Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма


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sie vergessen, Planchet.«

      »Ja, diejenigen, welche sie nicht gesehen haben oder nie von Grimaud erzählen hörten.«

      »Nun, desto besser, da Du Dich aller dieser Dinge entsinnst, so brauche ich Dich nur an Eines zu erinnern, daran, daß König Karl I. einen Sohn hatte.«

      »Er hatte sogar zwei, ohne Euch Lügen strafen zu wollen, Herr,« entgegnete Planchet, »denn ich habe den zweiten, den Herrn Herzog von York, eines Tags in Paris gesehen, als er sich in’s Palais-Royal begab, und man versicherte mich damals, es wäre dies der zweite Sohn von König Karl I. Was den ältesten betrifft, so habe ich nur die Ehre, ihn dem Namen nach, nicht aber von Gesicht zu kennen.«

      »Das ist es gerade, worauf wir kommen müssen, Planchet: nämlich auf den ältesten Sohn, der früher Prinz von Wales hieß und sich nun Karl II. König von England nennt.«

      »König ohne Königreich, Herr,« sprach Planchet mit gewichtiger Miene.

      »Ja, Planchet, und Du kannst beifügen, ein unglücklicher Prinz, unglücklicher, als ein in dem elendesten Quartier von Paris verlorener Mensch aus dem Volk.«

      Planchet machte eine Geberde voll jenes alltäglichen Mitleids, das man den Fremden bewilligt, von denen man denkt, man werde nie mit ihnen in Berührung kommen. Dabei sah er in dieser politisch sentimentalen Operation keinen Handelsgedanken von Herrn d’Artagnan zum Vorschein kommen, und ein solcher Gedanke war es hauptsächlich, worauf er wartete. D’Artagnan, der die Dinge und die Menschen zu begreifen gewohnt war, begriff auch Planchet.

      »Ich komme zur Sache,« sagte er. »Dieser junge Prinz, dieser König ohne Königreich, wie Du richtig bemerktest, hat mich sehr interessirt. Ich, d’Artagnan, habe ihn bei Mazarin, der ein Knauser, um Beistand, bei Ludwig, der ein Kind ist, um Hilfe stehen sehen, und mir, der ich mich darauf verstehe, kam es vor, als ob in diesem verständigen Auge des entsetzten Königs, in dem Adel seiner ganzen Person, der über all seinem Unglück oben schwimmen geblieben ist, Stoff zu einem Mann von Herz und zu einem König läge.«

      Planchet billigte stillschweigend: dies Alles gab, wenigstens in seinen Augen, noch keine Aufklärung über die Idee von d’Artagnan. Der Musketier fuhr fort:

      »Ich habe nun folgendermaßen geurtheilt. Höre wohl, Planchet, denn wir nähern uns dem Schluß.«

      »Ich höre.«

      »Die Könige sind nicht so dicht auf der Erde gesät, daß sie die Völker da finden, wo sie ihrer bedürfen. Dieser König ohne Königreich aber ist meiner Ansicht nach ein vorbehaltenes Korn, das in irgend einer Jahreszeit zur Blüthe gelangen muß, vorausgesetzt, daß es eine geschickte, discrete und kräftige Hand, den Boden, den Himmel und den Zeitpunkt auswählend, einsät.«

      Planchet billigte immer mit dem Kopf, und dies bewies, daß er immer noch nicht begriff.

      »Armes, kleines Königskorn! sagte ich zu mir selbst, und in der That, ich war wirklich gerührt, Mancher, was mich auf den Gedanken bringt, ich gehe mit einer Dummheit um, und deshalb wollte ich Dich um Rath fragen, mein Freund.«

      Planchet erröthete vor Vergnügen und Stolz.

      »Armes, kleines Königskorn! ich hebe dich auf und will dich in eine gute Erde werfen.«

      »Ah! mein Gott,« rief Planchet, indem er seinen alten Herrn starr anschaute, als zweifelte er an dem Zustand seiner Vernunft.

      »Nun, was?« fragte d’Artagnan, »was verletzt Dich?«

      »Mich, nichts, gnädiger Herr.«

      »Du hast gesagt: »»Ah! mein Gott!««

      »Ihr glaubt?«

      »Ich bin dessen sicher. Solltest Du schon begreifen?«

      »Ich gestehe, Herr d’Artagnan, ich habe bange . . . «

      »Zu begreifen?«

      »Ja.«

      »Zu begreifen, ich wolle Karl II., der keinen Thron mehr hat, wieder den Thron besteigen machen? Ist es so?«

      Planchet sprang auf eine ganz wunderbare Weise von seinem Stuhle auf und rief:

      »Ah! ah! das nennt Ihr also eine Restauration?«

      »Ja, Planchet, nennt man die Sache nicht so?«

      »Allerdings, allerdings. Aber habt Ihr Euch auch wohl überlegt?«

      »Was?«

      »Das, was dort ist.«

      »Wo?«

      »In England.«

      »Und was ist dort, Planchet?«

      »Vor Allem, gnädiger Herr, bitte ich Euch um Verzeihung, wenn ich mich in diese Dinge mische, welche nichts mit meinem Handel gemein haben: doch da Ihr mir ein Geschäft vorschlagt . . . denn nicht wahr, Ihr schlagt mir ein Geschäft vor?«

      »Ein herrliches, Planchet.«

      »Doch da Ihr mir ein Geschäft vorschlagt, so habe ich das Recht, zu bestreiten.«

      »Streite, Planchet; aus dem Streite geht das Licht hervor.«

      »Nun wohl, da es mir der gnädige Herr erlaubt, so sage ich ihm, daß es dort vor Allem die Parlamente gibt.«

      »Sodann die Armee.«

      »Gut. Siehst Du noch etwas?«

      »Hernach die Nation.«

      »Ist das Alles?«

      »Die Nation, welche zum Sturz und zur Enthauptung des seligen Königs, des Vaters von diesem, eingewilligt hat und sich nicht wird Lügen strafen wollen.«

      »Planchet, mein Freund,« sprach d’Artagnan, »Du urtheilst wie ein Käse! Die Nation . . . die Nation ist müde dieser Herren, welche barbarische Namen führen und ihr Psalmen vorsingen. Wenn es einmal gesungen sein soll, mein lieber Planchet, so habe ich bemerkt, daß die Nationen lieber ein lustiges Lied als einen Choral singen. Erinnere Dich der Fronde, wie hat man damals gesungen? Und das war die gute Zeit!«

      »Nicht zu sehr, nicht zu sehr, denn ich wäre beinahe gehenkt worden.«

      »Aber man hat Dich wirklich gehenkt?«

      »Nein.«

      »Und unter all diesen Liedern hat Dein Glück seinen Anfang genommen.«

      »Das ist wahr.«

      »Du hast also nichts zu sagen?« »Doch! ich komme auf die Armee und die Parlamente zurück.«

      »Ich habe gesagt, ich entlehne zwanzigtausend Livres von Herrn Planchet und ich füge zwanzigtausend Livres von meiner Seite bei; mit diesen vierzigtausend Livres bringe ich eine Armee auf die Beine.«

      Planchet faltete die Hände; er sah, daß d’Artagnan ernsthaft war, und glaubte ganz treuherzig, sein Herr habe den Verstand verloren.

      »Eine Armee! . . . ah! gnädiger Herr,« erwiederte er mit seinem freundlichsten Lächeln, aus Furcht, diesen Narren zu reizen und einen Wüthenden aus ihm zu machen. »Eine Armee . . . von wie viel?«

      »Von vierzig Mann,« antwortete d’Artagnan.

      »Vierzig gegen vierzigtausend, das ist nicht genug. Ich weiß wohl, Ihr seid für Euch allein so viel werth als tausend, Herr d’Artagnan; doch wo werdet Ihr neun und dreißig Männer finden, welche Euch an Werth gleichkommen, oder wenn Ihr sie findet, wer wird Euch das Geld geben, um sie zu bezahlen?«

      »Nicht schlecht, Planchet. Ah! Teufel, Du wirst ein Höfling.«

      »Nein, gnädiger Herr, ich sage, was ich denke, und deshalb sage ich, daß ich bange habe vor dem ersten regelmäßigen Treffen, das Ihr mit Euren vierzig Mann liefern werdet.«

      »Ich werde auch kein regelmäßiges Treffen liefern, mein lieber Planchet,« erwiederte der Gascogner lachend. »Wir haben im Alterthum sehr schöne Beispiele von klugen Rückzügen und Märschen, welche darin bestanden, daß man den Feind vermied, statt ihn anzugreifen. Du mußt das wissen, Planchet, Du, der Du die Pariser an dem Tag befehligtest, wo sie sich hätten gegen die Musketiere schlagen sollen, und der Du die Märsche


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