Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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dieser gegenseitigen Stellung gelangte man nach Livorno.

      Edmond mußte hier eine erste Probe machen: er mußte erforschen, ob er sich nach den vierzehn Jahren, die er sich nicht gesehen, selbst erkennen würde. Er hatte eine ziemlich genaue Erinnerung von dem bewahrt was der Jüngling gewesen war, und wollte nun wissen, wie es sich mit dem Manne verhielt. In den Augen seiner Kameraden war sein Gelübde erfüllt; er war bereits zwanzigmal in Livorno vor Anker gegangen. Edmond kannte einen Barbier in der San-Fernando-Straße, er trat bei ihm ein, um sich den Bart und die Haare schneiden zu lassen. Der Barbier schaute mit Erstaunen den Mann mit den langen Haaren und dem dicken schwarzen Barte an, der einem von den schönen Köpfen von Tizian glich. Es war damals noch nicht Mode, Haare und Bart in so starker Entwickelung zu tragen; heutzutage dürfte ein Barbier wohl staunen, wenn ein mit so großen körperlichen Vorzügen ausgerüsteter Mensch sich freiwillig derselben begeben würde. Der livornesische Barbier ging ohne eine Bemerkung zu machen an die Arbeit.

      Als die Operation beendigt war, als Edmond sich völlig rasiert fühlte und die Haare wieder ihre gewöhnliche Länge hatten, verlangte er einen Spiegel und beschaute sich. Er war nun, wie gesagt, drei und dreißig Jahre alt, und die vierzehn Jahre Gefängnis hatten gleichsam eine große moralische Veränderung in seinem Gesichte hervorgebracht. Dantes war in das Castell If mit dem runden, lachenden, blühenden Gesichte des glücklichen Jünglings gekommen, dem die ersten Schritte im Leben leicht gewesen sind, und der auf die Zukunft wie auf die natürliche Folge der Vergangenheit rechnet. Alles Dies hatte sich sehr verändert. Sein ovales Gesicht war länglich geworden, sein lachender Mund hatte die festen Formen angenommen, welche Entschlossenheit andeuten, seine Brauen waren unter einer einzigen nachdenklichen Falke gebogen, seine Augen hatten das Gepräge tiefer Traurigkeit angenommen, woraus zuweilen die düsteren Blitze der Misanthropie und des Hasses hervorsprangen; so lange von dem Lichte und den Sonnenstrahlen entfernt, hatte seine Gesichtshaut die matte Farbe angenommen, welche, wenn das Gesicht von schwarzen Haaren umrahmt ist, die aristokratische Schönheit der Männer des Norden bildet. Das tiefe Wissen, welches er erlangt, hatte dabei über sein ganzes Antlitz den Wiederschein einer Glorie geistiger Sicherheit verbreitet. Überdies hatte er, obgleich von Natur ziemlich hoch gewachsen, jene gedrängte Stärke eines seine Kräfte beständig in sich selbst concentrirenden Körpers erlangt. Auf die Zierlichkeit von nervigen, schlanken Formen war das Entschiedene runder, muskeliger Formen gefolgt. Die Gebete, das Schluchzen und die Verwünschungen hatten seine Stimme bald in einen Klang von seltsamer Weichheit, bald in eine rauhe, beinahe rohe Betonung verwandelt. Unablässig in einem Halblichte und in der Dunkelheit, hatten seine Augen, wie die der Hyäne und des Wolfes, die seltene Fähigkeit bekommen, die Gegenstände bei der Nacht zu unterscheiden. Edmond lächelte, als er sich sah; sein bester Freund, wenn ihm noch ein Freund übrig blieb, konnte ihn unmöglich erkennen; er erkannte sich selbst nicht mehr.

      Der Parton der jungen Amalie, dem viel daran gelegen war, einen Mann von dem Werte von Edmond unter seinen Leuten zu behalten, bot ihm einen Vorschuß auf seinen Anteil am zukünftigen Nutzen an, was Edmond auch annahm. Als er den Barbier verließ, welcher die erste Metamorphose bei ihm bewerkstelligt hatte, war es seine Hauptaufgabe, in ein Magazin zu gehen und einen vollständigen Matrosenanzug zu kaufen. Ein solcher Anzug ist bekanntlich sehr einfach; er besteht aus einer weißen Hose, einem gestreiften Hemde und einer phrygischen Mütze. In diesem Gewande erschien Edmond wieder vor dem Patron der jungen Amalie, dem er seine Geschichte wiederholen mußte. Der Patron wollte in dem zierlichen Matrosen den Mann mit dem dicken Barte und Haaren voll Seegras und mit einem von Wasser triefenden Leibe nicht erkennen, den er nackt und sterbend auf dem Verdecke seines Schiffes aufgenommen hatte. Ergriffen von seinem guten Aussehen erneuerte er Dantes seine Anwerbungsvorschläge; aber Dantes hatte seine Pläne und willigte nur auf drei Monate ein.

      Die Mannschaft der jungen Amalie benahm sich sehr thätig und gehorsam gegen die Befehle eines Patrons, der seine Zeit nicht zu verlieren gewohnt war. Kaum befand er sich acht Tage in Livorno, als die runden Flanken des Schiffes von Mousselinen. von verbotenen Baumwollenwaaren, von englischem Pulver und von Taback voll waren, auf welchen die Regie ihren Stempel zu setzen vergessen hatte. Es handelte sich darum, alles Dies ohne Hafengebühren zu bezahlen und folglich frei von jeder Visitation von Livorno wegzubringen und auf dem Gestade von Corsica auszuschiffen, wo gewisse Speculanten es übernahmen, die Ladung nach Frankreich zu schaffen. Man ging ab. Edmond durchschnitt abermals das azurblaue Meer, den ersten Horizont seiner Jugend, den er so oft in den Träumen seiner Gefangenschaft gesehen hatte. Er ließ zu seiner Rechten Gorgono, zu seiner Linken Pinosa, und segelte nach dem Vaterlande von Paoli und Napoleon. Als der Patron am andern Morgen auf das Verdeck stieg, was er immer frühzeitig that, fand er Dantes, der an die Schiffswand gelehnt mit einem seltsamen Ausdruck einen Haufen von Granitfelsen betrachtete, welche die aufgehende Sonne mit rosigen Licht übergoß: es war die Insel Monte Christo. Die junge Amalie ließ sie auf ungefähr drei Viertelstunden von ihrem Steuerbord und setzte ihren Weg nach Corsica fort.

      Als Dantes an dieser Insel mit dem für ihn so klingenden Namen hinfuhr, dachte er, er hätte nur in das Meer zu springen und in einer halben Stunde wäre er auf dem gelobten Lande. Aber was sollte er dort tun, ohne Werkzeugei, um seinen Schatz zu entdecken, ohne Waffen, um ihn zu verteidigen? Was würden überdies die Matrosen sagen? was wurde der Patron denken? Er mußte warten. Glücklicher Weise verstand Dantes zu warten: er hatte vierzehn Jahre auf seine Freiheit gewartet, und konnte nun, da er frei war, auch sechs Monate oder ein Jahr auf seinen Reichtum warten. Hatte er nicht die Freiheit ohne Reichtum angenommen, würde man sie ihm angeboten haben? War überdies dieser Reichtum nicht ganz chimärisch? War er, in dem kranken Gehirne des Abbé Faria geboren, nicht mit diesem gestorben? Allerdings war der Brief des Cardinal Spada seltsam genau. Und Dantes wiederholte in seinem Gedächtnis von einem Ende zum andern den Brief, von dem er kein Wort vergessen hatte.

      Es kam der Abend; Edmond sah die Insel durch alle Tinten ziehen, welche die Dämmerung mit sich führt, und dann für Jedermann in der Dunkelheit sich verlieren; er aber, dessen Blick an die Dunkelheit des Gefängnisses gewöhnt war, sah sie ohne Zweifel immer noch, denn er blieb der letzte auf dem Verdeck. Am andern Morgen erwachte man auf der Höhe von Aleria. Man lavierte den ganzen Tag; am Abend entzündeten sich Feuer auf der Küste. Aus der Verteilung dieser Feuer ersah man ohne Zweifel, daß man ausschiffen konnte, denn statt der Flagge wurde eine Schiffslaterne auf dem kleinen Fahrzeuge aufgesteckt, und man näherte sich dem Ufer auf Schußweite.

      Dantes hatte bemerkt, daß der Patron der jungen Amalie, ohne Zweifel für feierliche Veranlassungen. als er sich dem Lande näherte, zwei kleine Feldschlangen, Wallbüchsen ähnlich aufpflanzen ließ, welche ohne großes Geräusch zu machen, eine hübsche.Kugel von vier auf das Pfund auf tausend Schritte schleudern konnten. Für diesen Abend war jedoch seine Maßregel überflüssig; Alles ging auf das Sanfteste und Artigste der Welt. Vier Schaluppen näherten sich mit sehr geringem Getöse dem Schiffe, das, wohl um ihnen Ehre anzutun, seine eigene Schaluppe in die See setzte, und diese fünf Schaluppen, verstanden sich jeden Falls so gut, daß um zwei Uhr Morgens die ganze Ladung vom Bord der jungen Amalie auf das Festland übergeschifft war. Noch in derselben Nacht, in solchem Maße war der Patron der jungen Amalie ein Mann von Ordnung, fand die Verteilung statt: jeder Mann bekam für seinen Teil ungefähr achtzig Franken.

      Doch die Expedition war noch nicht zu Ende: man legte sich gegen Sardinien. Es handelte sich darum, das Schiff, das man gelöscht hattet wieder zu laden.

      Die zweite Operation ging so günstig vorüber, als die erste; die junge Amalie war im Glücke. Für das Großherzogtum Lucca bestimmt, bestand die neue Ladung beinahe nur aus Havanna-Cigarren, Xeres- und Malagaweinen. Hier gerieth man in Streit mit der Douane, dieser ewigen Feindin des Patrone der jungen Amalie. Ein Zollwächter blieb auf dem Platze, und zwei Matrosen wurden verwundet. Dantes war einer von diesen beiden Matrosen; eine Kugel hatte das Fleisch seiner linken Schulter durchdrungen.

      Dantes war beinahe glücklich über dieses Scharmützel und beinahe zufrieden mit seiner Wunde; diese rauhen Lehrerinnen zeigten ihm, mit welchem Auge er die Gefahr betrachtete und mit welchem Mute er das Leiden ertrug. Er hatte die Gefahr lachend angeschaut, und als er den Schuß erhielt, sagte er wie der griechische Philosoph: »Schmerz, du bist kein Übel.« Überdies hatte er den auf den Tod verwundeten Zollwächter untersucht, und, sei es nun die Hitze des in Thätigkeit begriffenen Blutes, sei es


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