Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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schreite ich frei und unabhängig in der Geschichte umher, so erinnere ich mich nicht mehr, daß ich ein Gefangener bin.«

      »Aber die Tinte?« sprach Edmond, »womit haben Sie sich Tinte gemacht?«

      »Früher war ein Kamin in meinem Gefängnisse,« sagte Faria, »dieser Kamin wurde ohne Zweifel einige Zeit vor meiner Ankunft verstopft, aber man hatte wohl viele Jahre lang Feuer darin gemacht, und so ist das ganze Innere mit Ruß bedeckt. Ich löse diesen Ruß mit einer Portion Wein auf, den man mir jeden Sonntag gibt, und das liefert mir vortreffliche Tinte. Für besondere Noten, welche die Augen auf sich ziehen sollen, steche ich mir die Finger auf und schreibe mit meinem Blut.«

      »Und wann kann ich alles Dies sehen?« fragte Dantes.

      »Wann Sie wollen,« antwortete Faria.

      »Oh, sogleich!« rief der junge Mann.

      »Folgen Sie mir also, sagte der Abbé. und kehrte in den unterirdischen Gang zurück, wo er verschwand. Dantes folgte ihm.

       Siebzehntes Kapitel.

      Das Zimmer des Abbé

      Nachdem Dantes, sich bückend, aber doch mit ziemlicher Leichtigkeit, den unterirdischen Gang durchschritten hatte, gelangte er an das entgegengesetzte Ende der Aushöhlung, welche in das Zimmer des Abbé führte. Hier verengte sich der Gang. und bot kaum Raum genug, daß ein Mann kriechend hineinschlüpfen konnte. Das Zimmer des Abbé war mit Platten belegt. Eine in dem dunkelsten Winkel liegende Matte aufhebend, hatte der Abbé, die mühsame Arbeit begonnen, an deren Ende er mit Dantes zusammengetroffen war.

      Sobald der junge Mann innen war und sich wieder aufgerichtet hatte, betrachtete er das geheimnisvolle Zimmer mit der größten Aufmerksamkeit. Bei dem ersten Blicke bot sich ihm nichts Besonderes dar.

      »Gut,« sprach der Abbé, »es ist erst ein Viertel auf ein Uhr, und wir haben noch ein paar Stunden vor uns.«

      Dantes schaute umher und suchte, auf welcher Uhr der Abbé die Stunde hatte so genau lesen können.

      »Schauen Sie diesen Strahl des Tages an, der durch mein Fenster dringt, und sehen Sie an der Wand die Linien, die ich gezogen habe, Mittelst dieser Linien. welche mit der doppelten Bewegung der Erde und der Ellipse, die sie um die Sonne beschreibt, combinirt sind, weiß ich die Stunde genauer, als wenn ich eine Uhr hätte, denn die Uhr geräth in Unordnung, während die Sonne um die Erde nie in Unordnung geraten.«

      Dantes verstand nichts von dieser Erklärung. Wenn er die Sonne hinter den Bergen aufgehen und im mittelländischen Meere untergehen sah, glaubte er immer, sie gehe, und nicht die Erde; die doppelte Bewegung des Erdballs, den er bewohnte, schien ihm beinahe unmöglich. In jedem Worte des Abbé sah er wissenschaftliche Geheimnisse, welche so wunderbar bei ihrem Ergründen waren, als die Gold- und Diamantbergwerke, die er auf einer Reise, welche er als Kind nach Huzarate und nach Golconda gemacht, besucht hatte.

      »Ich bitte,« sprach er zum Abbé, »es drängt mich, Ihre Schätze zu betrachten.«

      Der Abbé ging nach dem Kamine, und hob mit dem Meißel. den er beständig in der Hand hielt, den Stein auf, welcher einst den Herd bildete und nun eine ziemlich tiefe Aushöhlung verbarg, in der alle Gegenstände eingeschlossen waren, von denen er gesprochen hatte.

      »Was wollen Sie zuerst sehen?« fragte er.

      »Zeigen Sie mir Ihr großes Werk über das Königreich Italien.«

      Faria zog aus dem kostbaren Schranke drei bis vier wie Papyrusblätter um einander gewundene Leinwandrollen hervor. Es waren ungefähr vier Zoll breite und achtzehn Zoll lange Bänder. Diese nummerierten Bänder waren mit einer Schrift bedeckt, welche Dantes zu lesen vermochte, denn sie war in der Muttersprache des Abbé geschrieben, das heißt in der italienischen, einem Idiome, welches Dantes als Provencal vollkommen verstand.

      »Sehen Sie,« sagte er. »Alles ist hier. Vor ungefähr acht Tagen habe ich das Wort Ende unten an das hundert und acht und sechzigste Band geschrieben. Zwei von meinen Hemden und was ich an Taschentüchern besaßt wurde dazu verwendet, und werde ich je wieder frei, und es findet sich in ganz Italien ein Drucker der mein Werk zu veröffentlichen wagt, so ist mein Ruf gemacht.«

      »Ja,« antwortete Dantes, »ich sehe es wohl. Und nun bitte ich Sie, zeigen Sie mir die Federn, mit welchen Sie dieses Werk geschrieben haben.«

      »Hier,« sprach Faria.

      Und er zeigte dem jungen Manne ein kleines, sechs Zoll langes Stäbchen etwa so dick wie der Stiel eines Haarpinsels; am Ende desselben und um dasselbe war mittelst eines Fadens, noch mit Tinte befleckt, einer von den Knorpeln angebunden, von denen der Abbé gesprochen hatte. Es war schnabelförmig zugeschnitten und wie eine gewöhnliche Feder geschlitzt.

      Dantes schaute ihn an und suchte mit den Augen nach dem Instrument, mit welchem der Abbé’ auf eine so pünktliche Weise den Knorpel geschnitten haben könnte.

      »Ah, ja, das Federmesser, nicht wahr? Das ist mein Meisterwerk. Ich habe es, so wie das Messer, welches Sie hier sehen, aus einem alten eisernen Leuchter gemacht.«

      Das Federmesser schnitt wie ein Rasirmesser, das Messer hatte den Vorteil, daß es zugleich als Messer und Dolch dienen konnte.

      Dantes untersuchte diese Gegenstände mit derselben Aufmerksamkeit, mit der er in den Raritätenhandlungen in Marseille die von Wilden verfertigten und von Schiffskapitänen aus der Südsee zurückgebrachten Werkzeuge untersucht hatte.

      »Was die Tinte betrifft,« sprach Faria, »so wissen Sie, wie ich dabei zu Werke gehe: ich mache sie nach meinem Bedürfnis.«

      »Nun staune ich nur über Eines,« sagte Dantes»»darüber, daß die Tage Ihnen für diese Arbeit genügten.«

      »Ich hatte die Nächte,« antwortete Faria.

      »Die Nächte! besitzen Sie die Natur der Katzen und sehen Sie bei der Nacht?«

      »Nein, aber Gott hat dem Menschen den Verstand gegeben, um die Armut seiner Sinne zu unterstützen. Ich habe mir Licht verschafft.«

      »Wie dies?«

      »Von dem Fleische, das man mir bringt, trenne ich das Fett, ich lasse es schmelzen und ziehe eine Art von compaktem Öl daraus? Sehen Sie hier meine Kerze.«

      Und der Abbé zeigte Dantes eine Art von Lämpchen, denjenigen ähnlich, deren man sich bei den öffentlichen Beleuchtungen bedient.

      »Aber Feuer?«

      »Hier sind zwei Kieselsteine und verbrannte Leinwand.«

      »Aber Schwefelhölzchen?«

      »Ich stellte mich, als ob ich an einer Hautkrankheit litte, und verlangte Schwefel, was man mir auch bewilligte.«

      Dantes legte die Gegenstände, welche er in der Hand hielt, auf den Tisch und neigte das Haupt, ganz niedergebeugt unter der beharrlichen Stärke dieses Geistes.

      »Das ist noch nicht Alles,« fuhr Faria fort; »denn man darf nicht alle seine Schätze in einen Versteck legen; verschließen wir dieses.«

      Sie brachten die Platte wieder an ihre Stelle; der Abbé streute etwas Staub darauf, fuhr mit seinem Fuße darüber, um jede Spur einer Unterbrechung der Staubdecke zu verwischen, ging auf sein Bett zu und rückte es von der Stelle.

      Hinter dem Kopfkissen, verborgen unter einem Stein, der dasselbe beinahe vollkommen hermetisch verschloß, war ein Loch und unter diesem Loch eine etwa fünf und zwanzig bis dreißig Fuß lange Strickleiter.

      Dantes untersuchte dieselbe; sie war von einer tadellosen Festigkeit.

      »Wer hat Ihnen die zu diesem vortrefflichen Werke erforderliche Schnur geliefert?« fragte Dantes.

      »Zuerst einige Hemden, welche ich besaß dann meine Betttücher, die ich während einer dreijährigen Gefangenschaft in Fenestrelles ausfädelte. Als man mich nach dem Castell If brachte, fand ich Mittel, das aufgefädelte Zeug mitzunehmen. Hier setzte ich meine Arbeit fort.«

      »Aber bemerkte man nicht, daß Ihre Betttücher keinen Saum mehr hatten?«

      »Ich nähte sie wieder zusammen.«

      »Womit?«

      »Mit


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