Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма
erscheinen ließ, als er in Wirklichkeit es war. Da der Gefreite nun dachte, die zwei Häscher würden, um mit dem jungen Riesen fertig zu werden, seiner Hilfe bedürfen, so machte er seinen Mantel los, wickelte das Kistchen darein und verbarg das Ganze in einer nah gelegenen dunkeln Ecke. Doch Katharine, die an der Thüre horchte, unterschied unbestimmt die Worte: Buch, Doktor und Pitou. Als sie den Sturm, den sie geahnt hatte, losbrechen sah, kam ihr auch der Gedanke, seine Wirkung zu schwächen. Da flüsterte sie Pitou zu, er möge sich als Eigentümer des Buches erklären. Was weiter vorfiel, haben wir bereits gesagt, wir haben gesagt, wie Pitou von dem Gefreiten und seinen Leuten gebunden, geknebelt, und sofort von Katharine, die den Augenblick benützte, wo die Häscher hineingingen, um einen Tisch, und der schwarze Mann, um seinen Mantel und das Kistchen zu holen, in Freiheit gesetzt wurde. Ebenso wie Pitou, über eine Hecke springend, die Flucht ergriff, aber wir haben nicht gesagt, daß der Gefreite als ein Mann von Geist diese Flucht benützte.
In der That, da die dem Gefreiten anvertraute doppelte Sendung vollbracht war, bot die Flucht von Pitou dem schwarzen Mann und seinen zwei Agenten eine vortreffliche Gelegenheit, selbst zu entfliehen.
Der schwarze Mann, obgleich er keine Hoffnung hatte, den Flüchtigen einzuholen, trieb daher seine zwei Häscher durch die Stimme und durch sein Beispiel an, so daß jeder, der sie durch den Klee, das Getreide und die Luzerne hätte fliegen sehen, diese drei Menschen für die erbittertsten Feinde des armen Pitou gehalten haben würde, während sie im Grunde ihres Herzens seine langen Beine segneten.
Doch kaum war Pitou in den Wald eingedrungen, kaum hatten sie dessen Saum erreicht, als sie hinter einem Gebüsch stehen blieben. Wahrend ihres Laufes waren zwei weitere Agenten zu ihnen gestoßen, die sich in der Umgegend des Pachthofes verborgen hielten und erst in dem Fall, daß ihr Anführer rufen würde, herbeieilen sollten.
»Bei meiner Treue,« sagte der Gefreite, »es ist ein Glück, daß dieser Bursche nicht das Kistchen gehabt hat, statt das Buch zu haben. Wir wären genötigt gewesen, die Post zu nehmen, um ihn zu erwischen. Großer Gott! das ist nicht der Kniebug eines Menschen, sondern eine Hirschsehne.
»Ja, sprach einer von den Häschern, doch er hatte das Kistchen nicht, nicht wahr, Herr Pas-de-Loup1 Im Gegenteil, es befindet sich in Ihren Händen.«
»Gewiß, mein Freund, hier ist es,« antwortete derjenige, dessen Namen oder vielmehr Zunamen, den man ihm wegen der Leichtigkeit und Schrägheit seines Ganges gegeben, wir zum ersten Mal genannt.
»Dann haben wir ein Recht auf die versprochene Belohnung.«
»Hier ist sie,« sagte der Gefreite. Und er zog aus seiner Tasche vier Louisd'or und verteilte sie unter seine vier Agenten, ohne daß er denjenigen, welche handelnd eingegriffen, einen Vorzug vor denen gab, welche bloß gewartet hatten.
»Es lebe der Herr Leutnant!« riefen die Häscher.
»Es ist nicht schlimm zu rufen: Es lebe der Herr Leutnant! sagte Pas de loup; »doch so oft man das thut, muß man es mit Unterscheidung thun. Nicht der Herr Leutnant bezahlt.«
»Wer denn?«
»Einer von seinen Freunden, oder eine von seinen Freundinnen, ich weiß nicht genau, welcher oder welche, da die betreffende Person anonym zu bleiben wünscht.«
»Ich wette, es ist die Person, die das Kistchen erhält.«
»Rigoulot, mein Freund, ich habe immer behauptet, du seist ein Junge voll Scharfsinn; doch mittlerweile, bis dieser Scharfsinn seine Früchte trägt und seine Belohnung herbeiführt, wollen wir ausreißen; der verdammte Pächter sieht nicht sehr mild und umgänglich aus, und wenn er wahrnimmt, daß das Kistchen fehlt, könnte er uns alle seine Knechte nachsetzen lassen, und das sind Bursche, die ihren Schuß so richtig thun, als der beste Schweizer von der Garde Seiner Majestät«.
Diese Ansicht war wohl die der Majorität, denn die fünf Agenten setzten ihren Marsch unaufhaltsam im Saume des Waldes fort, der sie vor aller Augen verbarg und drei Viertelmeilen von da wieder zur Straße führte.
Die Vorsicht war nicht überflüssig, denn kaum hatte Katharine den schwarzen Mann und die zwei Sergeanten in Verfolgung von Pitou verschwinden sehen, als sie voll Vertrauen zu der Schnellfüßigkeit des Verfolgten, – der, wenn kein Unfall dazwischen trat, seine Verfolger weithin entführen mußte, – die ängstlich lauernden Knechte rief, ihr die Thüre zu öffnen. Die Knechte liefen herbei, und sobald Katharine befreit war, beeilte sie sich, ihren Vater auch in Freiheit zu setzen.
Billot schien zu träumen. Statt aus der Stube zu stürzen, ging er nur mißtrauisch und kehrte von der Thüre mitten in das Zimmer zurück. Es war, als getraute er sich nicht, am Platze zu bleiben, und hätte zugleich bange, seinen Blick auf das von den Agenten gesprengte und geleerte Hausgeräte zu werfen.
»Und sie haben ihm das Buch genommen, nicht wahr?« fragte Billot.
»Ja, mein Vater, doch sie haben ihn nicht genommen.«
»Wen, ihn?«
»Pitou. Er ist entflohen. Und wenn sie ihm immer noch nachlaufen, so müssen sie nun in Cayolles oder in Vauciennes sein.«
»Desto besser! Armer Junge! ich habe ihm das zugezogen.«
»Oh! mein Vater, bekümmern sie sich nicht um ihn, und denken wir an uns. Seien Sie unbesorgt, Pitou wird sich schon heraus helfen. Doch, mein Gott! welche Unordnung! Sehen Sie doch meine Mutter!«
»Oh! mein Weißzeugschrank,« rief Frau Billot. »Sie haben nicht einmal meinen Weißzeugschrank respektiert. Das sind ruchlose Gesellen!«
»Sie haben im Weißzeugschrank gesucht!« rief Billot.
Und er stürzte auf den Schrank zu, den, wie gesagt, der Sergeant sorgfältig wieder geschlossen hatte, und fuhr mit seinen beiden Armen durch die Haufen umgeworfener Servietten.
»Oh!« rief er, »das ist unmöglich!«
»Was suchen Sie, mein Vater?« fragte Katharine.
Billot schaute in einer Art von Geistesverwirrung umher.
»Sieh, ob du es irgendwo findest. Doch nein; in dieser Kommode – nein; in diesem Sekretär auch nicht; übrigens war es da, denn ich hatte es selbst hierher gestellt. Noch gestern habe ich es gesehen. Nicht das Buch suchten diese Elenden, sondern das Kistchen.«
»Welches Kistchen?« fragte Katharine.
»Ei! Du weißt es wohl.«
»Das Kistchen des Doktors Gilbert?« sagte Frau Billot, die bei Umständen von hoher Bedeutung schwieg und die andern handeln und sprechen ließ.
»Ja, das Kistchen des Doktors Gilbert,« rief Billot, indem er die Hände in seine dichten Haare versenkte. »Das so kostbare Kistchen!«
»Sie erschrecken mich, mein Vater,« sprach Katharine.
»Oh! ich Unglücklicher!« rief Billot voll Wut; »und ich habe mir das nicht ahnen lassen! ich habe gar nicht an dieses Kistchen gedacht! Oh! was wird der Doktor sagen? was wird er von mir halten? Er muß glauben, ich sei ein Verräter, ein Feiger, ein Elender!«
»Aber, mein Gott, was enthielt denn das Kistchen, mein Vater?«
»Ich weiß es nicht; ich weiß nur, daß ich mich dem Doktor mit meinem Leben dafür verbürgt habe, und daß ich mich hätte müssen töten lassen, um es zu verteidigen,« rief Billot.
Und er machte eine so verzweifelte Geberde, daß seine Frau und seine Tochter vor Schrecken zurückwichen.
»Mein Gott, mein Gott, werden Sie wahnsinnig, mein Vater?« sagte Katharine.
Und sie brach in ein Schluchzen aus.
»Antworten Sie mir doch!« rief sie, »um des Himmels willen, antworten Sie mir doch.«
»Mein Freund,« sprach Frau Billot, »antworte doch deiner Frau, antworte doch deiner Tochter.«
»Mein Pferd, mein Pferd!« rief der Pächter; »man führe mir mein Pferd vor.«
»Wohin wollen Sie denn, mein Vater?«
Den Doktor benachrichtigen, der Doktor
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Wulfstritt.