Der Wolfsführer. Александр Дюма

Der Wolfsführer - Александр Дюма


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das verblüffte Schweigen der Andern, »Wie kommt’s, daß sie ihn reicht getödtet hat?«

      »Weil sie weder von Gold noch von Silber war, mein liebes Kind, und weil bloß goldene oder silberne Kugeln die Haut des Teufels ritzen und diejenigen tödten können, die einen Vertrag mit ihm geschlossen haben.«

      »Aber Mocquet,« sagten die Schützen mit einem Schauder, »glaubst Du also . . .«

      »Ja, ich wollte darauf schwören, daß wir’s mit dem Wolf des Holzschuhmachers Thibault zu thun gehabt haben.«

      Die Waldschützen und die Jäger sahen einander an.

      Zwei oder drei bekreuzten sich.

      Alle schienen Mocquets Ansicht zu theilen und den Wolf des Holzschuhmachers Thibault wohl zu kennen.

      Ich allein wußte Nichts von ihm.

      »Ei,« drängte ich, »so sag mir doch endlich ein mal, was es mit diesem Wolf des Holzschuhmachers Thibault für eine Bewandtniß hat.«

      Mocquet wollte nicht sogleich antworten.

      »Ach ja, wahrhaftig,« rief er endlich, »der General hat mir gesagt, ich könne Ihnen die Geschichte erzählen, wenn Sie einmal fünfzehn Jahre alt seien. Sie sind jetzt so alt, nicht wahr?«

      »Ich bin sechzehn Jahre alt,« antwortete ich mit Stolz.

      »Nun wohl, der Wolf des Holzschuhmachers Thibault, mein lieber Herr Alexander, das ist der Teufel. Sie haben gestern Abend eine Geschichte von mir verlangt, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Kommen Sie jetzt mit mir in mein Haus zurück, so will ich Ihnen eine Geschichte erzählen, und zwar eine schöne.«

      Waldschützen und Jäger trennten sich mit stillem Händedruck; jeder zog seines Wegs, und ich ging mit Mocquet heim, der mir die nachfolgende Geschichte erzählte.

      Vielleicht werdet ihr mich fragen, warum ich euch diese Geschichte, da ich sie doch schon so lange wisse, noch nicht erzählt habe. Ich antworte, daß sie sich in einer Lade meines Gedächtnisses befand, die beständig verschlossen geblieben ist und sich erst vor drei Tagen wieder geöffnet hat. Ich könnte euch auch sagen, bei welcher Gelegenheit; aber wahrscheinlich würde euch diese Erzählung, die uns nur hindern würde, auf die eigentliche Geschichte einzugehen, nicht sonderlich interessieren. Ich will daher lieber meine Erzählung sogleich beginnen.

      Ich sage meine Erzählung, während ich vielleicht sagen sollte: die Erzählung Mocquets. Aber wahrlich, wenn man achtunddreißig Jahre lang über einem Ei gebrütet hat, kann man am Ende wohl glauben, man habe es gelegt.

Samstag den 31. Mai 1856.

       I

      Der Wolfsjägermeister Sr. Hoheit

      Er war ein gewaltiger Jäger, der edle Herr Jean, Baron von Vez.

      Wenn ihr in dem schönen Thal hingehet, das von Berval nach Longpré führt; so erblicket ihr links einen alten Thurm, der euch um so höher und furchtbarer erscheinen wird, als er ganz vereinzelt steht.

      Gegenwärtig gehört er einem alten Freunde des Erzählers dieser Geschichte, und Jedermann ist dermaßen an seinen furchtbaren Anblick gewöhnt, daß der nächste beste Bauer im Sommer eben so furchtlos den Schatten seiner hohen Mauern sucht, wie die Dohlen mit ihren großen schwarzen Flügeln und ihrem gellen Geschrei, und die sanft zwitschernden Schwalben die alljährlich ihre Nester hier aufhängen.

      Aber zur Zeit, von welcher wir sprechen, d.h. gegen das Jahr 1780, bot das Herrenhaus von Vez nicht dasselbe Bild dar und gewährte, man muß es sagen, nicht dieselbe Sicherheit. Es war ein düsteres, strenges Gebäude aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, und äußerlich wenigstens hatte die Reihenfolge der Jahre Nichts von seiner schreckenerregenden Physiognomie weggenommen. Allerdings ging keine Schildwache mehr in gemessenem Schritt und blankem Helm auf den Wällen hin und her; kein Bogenschütze mit gellem Horn wachte mehr auf seinem Thurme; am Schlupfthor standen keine zwei Bewaffnete mehr, um beim mindesten Lärmzeichen das Schutzgatter fallen zu lassen und die Brücken aufzuziehen. Aber schon die Einsamkeit des Gebäudes, wo sich alles Leben in den Mittelpunkt zurückgezogen zu haben schien, verlieh dem düstern Granitriefen, besonders bei Nacht, die furchtbare Majestät stummer Unbeweglichkeit.

      Gleichwohl war der Herr dieser alten Burg kein böser Geselle, und, wie seine genaueren Bekannten sagten, die ihm mehr Gerechtigkeit widerfahren ließen als Andere, es war bei ihm mehr Geschrei als Wolle, und er jagte den Christenmenschen mehr Angst ein, als er ihnen Leid anthat.

      Wir sagen wohlverstanden den Christenmenschen, denn den Thieren des Waldes war er ein erklärter und unversöhnlicher Todfeind.

      Er war Wolfsjägermeister des Herrn Ludwig Philipp von Orleans, des vierten seines Namens, und dieses Amt gestattete ihm, seiner zügellosen Leidenschaft für die Jagd nach Herzenslust zu fröhnen.

      In allen Dingen, obschon es nicht so leicht ging, war es noch möglich den Baroit Jean Vernunft beizubringen; aber hatte sich der würdige Herr einmal in Jagdangelegenheiten eine Idee in den Kopf gesetzt, dann mußte er auch um jeden Preis seinen Willen durchsetzen.

      Er hatte, sagte man, eine natürliche Tochter des Prinzen geheirathet, was ihm, außer seinem Titel als Wolfsjägermeister, eine beinahe unbeschränkte Gewalt über die Waldbesitzungen seines erlauchten Schwiegervaters verschaffte, eine Gewalt, die ihm auch Niemand zu bestreiten sich einfallen ließ, besonders seit der Herzog von Orleans, nach seiner abermaligen Vermählung mit Frau von Montesson im Jahre 1773, sein Schloß zu Villers-Coterets beinahe gänzlich verlassen hatte und in seinem reizenden Hause in Bagnolet blieb, wo er die Schöngeister der Zeit empfing und Comödie spielte.

      Es war daher eine große Seltenheit, wenn nicht jeden Tag, den Gott gab, ob nun die Sonne die Erde erfreute, ob der Regen ihr ein trübes Aussehen gab, ob der Winter die Felder mit seinem weißen Leichentuch bedeckte, ob der Frühling seinen grünen Teppich über die Wiesen breitete, es war, sage ich, eine große Seltenheit, wenn nicht jeden Morgen zwischen acht und neun Uhr das Hauptthor des Schlosses seine beiden Flügel öffnete, worauf dann der Zug in nachstehender Ordnung sieh hinaus ergoß. Zuerst kam der Baron Jean, dann sein Oberrüdenknecht Markotte, dann die andern Rüdenknechte, dann die angekoppelten Hunde, am Riemen gehalten von den Hundejungen und unter die Oberaufsicht des Meisters Engoulevent gestellt, eines zukünftigen Rüdenknechts, der, wie einst der Scharfrichter in Deutschland, als der letzte unter den Edelleuten und der erste unter den Bürgern allein hinter dem Adel und vor der Bürgerschaft einherschritt, seinerseits unmittelbar nach den Rüdenknechten und vor den Hundejungen kam, denn er war der erste unter den Hundejungen und der letzte unter den Rüdenknechten.

      Es war ein stattlicher Aufzug: englische Pferde, französische Hunde; zwölf Pferde, vierzig Hunde.

      Zuvörderst müssen wir berichten, daß der Baron Jean mit diesen zwölf Pferden und diesen vierzig Hunden auf alle Thierarten Jagd machte.

      Aber ohne Zweifel that er es seinem Titel zu Lieb, daß er vorzugsweise gern dem Wolf zu Leibe ging. Aechte Jäger mögen die Feinnäsigkeit und Tüchtigkeit seiner Hunde daraus erkennen, daß er, nach dem Wolf, dem wilden Schwein den Vorzug ertheilt; nach dem wilden Schwein kam der Hirsch, dann der Damhirsch, dann das Reh. Endlich, wenn die Hundejungen das Nest leer fanden, koppelte er auch aufs Gerathewohl los und band mit dem nächsten besten Hasen an; denn, wie schon gesagt, er jagte alle Tage, der würdige Herr, und er wäre lieber einen ganzen Tag ungegessen und ungetrunken geblieben, obschon er häufig Durst litt, als daß er vierundzwanzig Stunden zugebracht hätte, ohne seine Hunde laufen zu sehen.

      Aber man weiß es ja, die Pferde mögen noch so schnell, die Hunde mögen noch so fein sein, die Jagd hat nun einmal ihre guten und ihre bösen Viertelstündchen.

      Eines Tags erschien Markotte ganz verdutzt auf dem Platze, wo der Baron Jean ihn erwartete.

      »Nun, Markotte,« fragte der Baron Jean mit gerunzelten Brauen, »was gibts denn wieder, ich sehe Dir’s an, daß die Jagd heute schlecht ablaufen wird.

      Markotte schüttelte den Kopf.

      »Ei so sprich doch!,« drängte der Baron mit ungeduldiger Geberde.

      »Nun


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