Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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Brande versteinerten Herd halten können. Es war die Insel Tiboulen.

      Dantes erhob sich, machte ein paar Schritte vorwärts, und streckte sich aus, Gott auf den Granitspitzen dankend, welche ihm zu dieser Stunde weicher schienen, als ihm je das weichste Bett vorgekommen war. Dann entschlummerte er, trotz des Windes, trotz des Sturmes, trotz des Regens, welcher zu fallen anfing, völlig gerädert durch die Anstrengung, zu jenem köstlichen Schlummer des Menschen, dem der Körper erstarrt, dessen Seele aber mit dem Bewußtsein eines unerwarteten Glückes fortglüht. Nach einer Stunde erwachte Edmond wieder unter dem ungeheuren krachen eines Donners; der Sturm war im Raume entfesselt und peitschte die Luft mit seinem geräuschvollen Flügelschlage. Von Zeit zu Zeit fuhr ein Blitz wie eine Feuerschlange vom Himmel herab und beleuchtete die Wellen und die Wolken, welche vor einander herrollten, wie die Wogen eines unermeßlichen Chaos.

      Dantes hatte sich mit seinem Seemannsblicke nicht getäuscht: er hatte an der ersten von den zwei Inseln gelandet; welche wirklich Tiboulen ist; er wußte, daß sie kahl und öde war und nicht den geringsten Zufluchtsort bot. Wenn sich aber der Sturm gelegt hätte; würde er sich wieder in die See werfen und nach der; zwar ebenfalls unfruchtbaren; aber viel größeren und folglich gastlicheren Insel Lemaire schwimmen. Ein überhängender Felsen bot Dantes einen augenblicklichen Schutz; er flüchtete sich darunter; und beinahe gleichzeitig brach der Sturm in seiner ganzen Wut los. Edmond fühlte, wie der Fels zitterte, der ihn beschirmte; an der Base der riesigen Pyramide sich brechend; sprangen die Wellen bis zu ihm zurück. Obgleich in Sicherheit, wurde er unter diesem furchtbaren Tosen; unter diesen blendenden Blitzen von einer Art von Schwindel ergriffen; es kam ihm vor, als bebte die Insel unter ihm und würde jeden Augenblick, wie ein vor Anker liegendes Schiff; sein Kabeltau zerreißen und ihn in den ungeheuren Strudel fortziehen. Nun erinnerte er sich; daß er seit vier und zwanzig Stunden nichts gegessen; er hatte Hunger; er hatte Durst. Dantes streckte die Hände und den Kopf aus; und trank das Wasser des Sturmes aus der Höhlung des Felsen.

      Als er sich erhob; beleuchtete ein Blitz, der den Himmel bis zu dem Fuße des blendenden Thrones von Gott zu öffnen schien, den weiten Raum. Bei dem Schimmer dieses Blitzes sah Dantes; zwischen der Insel Lemaire und dem Cap Croiselle; eine Viertelstunde von sich entfernt; wie ein von der Höhe einer Welle in den Abgrund geleitetes Gespenst, ein kleines Fischerfahrzeug erscheinen; das zugleich vom Sturme und der Woge fortgetragen wurde. Eine Sekunde nachher erschien das Gespenst; mit furchtbarer Geschwindigkeit sich nähernd, auf dem Gipfel einer zweiten Welle, Dantes wollte schreien; er suchte einen Fetzen Leinwand; den er in der Luft flattern lassen könnte; um ihnen anzudeuten; daß sie ihrem Verderben entgegen gingen; aber sie sahen es wohl selbst. Bei dem Schimmer eines andern Blitzes gewahrte der junge Mann vier an den Matten und Stangen angeklammerte Männer; ein fünfter hielt sich an der Stange des zerbrochenen Steuerruders. Diese Männer, welche er sah, sahen ihn wohl ebenfalls, denn verzweiflungsvolles Geschrei, von den pfeifenden Windspitzen fortgetragen, drang an sein Ohr. Über dem wie ein Rohr gekrümmten Maste flatterte ein Segel in Fetzen. Plötzlich brachen die Bande, welche es noch zurück hielten, und es verschwand, fortgerissen in den dunkeln Tiefen des Himmels, wie jene großen weißen Vögel, die sich auf den schwarzen Wolken hervorheben.

      Zu gleicher Zeit vernahm man ein furchtbares Krachen, Todesgeschrei gelangte zu Dantes. Wie ein Sphinx an seinen Felsen geklammert, von wo er hinausschaute in die Sturmfluth, zeigte ihm der Blitz das zerschellte kleine Fahrzeuge und unter den Trümmern Köpfe mit verzweifeltem Gesicht und Arme zum Himmel emporgestreckt. Dann versank Alles in Nacht; das furchtbare Schauspiel hatte die Dauer des Blitzes gehabt.

      Dantes stürzte nach dem schlüpfrigen Abhang des Felsen, auf die Gefahr, selbst in die See zu rollen. Er schaute, er horchte, aber er hörte und sah nichts mehr: kein Geschrei, keine Anstrengung eines Menschen mehr, der Sturm allein, diese große Sache Gottes, fuhr fort mit den Winden zu brüllen und mit den Wellen zu schäumen. Nach und nach legte sich der Wind, der Himmel wälzte gegen Westen große graue, durch den Sturm gleichsam entfärbte Wolken; das Azur erschien wieder mit Sternen, welche heller funkelten als je, bald zeigte gegen Osten ein langer röthlicher Streifen am Horizont schwarzblaue Wellenlinien, die Wogen sprangen, ein rascher Schimmer lief über ihre Höhe hin und verwandelte ihre schäumenden Gipfel in eine Goldmähne. Es war der Tag.

      Dantes blieb unbeweglich und stumm vor diesem großen Schauspiel, als, erblickte er es zum ersten Male, er hatte es in der Tat seit der Zeit, die er im Castell If war, vergessen. Sich nach der Festung umwendend, befragte er mit einem Kreisblicke zugleich das Land und das Meer. Das düstere Gebäude trat aus dem Schooße der Wellen mit der eindrucksvollen Majestät der unbeweglichen Dinge hervor, welche zugleich zu bewachen und zu befehlen scheinen. Es mochte ungefähr fünf Uhr sein; das Meer beruhigte sich immer mehr. »In zwei bis drei Stunden,« sagte Edmond zu sich selbst. »wird der Schließer in mein Zimmer kommen, den Leichnam meines armen Freundes finden, ihn erkennen, mich vergebens suchen und Lärm machen. Dann wird man das Loch, die Galerie finden; man wird die Menschen befragen, welche mich in das Meer geschleudert und den Schrei, den ich ausstieß, hören mußten. Sobald die Barken mit bewaffneten Soldaten gefüllt sind, werden sie dem unglücklichen Flüchtling nachsetzen, da man wohl weiß, daß er nicht fern sein kann. Die Kanone wird die ganze Küste benachrichtigen, daß sie einem Menschen, den man umherirrend, nackt und ausgehungert finden werde, keine Zufluchtsstätte geben soll. Die Spione und Alguazils werden in Kenntnis gesetzt und durchstreifen die Küste, während der Gouverneur der Insel If das Meer durchstreift. Umstellt auf dem Wasser, abgeschnitten auf dem Lande, was soll dann aus mir werden? Ich hungere, ich friere, ich habe Alles bis auf das rettende Messer, das mir im Schwimmen hinderlich war, weggeworfen; ich bin der Gnade des nächsten Bauern preisgegeben, der gern durch meine Auslieferung zwanzig Franken verdienen möchte; ich habe weder mehr Kraft, noch einen Gedanken, noch Entschlossenheit. Oh! mein Gott! mein Gott! Siehe, ob ich genug gelitten habe, und ob Du für mich mehr tun kannst, als ich selbst für mich zu tun vermag.«

      In dem Augenblick, wo Edmond in einer Art von Delirium, veranlaßt durch die Erschöpfung seiner Kräfte und die Leere seines Gehirns, angstvoll dem Schlosse If zugewendet, dieses glühende Gebet sprach, sah er an der Spitze der Insel Pomègue; sein lateinisches Segel vom Horizont abhebend, und wie eine Möwe, welche die Wellen kreisend einherfliegt, ein kleines Fahrzeug erscheinen, in welchem nur das Auge eines Seemanns eine genuesische Tartane auf der noch dunkeln Linie des Meeres zu erkennen vermochte. Sie kam aus dem Hafen von Marseille und gewann die Höhe; indem sie den funkelnden Schaum vor dem scharfen Vorderteil hertrieb; das ihren runden Seiten eine leichtere Bahn öffnete.

      »Oh!« rief Edmond; »wenn ich bedenke, daß ich in einer halben Stunde dieses Schiff erreicht hätte, befürchtete ich nicht, befragt, für einen Flüchtling erkannt und nach Marseille zurückgeführt zu werden! Was soll ich tun? was soll ich sagen? welche Fabel soll ich erfinden, von der sie bethört werden dürften? Diese Leute sind insgesamt Schleichhändler, Halbpiraten. Unter dem Vorwande der Küstenfahrerei treiben sie Seeräuberei; sie werden mich lieber verkaufen; als eine unfruchtbare, wenn auch gute Handlung ausführen, Wir wollen warten . . . Doch das Warten ist etwas Unmögliches; ich sterbe vor Hunger; in ein paar Stunden wird das Wenige, was mir von Kraft übrig geblieben ist; vollends verschwunden sein; überdies naht die Stunde des Besuches, man hat noch nicht Lärm gemacht, vielleicht wird man nichts vermuten, ich kann mich für einen von den Matrosen des kleinen Schiffes ausgeben, das in dieser Nacht gescheitert ist, dieser Fabel wird es nicht an Wahrscheinlichkeit gebrechen. Keiner wird zurückkehren, um mir zu widersprechen, denn das Meer hat sie insgesamt verschlungen.«.

      Während Dantes diese Worte sprach, wandte er die Augen nach der Stelle, wo das kleine Schiff zerschellt war, und bebte. An dem Rande eines Felsen war die phrygische Mütze von einem der schiffbrüchigen Matrosen hängen geblieben, und’ nahe dabei schwammen einige Trümmer vom Kiel. träge Balken, die das Meer an die Base der Insel warf, an welche sie wie ohnmächtige Widder stießen.

      Der Entschluß von Dantes war auf der Stelle gefaßt, er warf sich in die See, schwamm nach der Mütze, bedeckte sich den Kopf damit, ergriff einen von den Balken. und wandte sich, um in die Linie zugelangen, welche das Schiff verfolgen mußte.

      »Nun bin ich gerettet.« murmelte er.

      Und diese Überzeugung, verlieh ihm wieder seine Kräfte. Bald erblickte er die Tartane, welche, da sie widrigen Wind hatte, zwischen dem Schlosse If und dem Thurme von


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