Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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Mittwoch kommt ein Brief, er empfängt ihn aus meinen Händen. Ich hatte die Schrift erkannt.«

      »Nun?«

      »Monseigneur liest ihn und ruft: »»Geschwinde, meine Pferde! meine Waffen!««

      »Ah! mein Gott!« sagte d’Artagnan, »abermals ein Duell?«

      »Nein, gnädiger Herr; der Brief enthielt nur die Worte: »»Lieber Porthos, begebt Euch auf den Weg, wenn Ihr vor Nachtgleiche ankommen wollt. Ich erwarte Euch.««

      »Mordioux!« murmelte d’Artagnan träumerisch, »das ist dringend, wie es scheint.«

      »Ich glaube wohl . . . Und so reiste Monseigneur noch an demselben Tag mit seinem Secretaire ab, um wo möglich zu rechter Zeit einzutreffen.«

      »Und er ist wohl zu rechter Zeit angekommen?«

      »Ich hoffe es. Monseigneur, der, wie Ihr wißt, sehr rüstiger Natur ist, wiederholte unabläßig: »»Donner Gottes, was ist denn das, Nachtgleiche? Teufel! das muß gut beritten sein, wenn es vor mir ankommen soll.««

      »Und Du glaubst, daß Porthos zuerst eingetroffen ist?« fragte d’Artagnan.

      »Ich bin dessen sicher. Nachtgleiche, so reich das auch sein mag, hat gewiß keine Pferde, wie Monseigneur.«

      D’Artagnan bezwang seine Lachlust, weil ihm die Kürze des Briefes von Aramis viel zu denken gab. Er folgte Mousqueton, oder vielmehr dem Karren von Mousqueton bis ins Schloß und setzte sich an eine üppig bestellte Tafel, deren Honneurs man ihm wie einem König machte. Doch er vermochte nicht mehr aus Mousqueton herauszubringen. Der treue Diener weinte nach Herzenslust und das war Alles.

      Nachdem d’Artagnan eine Nacht in einem vortrefflichen Bett zugebracht hatte, träumte er viel über den Sinn des Briefes von Aramis, beunruhigte er sich über die Beziehungen der Nachtgleiche zu den Angelegenheiten von Porthos, und da er nichts begriff, wenn nicht, daß es sich um ein Liebschäftchen des Bischofs handelte, für welches die Tage nothwendig den Nächten gleich sein müßten, so verließ d’Artagnan Pierrefonds, wie er Melun, wie er das Schloß des Grafen de la Fère verlassen hatte. Dies geschah jedoch nicht ohne eine Schwermuth, welche mit Fug und Recht für eine der düstersten Launen von d’Artagnan gelten konnte. Den Kopf gesenkt, das Auge stier, ließ er seine Beine auf beiden Seiten seines Pferdes herabhängen und sagte zu sich selbst in jener schwankenden Träumerei, welche zuweilen bis zur erhabensten Beredtsamkeit aufsteigt:

      »Keine Freunde, keine Zukunft, nichts mehr! Meine Kräfte sind gebrochen, wie der Bund unserer vergangener Freundschaft! Oh! das Alter kommt, kalt, unerbittlich; es hüllt in seinen Trauerflor Alles, was in meiner Jugend glänzte, duftete; dann wirft es diese sanfte Bürde auf seine Schulter und trägt sie mit dem Uebrigen in den bodenlosen Abgrund des Todes.«

      Ein Schauer schnürte dem Gascogner, der gegen alle Unglücksfälle des Lebens so stark und muthig war, das Herz zusammen, einige Augenblicke schienen ihm die Wolken schwarz, kam ihm die Erde schlüpfrig und thonig vor, wie die der Friedhöfe.

      »Wohin gehe ich? . . . « sagte er zu sich selbst; »was will ich machen? . . . Allein, ganz allein, ohne Familie, ohne Freunde . . . Bah!« rief er plötzlich.

      Und er gab beide Sporen seinem Rosse, das, da es keine Schwermuth in dem kräftigen Hafer von Pierrefonds gefunden hatte, die Erlaubniß benützte, seine Heiterkeit durch ein Galopptempo zu zeigen, welches zwei Meilen fortwährte.

      »Nach Paris!« sagte d’Artagnan zu sich selbst.

      Und am andern Tag stieg er in Paris ab.

      Er hatte zehn Tage zu dieser Reise gebraucht.

       V.

      Was d’Artagnan in Paris machte

      Der Lieutenant stieg vor einem Laden der Rue des Lombards mit dem Schild zum goldenen Mörser ab. Ein Mann von gutem Aussehen, der eine weiße Schürze trug und seinen grauen Schnurrbart mit einer dicken, kräftigen Hand streichelte, stieß einen Freudenschrei aus, als er den Schecken erblickte.

      »Herr Chevalier,« sagte er, »ah! Ihr seid es.«

      »Guten Morgen, Planchet,« erwiederte d’Artagnan, der sich bückte, um in den Laden einzutreten.

      »Geschwinde, herbei, Ihr Leute,« rief Planchet, »Einer für das Pferd von? Herrn d’Artagnan, Einer für sein Zimmer, Einer für sein Abendbrod!«

      »Ich danke, Planchet, guten Morgen, meine Kinder,« sagte d’Artagnan zu den eifrigen Ladenburschen.

      »Ihr erlaubt, daß ich diesen Kaffee, diesen Zuckersyrup und diese gekochten Weinbeeren besorge?« sagte Planchet, »sie sind für die Küche des Herrn Oberintendanten bestimmt.«

      »Besorge es immerhin.«

      »Es ist in einem Augenblick geschehen, dann speisen wir zu Nacht.«

      »Mache, daß wir allein speisen,« sagte d’Artagnan, »ich habe, mit Dir zu sprechen.«

      Planchet schaute seinen ehemaligen Herrn auf eine bezeichnende Weise an.

      »Oh! sei unbesorgt, es ist nur Angenehmes,« bemerkte d’Artagnan.

      »Desto besser! desto besser.«

      Und Planchet athmete, während d’Artagnan sich ganz einfach im Laden auf einen Ballen Pfröpfe setzte und sich die Oertlichkeit betrachtete . . . Der Laden war gut ausgestattet! man athmete den Duft von Ingwer, Zimmt und gemahlenem Pfeffer ein, der d’Artagnan niesen machte.

      Glücklich, an der Seite eines so berühmten Kriegsmannes, eines Lieutenants der Musketiere zu sein, der der Person des Königs nahe stand, arbeiteten die Ladenbursche mit einer Begeisterung, die an Wahnsinn grenzte, und bedienten die Kunden mit einer verächtlichen Hast, welche mehr als einem derselben auffiel.

      Planchet strich das Geld ein und machte seine Rechnungen, in denen er sich durch Artigkeiten unterbrach, welche an die Person seines alten Herrn adressirt waren. Planchet bediente sich gegen seine Kunden der kurzen Sprache und der stolzen Vertraulichkeit des reichen Kaufmanns, der Jedermann bedient, aber Niemand erwartet. D’Artagnan bemerkte dieses Benehmen mit einem Vergnügen, das wir später auseinandersetzen werden. Er sah allmälig die Nacht kommen, und endlich führte ihn Planchet in ein Zimmer des ersten Stocks, wo unter Ballen und Kisten ein sehr reinlich gedeckter Tisch die zwei Gäste erwartete.

      D’Artagnan benützte einen Augenblick des Zögerns, um Planchet anzuschauen, den er seit einem Jahr nicht gesehen hatte. Der verständige Planchet hatte an Bauch zugenommen, aber sein Gesicht war nicht aufgedunsen. Sein glänzender Blick spielte noch mit Leichtigkeit in seinen tiefen Augenhöhlen, und das Fett, das alle charakteristischen Erhabenheiten des menschlichen Gesichtes nivellirt, hatte weder seine hervorspringenden Backenknochen, das Merkmal der List und der Gierde, noch sein spitziges Kinn, das Merkmal der Schlauheit und Beharrlichkeit, erreicht. Planchet thronte mit eben so viel Majestät im Speisezimmer, als im Laden. Er bot seinem ehemaligen Herrn ein einfaches Mahl, aber ein Pariser Mahl: den Braten, im Ofen des Bäckers fertig gemacht, mit den Gemüsen, den Salat und den Nachtisch aus dem Laden selbst genommen. D’Artagnan war sehr zufrieden, daß der Spezereihändler hinter einem Fasse eine Flasche Anjou-Wein hervorzog, was während des ganzen Lebens von d’Artagnan dessen Lieblingswein gewesen.

      »Früher, gnädiger Herr,« sagte er mit einem treuherzigen Lächeln, »früher war ich es, der Euren Wein trank, nun seid Ihr es, der den meinen trinkt.«

      »Und, Gott sei Dank, Planchet, ich werde ihn, wie ich hoffe, noch lange trinken, denn jetzt bin ich frei.«

      »Frei! Ihr habt einen Urlaub, Herr?«

      »Einen unbeschränkten!«

      »Ihr verlaßt den Dienst?« fragte Planchet erstaunt.

      »Ja, ich ruhe aus.«

      »Und der König?« rief Planchet, der nicht glauben konnte, der König vermöchte der Dienste eines Mannes wie d’Artagnan zu entbehren.

      »Der König wird anderswo sein Glück suchen . . . Doch wir haben gut zu Nacht gespeist,


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