Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
daß wir das Böse nicht gut machen, sondern es rächen.«
»Oh. Herr von Villefort!« rief eine hübsche junge Person, die Tochter des Grafen von Salvieux und eine Freundin von Fräulein von Saint-Meran, »suchen Sie, so lange wir in Marseille sein werden. einen schönen Prozeß zu bekommen. Ich habe nie einen Assissenhof gesehen, und man sagt, es sei etwas Seltsames.«
»In der Tat. sehr seltsam. mein Fräulein.« erwiderte der Substitut. »denn statt einer scheinbaren Tragödie findet man ein wirkliches Drama; statt gespielter Schmerzen sind es wirkliche Schmerzen. Statt wenn der Vorhang herabgelassen ist, nach Hause zu gehen, mit seiner Familie zu Nacht zu speisen und sich ruhig niederzulegen, um am andern Tage wieder anzufangen, kehrt dieser Mensch in das Gefängnis zurück, wo er den Henker findet. Sie sehen. daß es für nervige Personen. welche Aufregungen suchen. kein Schauspiel gibt, das diesem gleichkommt. Seien Sie unbesorgt, mein Fräulein, wenn sich Gelegenheit zeigt, werde ich es Ihnen verschaffen.«
»Er macht uns beben und lacht dabei!« sprach Renée erbleichend.
»Was wollen Sieg es ist ein Zweikampf . . . Ich habe schon fünf oder sechsmal die Todesstrafe bei politisch Angeklagten verlangt . . . Wer weiß, wie viele Dolche zu dieser Stunde im Schatten geschliffen werden oder gegen mich gerichtet sind?l«
»Oh! mein Gott!« rief Renée düster, »sprechen Sie im Ernste, Herr von Villefort?«
»In vollem Ernste, mein Fräulein.« erwiderte der Beamte lächelnd. »Und durch die schönen Prozesse, welche das Fräulein wünscht, um seine Neugierde zu befriedigen, und welche ich wünsche, um meinen Ehrgeiz zu befriedigen, wird sich die Lage der Dinge nur erschweren. Glauben Sie, daß diese Soldaten von Napoleon, gewohnt blindlings dem Feinde entgegen zu gehen, überlegen, wenn sie eine Patrone abbrennen oder mit dein Bajonnette angreifen? Werden sie mehr überlegen, um einen Mann zu töten, den sie für ihren persönlichen Feind halten, als um einen Russen, einen Oesterreicher oder einen Ungarn zu töten, den sie nie zuvor gesehen haben? Überdies muß das so sein, sonst hätte unser Handwerk keine Entschuldigung. Ich selbst, wenn ich in dem Auge des Angeschuldigten den leuchtenden Blitz der Rache zucken sehe, fühle mich ermutigt, begeistert; es ist nicht mehr ein Prozeß, es ist ein Kampf; ich fechte gegen ihn, er macht seine Stöße, ich mache meine Gegenstöße, und der Kampf endigt, wie alle Kämpfe, durch einen Sieg oder durch eine Niederlage. Das nennt man plaidiren! das ist die Gefahr, welche die Beredsamkeit bildet. Ein Angeschuldigter, der mir nach meiner Replique zu. lächeln würde, machte mich glauben, ich hätte schlecht gesprochen, was ich gesagt, wäre matte kraftlos, ungenügend gewesen. Denken Sie an das Gefühl des Stolzes, das einen von der Schuld des Angeklagten überzeugten Staatsanwalt erfaßt, wenn er den Schuldigen unter dem Gewichte der Beweise, unter den Blitzen seiner Beredsamkeit sich niederbeugen sieht, dieser Kopf beugt sich, er wird fallen.«
Renée stieß einen leichten Schrei aus.
»Das heiße ich sprechen.« sagte einer von den Gästen.
»Das ist ein Mann, wie man ihn in unseren Zeiten braucht,« rief ein Anderer.
»Bei Ihrer letzten Angelegenheit.« sprach ein Dritter, »sind Sie auch vortrefflich gewesen, Herr von Villefort, Sie wissen, der Mann, der seinen Vater ermordet hatte. Sie haben ihn buchstäblich getötet, ehe ihn der Henker nur berührte.
»Ah! für Vatermörder, das lasse ich mir gefallen.« versetzte Renée. »es gibt keine Strafe. welche für solche Menschen groß genug wäre; aber für die unglücklichen politisch Angeklagten!« . . .
»Das ist noch schlimmer, Renée, denn der König ist der Vater der Nation, und den.König stürzen oder umbringen wollen, heißt den Vater von zwei und dreißig Millionen Menschen umbringen wollen.«
»Oh! das ist gleich. Herr von Villefort,« entgegnete Renée. »Sie versprechen mir Nachsicht für diejenigen. welche ich Ihnen empfehlen werde?«
»Seien Sie unbesorgt,« erwiderte Herr von Villefort mit seinem reizendsten Lächeln, »wir machen meine Requisitorien mit einander.«
»Meine Liebe.« sprach die Marquise. »kümmere Dich um Deine Vögel und um Deine Hündchen. und lasse Deinen zukünftigen Gatten seine Geschäfte abmachen. Heute ruhen die Waffen und die bürgerliche Amtstracht steht im Ansehen; es gibt darüber ein lateinisches Wort von großem Gewicht.«
»Cedant arma togae,« sprach Herr von Villefort sich verbeugend.
»Ich wagte es nicht, Lateinisch zu sprechen.« versetzte die Marquise.
»Ich glaube, ich würde es vorziehen, wenn Sie ein Arzt wären,« sprach Renée; oder Würgengel, obgleich er ein Engel ist, hat mich stets erschreckt.«
»Gute Renée murmelte Villefort und schaute dabei das Mädchen mit einem liebevollen Blicke an.
»Meine Tochter.« sagte der Marquis, »Herr von Villefort wird der moralische und politische Arzt dieser Provinz werden; glaube mir, es ist ihm eine schöne Rolle übertragen.«
»Und das wird das Mittel sein, diejenige vergessen zu machen, welche sein Vater gespielt hat.« fügte die unverbesserliche Marquise bei.
»Madame,« versetzte Villefort mit einem traurigen Lächeln. »ich habe bereits die Ehre gehabt. Ihnen zu bemerken, daß mein Vater, ich hoffe es wenigstens, die Irrthümer seiner Vergangenheit abgeschworen hat, daß er ein eifriger Freund der Ordnung und der Religion, vielleicht ein besserer Royalist, als ich bin, geworden ist, denn er ist es mit Reue und ich bin es nur mit Leidenschaft.«
Nach dieser abgerundeten Phrase schaute Villefort die Gäste an, um die Wirkung seiner Rede zu beobachten, wie er nach einer gleichbedeutenden Phrase im Gerichtssaale die Zuhörer angeschaut haben würde.
»Mein lieber Villefort,« versetzte der Graf von Salvieux, »das ist gerade, was ich vorgestern einem Minister des königlichen Hauses antwortete, der sich ein wenig Auskunft von mir über die seltsame Verbindung zwischen dem Sohne eines Girondisten und der Tochter eines Offiziers von der Armee von Condé erbat, und der Minister begriff es ganz wohl, dieses System der Vermischung ist das von Ludwig XVIII. Der König. welcher unser Gespräch, ohne daß wir es vermuteten, anhörte, unterbrach uns auch und sagte:.»»Villefort (bemerken Sie wohl, der König sprach den Namen Noirtier nicht aus, sondern legte im Gegenteil einen Nachdruck auf den Namen Villefort), Villefort.«« sagte der König, »»wird seinen Weg machen; er ist ein bereits reifer junger Mann und gehört meiner Welt an. Ich habe es mit Vergnügen gesehen. daß ihn der Marquis und die Marquise von Saint-Meran zum Schwiegersohne nehmen, und ich würde ihnen diese Verbindung geraten haben, wären sie nicht zuerst gekommen, um mich um Erlaubnis zu dieser Heirat zu bitten.««
»Der.König hat dies gesagt?« rief Villefort entzückt.
»Ich wiederhole Ihnen seine eigenen Worte, und wenn der Marquis offenherzig sein will, so wird er Ihnen zugestehen, daß das, was ich Ihnen hier mitteile, vollkommen mit dem im Einklang steht, was er ihm selbst gesagt hat, als er vor sechs Monaten von einer beabsichtigten Heirat zwischen Ihnen und seiner Tochter sprach.«
»Das ist wahr,« sagte der Marquis.
»Oh! ich habe also diesem guten Fürsten Alles zu verdanken! Was werde ich nicht tun, um ihm zu dienen!«
»So ist es gut,« sprach die Marquise, »so liebe ich Sie: es erscheine in diesem Augenblick ein Meuterer, und er wird willkommen sein.«
»Und ich, meine Mutter,« sagte Renée, »ich bitte Gott, er möge Sie nicht hören, und Herrn von Villefort nur kleine Diebe, schwache Bankerottirer und schüchterne Betrüger schicken, dann kann ich ruhig schlafen.«
»Das ist gerade,« versetzte Villefort, »als ob Sie einem Arzte Migränen, Röteln und Wespenstiche, Dinge welche nicht mehr als die Oberhaut gefährden, wünschen würden; wenn Sie mich als Staatsanwalt sehen wollen, so wünschen Sie mir im Gegenteil furchtbare Krankheiten deren Heilung dem Arzte Ehre macht.«
In diesem Augenblick, als hätte der Zufall nur das Aussprechen des Wunsches von Villefort abgewartet, damit dieser Wunsch in Erfüllung ginge, trat ein Kammerdiener ein und sagte ihm einige Worte in das Ohr. Villefort stand sich entschuldigend vom Tische auf und kam einige Minuten nachher mit heiterem Antlitz und lächelnden Lippen wieder