Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма
Brief, den er uns geschrieben, nicht gelesen, er begebe sich nach Paris? Er muß dort sein. Ich gehe nach Paris. Mein Pferd! mein Pferd!«
»Und Sie verlassen uns so, mein Vater, Sie verlassen uns in einem solchen Augenblick! Sie lassen uns in Angst und Unruhe zurück?«
»Es muß sein, mein Kind; es muß sein,« sagte der Pächter, während er den Kopf seiner Tochter zwischen seine Hände nahm und krampfhaft seinen Lippen näherte. »»Wenn du je dieses Kistchen verlörest,«« hat der Doktor zu mir gesagt, »»oder wenn man es dir vielmehr stehlen würde, brich sogleich auf, komm und benachrichtige mich überall, wo ich auch sein werde; nichts halte dich auf, nicht einmal das Leben eines Menschen.««
»Herr, was kann denn dieses Kistchen enthalten?«
»Ich weiß es nicht; ich weiß nur, daß man es mir zur Aufbewahrung übergeben hatte, und daß ich es mir habe nehmen lassen. Ah! hier ist mein Pferd. Durch den Sohn, der im Kollege ist, werde ich wohl erfahren, wo sich der Vater befindet.«
Hiernach umarmte der Pächter seine Frau und seine Tochter zum letztenmal, schwang sich auf den Sattel und sprengte querfeldein in der Richtung der Straße nach Paris.
IX.
Straße nach Paris
Kehren wir zu Pitou zurück.
Pitou wurde vorwärts getrieben durch die zwei größten Anstachelungsmittel der Welt: die Furcht und die Liebe.
Die Furcht hatte ihm unmittelbar gesagt:
Du kannst verhaftet oder geschlagen werden, nimm dich in acht, Pitou.
Und das genügte, um ihn wie einen Hirsch laufen zu machen.
Die Liebe hatte ihm durch die Stimme von Katharine gesagt:
Entfliehen Sie geschwinde, mein lieber Pitou.
Die zwei Anstachelungsmittel machten, wie gesagt, daß Pitou nicht lief, sondern flog.
Wie kamen ihm seine langen Beine und seine ungeheuren Kniee, die bei einem Ball so unlieblich erschienen, nun so nützlich auf dem Felde vor, wo sein Herz, von Angst beklommen, drei Pulsschläge in der Sekunde that.
Herr von Charny mit seinen kleinen Füßen, seinen feinen Knieen und seinen symmetrisch an ihren Platz gestellten Beinen wäre sicherlich nicht so gelaufen.
Pitou lief also unaufhaltsam durch das Gehölz, ließ Cayolles zu seiner Rechten, Yvors zu seiner Linken und drehte sich bei jeder Ecke des Waldes, um zu sehen, oder vielmehr, um zu horchen; denn seit langer Zeit sah er nichts mehr, da seine Verfolger durch die Schnelligkeit, von der Pitou eine so glänzende Probe gegeben, gleich von Anfang um tausend Schritte von ihm entfernt waren, eine Entfernung, die jeden Augenblick zunahm.
Es ist wahr, daß sich die Agenten von Pasdeloup, ganz entzückt, ihre Beute in Händen zu haben, nicht im geringsten mehr um Pitou bekümmerten; doch Pitou wußte das nicht. Ihn verfolgten in seiner Angst noch immer die Schatten der Häscher, obgleich sie in Wirklichkeit schon längst von ihm abgelassen hatten.
Was die schwarzen Männer betrifft, so hatten sie das Selbstvertrauen, welches das Geschöpf träge macht.
»Laufe, laufe!« sagten sie, indem sie die Hände in ihre Hosentaschen steckten und darin die Belohnung klingen ließen, mit der sie Herr Pasdeloup beehrt hatte: »laufe, wir werden dich immerhin finden, wann wir wollen.«
Und Pitou lief immer weiter, als ob er die Worte der Agenten von Herrn Pasdeloup hätte hören können.
Als er durch schlaue Kreuzung seiner Laufspuren – wie es die Tiere des Waldes thun, um die Meute von ihrer Fährte abzubringen – seine Fußstapfen in ein so verworrenes Netz verwickelt hatte, daß sich Nimrod selbst nicht ausgekannt haben würde, faßte er plötzlich den Entschluß, nach rechts einen Haken zu machen, um die Straße von Villers-Cotterets nach Paris, ungefähr auf der Höhe der Heide von Gondreville, zu erreichen.
Sobald dieser Entschluß gefaßt war, stürzte er durch das Gehölze, machte einen rechten Winkel und erblickte nach Verlauf von einer Viertelstunde die Landstraße, eingerahmt von ihrem gelben Sandboden und begrenzt von ihren grünen Bäumen.
Eine Stunde nach seinem Abgang vom Pachthofe befand er sich auf dem Pflaster des Königs.
Er hatte ungefähr vier und eine halbe Meile in dieser Stunde gemacht. Das ist alles, was man von einem guten Pferde in scharfem Trab verlangen kann.
Er warf einen Blick rückwärts. Und nirgends zeigte sich was auf dem Wege, nur vor ihm ritten zwei Weiber auf Eseln.
Ein wenig beruhigt durch das, was er sah oder vielmehr nicht sah, machte Pitou einen Purzelbaum auf dem Rasen am Saume des Waldes, trocknete sich mit dem Aermel sein dickes, ganz rotes Gesicht ab, legte sich auf den frischen Klee und überließ sich der Wollust, in Ruhe zu schwitzen.
Doch die süßen Düfte der Luzerne und des Majorans konnten bei ihm das gesalzene Fleisch der Mutter Billot und das anderthalb Pfund schwere Laibchen schwarzes Brot, das ihm Katharine bei jedem Mahl, d. h. dreimal täglich, zuschied, nicht in Vergessenheit bringen.
Pitou sagte sich philosophisch, Mademoiselle Katharine sei die freigebigste Prinzessin der Welt, und der Pachthof des Vaters Billot der kostbarste Palast des Weltalls.
Dann sandte er einen sehnsuchtsvollen Blick in die Richtung des glückseligen Pachthofes und seufzte. Er fühlte, wie seine einen Augenblick sehr verworrenen und sehr gestörten Ideen mit dem ruhigen Atem wieder zu ihrer Regelmäßigkeit zurückkehrten.
»Warum,« sagte er zu sich selbst, »warum sind mir so viele außerordentliche Ereignisse in einem so kurzen Zeitraum begegnet? Warum mehr Vorfälle in drei Tagen, als in der ganzen übrigen Zeit meines Lebens?«
»Weil mir von einer Katze geträumt hatte, die Händel mit mir suchte,« antwortete er sich.
Und er machte eine Geberde, die besagte, die Quelle seines Unglücks sei ihm hinreichend klar.
»Ja,« fügte Pitou bei, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte, »doch das ist keine Logik wie die meines verehrungswürdigen Abbés Fortier. Nicht, weil ich von einer gereizten Katze geträumt habe, begegnen mir alle diese Abenteuer. Der Traum ist den Menschen nur als Warnung gegeben worden.«
»Darum hat, ich weiß nicht welcher Schriftsteller, gesagt:« »»Du hast geträumt, hüte dich: cave, somniasti««.
»Somniasti?« fragte sich Pitou bestürzt. »Sollte ich denn abermals einen Barbarismus gemacht haben? Ei! nein, ich habe nur eine Elision gemacht; somniavisti hätte ich in grammatikalischer Sprache sagen müssen.«
»Es ist erstaunlich,« fuhr Pitou in Selbstbewunderung fort, »wie ich das Lateinische kann, seitdem ich es nicht mehr lerne.«
Nach dieser Verherrlichung seiner eigenen Person setzte sich Pitou wieder in Marsch.
Pitou ging mit langen Schritten, aber ruhiger. Diese Schritte konnten zwei Meilen in der Stunde zurücklegen.
Infolgedessen hatte Pitou innerhalb zweier Stunden, nachdem er sich wieder in Marsch gesetzt, Manteuil hinter sich und steuerte auf Dammartine zu.
Plötzlich überbrachte ihm sein feines Gehör, das nicht minder geübt war, als das eines wilden Osagen, das Geräusch eines auf dem Pflaster schallenden Hufeisens.
»Ho! ho!« rief Pitou; und er skandierte den bekannten Vers von Virgil: Quadru pe dante pu trem soni tu quatit ungula campum.
Und er schaute, doch er sah nichts.
Waren es die Esel, die er in Levignan gelassen und die einen Galopp angeschlagen hatten? Nein, denn das klirrende Eisen erscholl auf dem Pflaster; Pitou aber hatte in Haramont und selbst in Villers-Cotterets nur den Esel der Mutter Sabot gekannt, der beschlagen war, und zwar, weil die Mutter Sabot den Postdienst zwischen Villers-Cotterets und Crespy verrichtete.
Er vergaß daher für den Augenblick das Geräusch, das er gehört hatte, um zu seinen Betrachtungen zurückzukehren.
Wer waren die schwarzen Männer, die ihn über den Doktor Gilbert gefragt, die ihm die Hände gebunden, ihn verfolgt hatten, und die