten Tag giengen die Reste in die Mägdekammer über; die Piroge lebte noch am Freitag und ein ganz altgebackenes Ende davon, ohne jede Füllung wurde als Zeichen besonderer Gnade Antip überlassen, der, nachdem er sich bekreuzigt hatte, diese interessante Versteinerung furchtlos, mit lautem Krachen zerstörte, indem er weniger aus der Piroge selbst, als aus dem Bewußtsein, daß es eine herrschaftliche Piroge sei, Genuß zog, wie ein Archäologe, der mit Vergnügen einen schlechten Wein aus den Scherben irgendeines tausendjährigen Geschirrs trinkt.

      Und das Kind sah alles und beobachtete alles mit seinem kindlichen, nichts auslassenden Verstand. Es sah, wie nach dem in nützlicher Arbeit verbrachten Morgen die Mittagsstunde kam. Der Mittag ist heiß, kein Wölkchen ist auf dem Himmel. Die Sonne steht reglos über dem Kopfe und sengt das Gras. Durch die Luft geht kein Windhauch und sie ist schon ohne Bewegung erstarrt. Weder ein Baum, noch das Wasser regen sich; über dem Dorf und dem Feld lagert vollkommene Stille – alles scheint ausgestorben zu sein. Die menschliche Stimme tönt laut und weit in die Leere. Man hört in einer Entfernung von zwanzig Klaftern einen Käfer fliegen und summen, und im dichten Gras schnarcht immer etwas, als hätte sich jemand hingelagert und schlafe süß.

      Auch im Hause herrscht Todtenstille. Es ist die Stunde des allgemeinen Nachmittagsschlafes angebrochen. Das Kind sieht, daß Vater und Mutter, die uralte Tante und der ganze Hofstaat sich jeder in seine Ecke begeben haben; und wer keine besaß, gieng auf den Heuboden, ein anderer in den Garten, ein dritter suchte im Vorhaus Kühlung und mancher deckte sich vor den Fliegen das Gesicht mit einem Tuche zu und schlief dort ein, wo ihn die Hitze und das umfangreiche Mittagessen zu Boden gestreckt hatten. Der Gärtner hat sich im Garten unter einem Busch, neben seinem Brecheisen hingelegt, und der Kutscher schläft im Stall. Ilja Iljitsch schaute in die Gesindestube hinein; dort lagen alle auf den Bänken, auf dem Fußboden herum, die Kinder sich selbst überlassend; diese krochen auf dem Hofe herum und wühlten im Sand. Auch die Hunde hatten sich tief in ihre Hütten verkrochen, da sie ja niemand anzubellen hatten. Man konnte durch das ganze Haus gehen, ohne jemand zu begegnen; man konnte getrost alles herausstehlen und auf Fuhren von dem Hofe fortführen; niemand würde daran gehindert haben, wenn es in jener Gegend Diebe geben würde. Das war ein alles verschlingender, unbezwingbarer Schlaf, das wahre Ebenbild des Todes. Alles ist todt; aus den Ecken dringt das verschiedenartige Schnarchen in allen Tönen und Arten herüber. Ab und zu hebt jemand im Schlaf den Kopf, blickt sinnlos und erstaunt nach allen Richtungen hin und dreht sich auf die andere Seite um, oder spuckt, ohne die Augen zu öffnen, im Schlafe aus, schmatzt mit den Lippen oder brummt etwas durch die Nase und schläft wieder ein. Ein zweiter springt rasch, ohne irgendwelche vorhergehende Vorbereitungen mit beiden Füßen vom Lager auf, als fürchtete er, die kostbaren Augenblicke zu verlieren, greift nach dem Krug mit Kwaß und nachdem er die darin schwimmenden Fliegen so zurückgeblasen hat, daß sie zum andern Rand weggeschwemmt werden – wovon die bis dahin reglosen Insecten sich in der Hoffnung auf eine Besserung ihres Schicksals heftig zu bewegen beginnen, – netzt er sich die Kehle und fällt dann wieder wie angeschossen aufs Bett hin.

      Und das Kind beobachtete immerzu. Es gieng nachmittags wieder mit der Kindsfrau in die freie Luft. Doch auch die Kindsfrau konnte trotz der strengen Ermahnungen der Gnädigen und trotz des eigenen Willens dem Bann des Schlafes nicht widerstehen. Auch sie wurde von dieser in Oblomowka herrschenden allgemeinen Krankheit angesteckt. Zuerst beaufsichtigte sie eifrig das Kind, ließ es nicht weit von sich fort, brummte streng, wenn es herumtollte; dann, als sie die Symptome der nahenden Ansteckung fühlte, begann sie es zu bitten, nicht aus dem Thor hinauszugehen, nicht den Ziegenbock zu reizen, nicht auf den Taubenschlag oder die Gallerie zu steigen. Sie selbst setzte sich irgendwo hin in den Schatten; auf die Stiege, die Schwelle des Kellers oder einfach auf das Gras, mit der Absicht, den Strumpf zu stricken und das Kind zu beaufsichtigen. Doch dann hielt sie es nur träge zurück und wackelte mit dem Kopf. »Ach, der Wildfang wird bevor man sich versieht, auf die Gallerie klettern,« dachte sie fast im Schlaf, »oder auch er geht. . . . zum Graben. . .« Hier senkte sich der Kopf der Alten auf die Kniee, der Strumpf entglitt ihren Händen, sie verlor das Kind aus den Augen und schnarchte leise mit halbgeöffnetem Munde. Und es erwartete ungeduldig diesen Moment, mit dem sein selbständiges Leben begann. Es glaubte dann, in der ganzen Welt allein zu sein; es lief auf den Fußspitzen von der Kindsfrau fort, sah nach, wo ein jeder schlief; es blieb stehen und beobachtete aufmerksam, wie jemand erwachte, ausspuckte und im Schlafe etwas brummte. Dann stieg es mit bebendem Herzen auf die Gallerie und lief auf den knarrenden Brettern rundherum, kletterte auf den Taubenschlag, versteckte sich in die Tiefe des Gartens, lauschte dem Summen eines Käfers und folgte mit den Augen weit seinem Fluge durch die Luft; hörte es im Grase zirpen, suchte und fand die Ruhestörer; es fing eine Libelle, riß ihr die Flügel ab und sah, was aus ihr wurde, oder steckte einen Strohhalm in sie hinein und beobachtete, wie sie mit diesem Anhängsel flog; er betrachtete voll Vergnügen, mit verhaltenem Athem, wie die Spinne das Blut der gefangenen Fliege aussaugte und wie das arme Opfer zwischen ihren Füßen zappelte und summte. Das Kind schloß damit, daß es sowohl das Opfer als auch die Peinigerin tödtete. Dann kroch es in eine Rinne, grub darin herum und suchte sich Wurzeln, die es von der Rinde reinigte und voll Vergnügen aß, sie den Äpfeln und dem Eingesottenen der Mutter vorziehend. Es läuft auch aus dem Thor heraus; es möchte gerne in den Birkenhain; dieser scheint ihm so nahe zu sein, daß es ihn in fünf Minuten erreichen könnte, wenn es nicht ringsherum über den Weg, sondern geradeaus über die Rinnen, die Hecken und die Gruben gienge; doch es fürchtet sich; man sagt, daß es dort Unholde, Räuber und wilde Thiere gibt. Es möchte auch gern zu dem Graben laufen; dieser ist nur fünfzig Klafter vom Garten entfernt; das Kind war schon zum Rand hingelaufen, kniff die Augen zu und wollte wie in den Krater eines Vulcans hineinblicken. . . Aber plötzlich erstanden vor ihm alle Erzählungen und Überlieferungen über diesen Graben. Entsetzen erfaßt es, es rennt halbtodt und vor Angst zitternd zur Kindsfrau zurück und weckt sie auf. Sie schüttelte den Schlaf von sich, ordnete sich das Kopftuch, steckte ihre grauen Haarsträhne mit dem Finger darunter, gab sich den Anschein gar nicht geschlafen zu haben, blickte bald Iljuscha, bald die herrschaftlichen Fenster mißtrauisch an und begann die Stricknadeln des auf ihren Knieen liegenden Strumpfes ineinander zu stecken.

      Unterdessen begann die Hitze nach und nach abzunehmen, in der Natur belebte sich alles: die Sonne näherte sich schon dem Walde. Und allmählich wurde die Stille im Hause gestört. Irgendwo in einer Ecke knarrte eine Thür. Man hörte auf dem Hofe Schritte, auf dem Heuboden nieste jemand. Bald trug ein Mann, sich unter der Schwere beugend, einen ungeheueren Samovar eilig aus der Küche vorüber. Man begann sich zum Thee zu versammeln.


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