Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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Einsamkeit. Welche zugleich unermesslichere und poetischere Einsamkeit gibt es aber, als die eines einzelnen Schiffes, das in der Dunkelheit der Nacht; in der Stille des ungeheuren Raumes und unter dem Blicke des Herrn auf dem Meere schwimmt? Diesmal wurde die Einsamkeit von seinen Gedanken bevölkert, die Nacht von seinen Illusionen erleuchtet und die Stille von seinen Gelöbnissen belebt.

      Als der Patron erwachte; ging das Schiff unter allen seinen Segeln: es war kein Fetzen Leinwand darauf; der nicht vom Winde aufgeblasen wurde. Man machte mehr als drittehalb Lieues in einer Stunde. Die Insel Monte Christo wuchs am Horizont. Edmond übergab das Schiff seinem Herrn und streckte sich ebenfalls in seiner Hängematte aus; aber trotz seiner schlaflosen Nacht vermochte er die Augen nicht eine Minute zu schließen. Zwei Stunden nachher stieg er wieder auf das Verdeck. Das Schiff umsegelte eben die Insel Elba. Man war auf der Höhe von Mareciano oberhalb der flachen grünen Insel Pianosa und sah am Azur des Himmels die flammende Spitze von Monte Christo sich erheben. Dantes befahl dem Rudergänger; den Helmstock an Backbord zu legen, um Pianosa rechts zu lassen; er hatte berechnet, daß dieses Manoeuvre den Weg um zwei bis drei.Knoten abkürzen mußte. Gegen fünf Uhr Abends hatte man die Insel vollkommen im Angesicht. Man gewahrte die geringsten Einzelheiten in Folge jener atmosphärischen Durchsichtigkeit, welche dem Lichte eigenthümlich ist, das die Strahlen der Sonne bei ihrer Neige ergießen.

      Edmond verschlang mit den Augen diese Felsenmasse, welche, durch alle Farben der Abenddämmerung zog, – vom lebhaften Rosa bis zum Dunkelblau; zuweilen stiegen ihm glühende Strömungen in das Gesicht, seine Stirne war mit Purpur übergossen und eine dunkelrote Wolke zog vor seinen Augen hin. Nie fühlte einen Spieler, dessen ganzes Vermögen auf die Würfel gestellt ist, bei einem Wurfe die Bangigkeit, welche Dantes bei seinen Hoffnungs-Parorysmen empfand. Es kam die Nacht. Um zehn Uhr landete man. Die junge Amalie war die erste beim Rendezvous. Trotz seiner gewöhnlichen Selbstbeherrschung war Dantes nicht im Stande, sich zu halten; er sprang zuerst an das Ufer; wenn er es gewagt hätte, würde er, wie Brutus, die Erde geküßt haben. Es war finstere Nacht; doch um elf Uhr flieg der Mond mitten aus dem Meere auf, dessen Bewegungen er versilberte; dann begannen seine Strahlen; je mehr er sich erhob, in weißen Lichtcascaden auf den aufgehäuften Felsen dieses zweiten Pelion zu spielen.

      Die Mannschaft der jungen Amalie war mit der Insel vertraut; sie gehörte zu ihren gewöhnlichen Stationen. Dantes hatte sie zwar bei jeder von seiner Reisen nach der Levante gesehen; war aber nie dasselbe an das Land gestiegen. Er fragte Jacopo:

      »Wo werden wir die Nacht zubringen?«

      »Am Bord der Tartane,« antwortete der Matrose.

      »Wären wir nicht besser in den Grotten?«

      »In welchen Grotten?«

      »In den Grotten der Insel.«

      »Ich kenne hier keine Grotten,« sagte Jacopo.

      Kalter Schweiß floß über die Stirne von Dantes.

      »Es gibt keine Grotten auf Monte Christo?« fragte er.

      »Nein.«

      Dantes blieb einen Augenblick ganz betäubt; dann dachte er, diese Grotten könnten seit kurzer Zeit durch irgend einen Zufall aufgefüllt oder sogar aus Vorsicht von dem Cardinal Spada verstopft worden sein. Es hing in diesem Falle Alles davon ab, daß man die verlorene Öffnung wiederfand; sie in der Nacht zu suchen war unnütz; Dantes verschob daher die Nachforschung auf den andern Tag; ein Signal, welches auf eine halbe Stunde in der See gegeben wurde, und das die junge Amalie sogleich durch ein ähnliches Signal erwiderte, deutete überdies an, daß der Augenblick, an das Geschäft zu gehen, gekommen war. Beruhigt durch das Signal, das dem zuletzt Ankommenden zu erkennen geben sollte, daß man mit aller Sicherheit zusammentreffen könnte, erschien das zweite Schiff bald weiß und schweigsam, wie ein Gespenst, und ankerte eine Kabellänge vom Ufer. Sogleich begann die Überschaffung.

      Dantes dachte während der Arbeit an das freudige Hurra, das er unter diesen Leuten mit einem einzigen Worte hervorrufen könnte, wenn er ganz laut den Gedanken sagen wurde, der beständig ganz leise an seinem Ohre und an seinem Herzen summte; aber statt das herrliche Geheimnis zu enthüllen, befürchtete er im Gegenteil, schon zu viel gesagt und durch sein Hin- und Hergehen, durch seine wiederholten Fragen, durch seine ängstlichen Beobachtungen und durch seine Unruhe Verdacht erregt zu haben; zum Glücke, unter diesen Umständen wenigstens, hatte eine sehr schmerzliche Vergangenheit seinem Antlitz das Gepräge einer unvertilgbaren Schwermut verliehen, und die Strahlen der Heiterkeit, welche man zuweilen unbestimmt unter dieser Wolke erblickte waren in der Tat nur Blitze.

      Niemand vermutete etwas, und als Dantes am andern Tage, ein Gewehr, Pulver und Blei nehmend, das Verlangen äußerte, eine von den zahlreichen wilden Ziegen zu schießen, die man von Fels zu Fels springen sah, schrieb man seinen Ausflug nur der Liebe zur Jagd oder der Sehnsucht nach der Einsamkeit zu. Jacopo allein bat dringend, ihm folgen zu dürfen. Dantes wollte sich nicht wiedersetzen, aus Furcht, durch sein Widerstreben gegen die Begleitung Verdacht einzuflößen. Aber kaum war er eine Viertelstunde gegangen und hatte Gelegenheit gefunden, eine junge Ziege zu erlegen, so schickte er Jacopo mit derselben zu seinen Gefährten zurück, wobei er den Auftrag gab, sie braten zu lassen, und ihm, wenn sie fertig war, durch einen Flintenschuß ein Zeichen zu geben. Einige getrocknete Früchte und ein Fiasco Wein von Montepulciano sollten das Mahl vervollständigen. Dantes setzte seinen Weg, sich von Zeit zu Zeit umwendend. fort. Auf der Spitze eines Felsen angelangt, sah er taufend Fuß unter sich seine Gefährten, mit denen Jacopo wieder zusammen getroffen war, bereits emsig mit der Zubereitung eines Frühstücks beschäftigt, das sich durch die Geschicklichkeit von Edmond um ein Hauptstück vermehrt hatte.

      Edmond betrachtete sie einen Augenblick mit dem sanften, traurigen Lächeln des überlegenen Mannes und sprach:

      »In zwei Stunden werden diese Leute fünfzig Piaster reich wieder abfahren und ihr Leben an den Versuch sehen, weitere fünfzig Piaster zu gewinnen; dann werden sie mit sechs hundert Livres in der Börse zurückkehren und diesen Schatz mit dem Stolze der Sultane und dem Vertrauen der Nabobs verschleudern. Die Hoffnung macht, daß ich heute ihren Reichtum verachte, der mir das tiefste Elend zu sein scheint; morgen wird mich die Täuschung vielleicht nötigen, dieses tiefe Elend als das höchste Glück zu betrachten . . . Oh, nein!« rief Edmond, »das wird nicht der Fall sein, der unfehlbare Faria wird sich nicht in dieser einzigen Sache getäuscht haben. Überdies wäre es besser zu sterben, als dieses untergeordnete, erbärmliche Leben zu führen.« So hatte Dantes, der drei Monate zuvor nur nach der Freiheit schmachtete, bereits nicht mehr genug an dieser Freiheit, und seine ganze Sehnsucht war auf den Reichtum gerichtet; das war nicht der Fehler von Dantes, sondern von Gott, der, die Macht des Menschen beschränkend, endlose Wünsche in ihn gelegt hat.

      Einem zwischen zwei Felsmauern verlorenen, wahrscheinlich durch Sturzbäche ausgehöhlten Wege folgend, den ohne Zweifel noch kein menschlicher Fuß betreten hatte, näherte sich Dantes indessen dem Orte, wo seiner Vermutung nach die Grotten bestanden haben mußten. Während er am Meeresstrande fortwanderte und die geringsten Gegenstände mit strenger Aufmerksamkeit prüfte, glaubte er an gewissen Felsen von der Hand des Menschen ausgehöhlte Kerben zu bemerken.

      Die Zeit, welche auf jede physische Sache ihren Moosmantel wirft, wie auf die moralischen Dinge ihren Mantel der Vergessenheit, schien diese Zeichen verschont zu haben, die mit-einer gewissen Regelmäßigkeit und ohne Zweifel in der Absicht, eine Spur anzudeuten, gemacht waren. Von Zeit zu Zeit verschwanden jedoch die Zeichen unter Myrtengebüschen, welche sich in großen, mit Blüthen bedeckten Sträußen ausbreiteten, oder unter Schmarotzerpflanzen. Dann mußte Edmond die Zweige auf die Seite schieben oder die Moose aufheben, um die Merkmale zu finden, welche ihn in diesem zweiten Labyrinthe leiteten. Diese Zeichen hatten übrigens Edmond frohe Hoffnung verliehen. Warum sollte sie nicht der Cardinal gemacht haben, damit sie im Falle einer Catastrophe, welche er nicht so ganz hatte voraussehen können, seinem Neffen als Führer dienen mochten? Der Einsame Ort mußte wohl einem Manne zu sagen, der einen Schatz vergraben wollte. Doch hatten die ungetreuen Zeichen nicht andere Augen angezogen, als diejenigen, für welche sie bestimmt waren, oder hatte die Insel mit den düsteren Wundern treu ihr herrliches Geheimnis bewahrt?

      Ungefähr sechzig Schritte vom Hafen kam es indessen Edmond, der durch die Gestalt des Bodens stets vor seinem Gefährten verborgen war, vor, als ob die


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