Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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denn er ließ mich mehrere Mal, in meinem Interesse, wie er sagte, geloben, mit Niemand von diesem Briefe zu sprechen, ja, er ließ mich sogar schwören, nie den auf die Adresse geschriebenen Namen auszusprechen.«

      »Noirtier?« wiederholte der Abbé, »Noirtier? Ich kannte einen Noirtier an dem Hofe der ehemaligen.Königin von Etrurien, einen Noirtier, welcher während der Revolution Girondist gewesen war. Wie hieß ihr Substitut?«

      »Von Villefort.«

      Der Abbé brach in ein Gelächter aus.

      Dantes schaute ihn erstaunt an.

      »Was haben Sie?« fragte er.

      »Sehen Sie diesen Strahl des Tageslichtes?« fragte der Abbé.

      »Ja.«

      »Alles ist mir jetzt klarer, als dieser durchsichtige, leuchtende Strahl. Armes Kind, armer junger Mann! Und dieser Beamte ist gut gegen Sie gewesen?«

      »Ja.«

      »Dieser würdige Substitut hat den Brief verbrannt, vernichtet?«

      »Ja.«

      »Dieser ehrliche Lieferant des Henkers ließ Sie schwören, nie den Namen Noirtier auszusprechen?«

      »Ja.«

      »Dieser Noirtier, armer Blinder, wissen Sie, wer dieser Noirtier war? Dieser Noirtier war sein Vater!«

      Hätte der Blitz zu den Füßen von Dantes eingeschlagen und vor ihm einen Abgrund gegraben, in dessen Tiefe sich die Hölle öffnete, es hatte seine raschere, keine elektrischere, keine niederschmetterndere Wirkung hervorgebracht, als diese unerwarteten Worte hervorbrachten. Er stand auf und nahm seinen Kopf zwischen beide Hände, als wollte er ein Zerbersten verhindern.

      »Sein Vater! sein Vater!« rief er.

      »Ja, sein Vater, der Noirtier von Villefort heißt.« versetzte der Abbé.

      Eine Leuchte durchzuckte das Gehirn des Gefangenen; was ihm bis dahin dunkel geblieben war, wurde in einem Augenblick klar wie der Tag. Die Wendungen von Villefort während des Verhörs, der vernichtete Brief, die beinahe flehende Stimme des Beamten, welcher statt zu drohen, zu bitten schien. Alles kam ihm in das Gedächtnis. Er stieß einen Schrei aus, wankte einen Augenblick wie ein Betrunkener, und stürzte dann durch die Öffnung, welche von der Zelle des Abbé in die seinige führte.

      »Oh!« sagte er, »ich muß einen Augenblick allein sein, um Alles zu überdenken.«

      Und in seinen Kelter zurückkehrend, fiel er auf sein Bett, wo ihn der Schließer am Abend sitzend, die Augen starr, das Gesicht zusammengezogen, unbeweglich und stumm wie eine Bildsäule fand.

      Während dieser Stunden des Nachsinnens, welche wie Sekunden verliefen, hatte er einen furchtbaren Entschluß gefaßt und einen schrecklichen Eid geleistet.

      Eine Stimme entzog ihn diesen Träumen, es war die des Abbé Faria, der, nachdem er ebenfalls den Besuch seines Gefangenenwärters erhalten hatte, zu Dantes kam. um ihn zum Abendbrot einzuladen. Seine Eigenschaft als anerkannter Narr und besonders als belustigender Narr gab dem alten Gefangenen einige Vorrechte. wie z. B. daß er ein wenig weißeres Brot und Sonntags ein Fläschchen Wein bekam. Es war aber gerade Sonntag, und der Abbé wollte seinen jungen Gefährten einladen, sein Brot und seinen Wein zu teilen.

      Dantes folgte ihm. Alle Linien seines Gesichtes hatten sich wieder gelegt und ihren gewöhnlichen Blaß wieder eingenommen, doch, wenn man so sagen darf, mit einer Starrheit und Festigkeit, wodurch sich ein gefaßter Entschluß ausprägt. Der Abbé schaute ihn aufmerksam an.

      »Es tut mir leid, daß ich Sie in Ihren Nachforschungen unterstützt und Ihnen gesagt habe, was ich sagte,« sprach er.

      »Warum dies?« fragte Dantes.

      »Weil ich in Ihr Herz eine Leidenschaft brachte, welche noch nicht darin war: die der Rache.«

      Dantes versetzte lächelnd:

      »Sprechen wir von etwas Anderem.«

      Der Abbé schaute ihn einen Augenblick an und schüttelte traurig den Kopf. Dann sprach er, wie ihn Dantes gebeten hatte, von andern Dingen.

      Der alte Gefangene war ein Mann, dessen Unterhaltung, wie die der Menschen, welche viel gelitten haben, zahlreiche Lehren und ein zusammengedrängtes Interesse in sich schloß; aber sie war nicht selbstsüchtig, und dieser Unglückliche sprach nie von seinen Leiden.

      Dantes hörte jedes seiner Worte mit Bewunderung: die einen standen im Zusammenhange mit den Begriffen, die er bereits besaß, und mit den Kenntnissen, welche sich auf seinen Stand als Seemann bezogen; die andern berührten unbekannte Dinge und zeigten, wie jene Nordscheine, welche die Schiffer in den südlichen Breiten erhellen, dem jungen Manne mit ihren phantastischen Lichtern beleuchtete neue Landschaften und Horizonte. Dantes begriff das Glück, dessen eine verständige Organisation teilhaftig werden müßte, wenn sie diesem erhabenen Geiste auf die moralischen, philosophischen oder gesellschaftlichen Höhen folgte, auf denen er sich zu ergehen pflegte.

      »Sie sollten mich ein wenig vor dem lehren, was Sie wissen,« sagte Dantes, und wäre es nur, damit Sie sich nicht mit mir langweilen. Es scheint mir jetzt, Sie müssen die Einsamkeit einem Gefährten ohne Bildung und ohne Bedeutung, wie ich bin, vorziehen. Willigen Sie in das ein, was ich mir von Ihnen erbitte, so mache ich mich anheischig, nicht mehr von der Flucht zu sprechen.«

      Der Abbé erwiderte lächelnd:

      »Ach, mein Kind! die menschliche Wissenschaft ist sehr beschränkt, und habe ich Sie die Mathematik, die Physik und die paar lebenden Sprachen gelehrt, die ich spreche, so wissen Sie Alles, was ich weiß., Um all dieses Wissen von meinem Geiste in den Ihrigen zu ergießen, werde ich kaum zwei Jahre brauchen.«

      »Zwei Jahre!« sprach Dantes, »Sie glauben, ich könnte alle diese Dinge in zwei Jahren lernen?«

      »In ihrer Anwendung, nein, in ihren Grundsätzen, ja; lernen ist nicht wissen. Es gibt Wissende und Gelehrte: das Gedächtnis macht die Einem die Philosophie die Andern.«

      »Aber kann man die Philosophie nicht lernen?«

      »Die Philosophie lernt sich nicht, die Philosophie ist die Vereinigung der Wissenschaften, erworben von dem Genie desjenigen, welcher sie anwendet. Die Philosophie ist die glänzende Wolke, auf welche Christus seinen Fuß gesetzt hat, um sich zum Himmel aufzuschwingen.«

      »Laffen Sie hören,« sprach Dantes, »was wollen Sie mich zuerst lehren? Es drängt mich zu beginnen, ich habe einen Durst nach Wissenschaft.«

      »Alles,« antwortete der Abbé.

      Die Gefangenen entwarfen wirklich noch an demselben Abend einen Erziehungsplan, dessen Ausführung am andern Tage begann. Dantes besaß ein wunderbares Gedächtnis, eine außerordentliche Fassungsgabe. Die mathematische Anlage seines Geistes machte ihn fähig, Alles durch Berechnung zu begreifen, während die Poesie des Seemannes das verbesserte, was die auf die Trockenheit der Zahlen und die Genauigkeit der Linien zurückgeführte und beschränkte Auseinandersetzung zu Materielles haben konnte. Er verstand überdies bereits das Italienische und etwas Neugriechisch, was er bei seinen Reifen nach dem Orient gelernt hatte. Mit diesen zwei Sprachen begriff er bald den Mechanismus aller andern, und nach Verlauf von sechs Monaten fing er an Spanisch, Englisch und Deutsch zu sprechen.

      Mag die Zerstreuung, die ihm das Studieren gewährte, einigermaßen die Freiheit ersetzt haben, oder war er ein Mann, der wie wir oben erwähnten, streng an seinem gegebenen Worte hielt, er sprach, wie er es dem Abbé Faria zugesagt, nicht mehr von der Flucht, und die Tage vergingen ihm rasch und lehrreich. Nach Verlauf eines Jahres war er ein anderer Mensch. Was den Abbé Faria betrifft, so bemerkte Dantes, daß er, trotz der Zerstreuung, die seine Gegenwart in die Gefangenen gebracht hattet täglich düsterer wurde. Ein ewiger, unabläßiger Gedanke schien seinen Geist zu belagern. Er versank in tiefe Träumereien, seufzte unwillkürlich, stand auf, kreuzte die Arme und ging finster in seinem Zimmer umher.

      Eines Tages blieb er mitten in einem von den hundertmal wiederholten Kreisen stehen, welche er in seinem Kerker beschrieb, und rief:

      »Oh! wenn keine Wache da wäre!«

      »Es wird keine Wache


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