Der Chevalier von Maison-Rouge. Александр Дюма
die Leinwandstücke, wieder Andere, welche ihre Nachforschungen beendigt hatten, schauten mit einer frechen Starrheit die unglücklichen Gefangenen an, die ihre Augen hartnäckig die Eine aus ihr Buch, die Andere aus ihre Stickerei, die Dritte auf ihren Bruder geheftet hielten.
Die Aelteste von diesen Frauen war groß, bleich und schön; diejenige, welche las, schien besonders ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihr Buch zusammenzudrängen, obgleich aller Wahrscheinlichkeit nach nur ihre Augen lasen und nicht ihr Geist.
Einer von den Municipalen näherte sich ihr, packte mit rohem Wesen das Buch, das sie in der Hand hielt, und schleuderte es mitten in das Zimmer.
Die Gefangene streckte die Hand nach dem Tische aus, ergriff einen zweiten Band und fuhr fort zu lesen.
Der Montagnard machte eine wüthende Geberde, um ihr den zweiten Band zu entreißen, wie er es mit dem ersten gethan hatte. Aber bei dieser Geberde, bei der die Gefangene, welche am Fenster stickte, bebte, sprang das Märchen vor, umschlang mit seinen Armen den Kopf der Leserin und flüsterte weinend:
»Oh! arme, arme Mutter!«
Dann küßte das Mädchen die Leserin.
Die Gefangene drückte hierauf ihren Mund aus das Ohr des Mädchens, als ob sie dasselbe küssen wollte, und sprach zu ihm:
»Marie, es ist ein Billet in der Mündung des Ofens verborgen, nimm es weg.«
»Vorwärts! vorwärts!« rief der Municipal, indem er das Mädchen brutal zurückzog und von seiner Mutter trennte. »Werdet Ihr Euch bald genug geküßt haben?«
»Mein Herr,« versetzte das Mädchen, »hat der Convent beschlossen, daß die Kinder ihre Mütter nicht mehr küssen dürfen?«
»Nein; doch er hat beschlossen, daß die Verräther, die Aristokraten und die Ci-devant bestraft werden sollen, und wir sind deshalb hier, um Euch zu befragen. Laß hören, Antoinette, antworte.«
Diejenige, welche man aus eine so plumpe Weise anredete, wurdigte den Fragenden nicht einmal eines Blickes. Sie wandte im Gegentheil den Kopf ab und eine leichte Rothe zog über ihre von dem Schmerz gebleichten und von den Thränen durchfurchten Wangen.
»Es ist unmöglich,« fuhr dieser Mann fort, »daß Du nichts von dem Versuche der letzten Nacht gewußt hast. Woher kommt er?»
Dasselbe Stillschweigen von Seiten der Gefangenen.
»Antworten Sie, Antoinette,« sprach Santerre, indem er sich ihr näherte, ohne den Schauer des Abscheus zu bemerken, der die junge Frau bei dem Anblick dieses Mannes ergriff, welcher am Morgen des ein und zwanzigste Januar Ludwig XVI. aus dem Temple geholt hatte, um ihn nach dem Blutgerüste zu führen. »Antworten Sie! Man hat in dieser Nacht gegen die Republik conspirirt und Sie der Gefangenschaft zu entziehen gesucht, die Ihnen in Erwartung der Strafe für Ihre Verbrechen, von den Willen des Volkes auferlegt worden ist. Sprechen Sie wußten Sie, daß man conspirirte?«
Marie bebte bei dem Tone dieser Stimme, die sie zu fliehen schien, indem sie, so viel sie konnte, auf ihren Stuhle zurückwich. Doch sie antwortete eben so wenig auf diese Frage, als aus die zwei andern, ebenso wenig Santerre, als dem Municipal.
»Sie wollen also nicht antworten?« rief Santerre heftig mit dem Fuße stampfend.
Die Gefangene nahm ein drittes Buch vom Tische.
Santerre wandte sich um: die rohe Macht dieses Menschen der achtzig tausend Mann befehligte und nur eine Geberde nöthig gehabt hatte, um die Stimme des sterbenden Ludwig XVI. zu bedecken, brach sich an der Würde einer armen Gefangenen, deren Kopf er ebenfalls fallen machen konnte, die er aber nicht zu beugen vermochte.
«Und Sie, Elisabeth!« sprach er zu der andern Frau, welche einen Augenblick ihre Stickerei unterbrochen hatte, um die Hände zu falten und zu beten, nicht zu diesen Menschen, sondern zu Gott, »werden Sie antworten?«
»Ich weiß nicht, was Sie fragen, und kann Ihnen folglich nicht antworten,« erwiderte sie.
»Ei, Mord und Tod! Bürgerin Capet,« versetzte Santerre ungeduldig, »es ist doch klar, was ich sage. Ich sage, daß man,gestern einen Versuch gemacht hat, um Euch entweichen zu lassen, und daß Ihr die Schuldigen kennen müßt.«
»Wir haben keine Verbindung mit Außen und können also weder wissen, was man für uns thut, noch was man gegen uns thut.«
»Es ist gut,« sprach der Municipal, »wir wollen einmal sehen, was Dein Neffe sagt.«
Und er näherte sich dem Bette des jungen Dauphin.
Bei dieser Drohung erhob sich Marie Antoinette plötzlich und rief:
»Mein Herr, mein Sohn ist krank und schläft. . . wecken Sie ihn nicht auf.«
»So antworte.«
»Ich weiß nichts.«
Der Municipal ging gerade auf das Bett des kleinen Gefangenen zu, der sich, wie gesagt, stellte, als schliefe er.
»Auf! Aus! erwache, Capet,« sagte er und schüttelte den Kleinen ungeschlacht am Arme.
Das Kind öffnete die Augen und lächelte.
Die Municipale umgaben sodann sein Bett.
Von Schmerz und Furcht bewegt, machte die Königin ihrer Tochter ein Zeichen; diese benutzte den günstigen Augenblick, schlüpfte in ein anstoßendes Zimmer, öffnete eine von den Mündungen des Ofens, zog ein Billet heraus, verbrannte es, kehrte dann sogleich in das Zimmer zurück und beruhigte ihre Mutter mit einem Blicke.
»Was wollt Ihr von mir?« fragte das Kind.
»Wissen, ob Du in dieser Nacht nichts gehört hast?«
»Nein, ich habe geschlafen.«
»Du liebst es sehr, zu schlafen, wie es scheint.«
»Ja, weil ich träume, wenn ich schlafe.«
»Und was träumst Du?«
»Daß ich meinen Vater wiedersehe, den Ihr getötet habt.«
»Du hast also nichts gehört?« fragte ungestüm Santerre.
»Nichts.«
»Diese jungen Wölfe sind in der That sehr gut mit der Wölfin einverstanden,« sprach der wüthende Municipal »und es hat dennoch ein Complott stattgefunden.«
Die Königin lächelte.
»Die Oesterreicherin verspottet uns,« rief der Municipal. »Nun wohl, da dem so ist, so wollen wir das Decret der Gemeinde in seiner ganzen Strenge vollziehen Erhebe Dich, Capet.«
»Was wollt Ihr machen?« rief die Königin, die sich selbst vergaß. »Seht Ihr nicht, daß mein Sohn krank ist, daß er das Fieber hat? Wollt Ihr ihm denn den Tod bereiten?«
»Dein Sohn,« entgegnete der Municipal, »ist ein Gegenstand beständiger Unruhe für den Rath des Temple. Er ist ein Zielpunkt aller Verschwörungen. Man schmeichelt sich mit der Hoffnung, Euch insgesammt zu entführen. Nun wohl, man komme. Tison!. . . Ruft Tison.«
Tison war ein Taglöhner, der die gemeineren Hausgeschäfte im Temple zu verrichten hatte. Er kam.
Es war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, von dunkler Hautfarbe, mit einem rohen Gesichte und schwarzen, struppigen Haaren, welche bis aus die Augbrauen Herabfielen.
»Tison,« sprach Santerre, »wer hat gestern den Gefangenen Speise gebracht?«
Tison nannte einen Namen.
»Und wer brachte ihnen ihr Weißzeug?«
»Meine Tochter.«
»Deine Tochter ist also Wäscherin?«
»Gewiß.«
»Und Du hast ihr die Kundschaft der Gefangenen gegeben?«
»Warum nicht? Eben so gut, daß sie das gewinnt, als wenn es eine Andere gewinnen würde. Es ist nicht mehr das Geld der Tyrannen, sondern das der Nation, da die Nation für sie bezahlt.«
»Man hat Dich beauftragt, die Wäsche sorgfältig zu untersuchen.«
»Nun! entledige ich mich nicht meiner