Der Wolfsführer. Александр Дюма

Der Wolfsführer - Александр Дюма


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Du Lümmel, gib mir Antwort!«

      Es war der edle Herr Jean, dessen Hunde nicht recht im Klaren waren, und der sich versichern wollte, ob sie keine.falsche Richtung eingeschlagen hatten..

      »Hollah! Du Lümmel,« sagte der Wolfsjägermeister, »hast Du das Thier gesehen?«

      Ohne Zweifel mißfiel die Frageweise des Barons dem philosophischen Holzschuhmacher; denn obschon er recht gut wußte, von was es steh handelte, so fragte er doch:

      »Was für ein Thier?«

      »Zum Henker, den Damhirsch, auf den wir Jagd machen! Er kann höchstens fünfzig Schritte von da vorüber gekommen sein, und da Du doch weiter nichts thust, als Maulaffen feil halten, so mußt Du ihn gesehen haben. Es ist ein Zehnender, nicht wahr? Wohin hat er seinen Wechsel genauem? Ei so sprich doch, Schlingel, oder ich lasse Dir mit dem Steigbügelriemen aufmessen.«

      »Daß Du die Pest kriegst, Du Hurensohn!« sagte der Holzschuhmacher vor sich hin.

      Dann antwortete er laut und mit erkünstelter Naivität:

      »Ja wohl, ich habe ihn gesehen.«

      »Ein Männchen, nicht wahr, mit prächtigem Geweih; ich hab’ es gesehen, wie ich den gnädigen Herrn sehe. Laufen und springen kann es, daß es eine wahre Lust ist, ihm zuzusehen.«

      In einem andern Augenblick würde der Baron Jean über diese letzte Bemerkung gelacht haben, aber jetzt hatte er über den Ränken des Thieres das St. Hubertusfieber bekommen.

      »Höre, Kerl, schwatz mir kein dummes Zeug. Wenn Du vielleicht bei guter Laune bist, so bin doch ich es nicht.«

      »Ich werde bei derjenigen Laune sein, die der gnädige Herr befehlen wird.«

      »So antworte einmal.«

      »Der gnädige Herr hat ja noch Nichts gefragt.«

      »Sah der Damhirsch müde aus?«

      »Nicht sonderlich.«

      »Woher kam er?«

      »Er kam nicht, er stand da.«

      »Er mußte aber doch irgendwoher kommen.«

      »Das ist allerdings wahrscheinlich, aber ich habe ihn nicht kommen gesehen.«

      »Und wohin ist er gegangen?«

      »Das würde ich Euch gerne sagen, aber ich habe ihn nicht weggehen gesehen.«

      Der edle Herr von Vez warf Thibault einen zornigen Blick zu.

      »Ist es schon lange her, daß der Damhirsch da vorbeikam, Du Schlingel?«

      »Noch nicht sehr lange, gnädiger Herr.«

      »Wie lange etwa?«

      Thibault that, als ob er in seinen Erinnerungen suchte.

      »Es war, glaube ich, vorgestern,« antwortete er zuletzt.

      Nur konnte der Holzschuhmacher bei diesen Worten ein Lächeln nicht verbergen.

      Dieses Lächeln entging dem Baron Jean nicht.

      Ei: gab seinem Pferde die Sporen und kam mit aufgehobener Peitsche auf Thibault zu.

      Thibault war flink. Mit einem Sprung befand er sich unter seinem Schirmdach, wohin ihm der Wolfsjäger nicht folgen konnte, so lang er auf seinem Pferd sitzen blieb.

      Thibault befand sich also für den Augenblick in Sicherheit.

      »Du spottest und Du lügst,« rief der Jäger; »denn zwanzig Schritte von da schlägt Marcassino, mein bester Hund, von Neuem an; wenn also der Damhirsch da vorbeigekommen ist, wo Marcassino steht, so muß er über die Hecke gesprungen sein, und dann mußt Du ihn nothwendig gesehen habe.«

      »Bitte um Verzeihung, gnädiger Herr, aber unser Pfarrer sagt, daß nur der Papst unfehlbar sei, und Herr Marcassino kann sich täuschen.«

      »Marcassino täuscht sich nie, verstehst Du mich, Du Lumpenhund? und der beste Beweis ist, daß ich von hier aus die Stelle sehe, die der Damhirsch aufgescharrt hat.«

      »Gleichwohl, gnädiger Herr, kann ich Euch versichern und sogar schwören . . . « sagte Thibault, der mit Unruhe bemerkte, wie die schwarzen Brauen des Barons sich zusammenzogen.

      »Halts Maul und komm heraus, Du Lümmel!« rief Herr Jean.

      Thibault besann sich einen Augenblick, aber das Gesicht des Jägers wurde immer drohender; er begriff, daß ein Ungehorsam ihn noch mehr in Harnisch jagen würde, und in der Hoffnung, der Wolfsjäger könnte ihn vielleicht: um irgend einen Dienst ansprechen, beschloß er, sein Asyl zu verlassen.

      Es bekam ihm schlecht, denn kaum war er vier Schritte unter dem schützenden Dach hervorgetreten, als der edle Herr von Vez sein Pferd emporriß und spornte, so das; es mit einer einzigen Flucht neben den Holzschuhmacher zu stehen kam, der im selben Augenblick einen wüthenden Hieb mit dem Peitschenstiel über den Kopf erhielt.

      Betäubt taumelte er vorwärts, verlor das Gleichgewicht und würde eben mit dem Gesicht auf die Erde gefallen sein, wenn nicht der Baron Jean seinen Fuß ans dem Steigbügel gezogen und ihm einen so derben Tritt auf die Brust versetzt hätte, daß der arme Teufel nicht blos wieder emporschnellte sondern sogar eine ganz andere Richtung nahm und rücklings gegen die Thür seiner Hütte fiel.

      »Siehst Du,« sagte der Baron, indem er ihn zuerst mit dem Peitschenstiel und dann mit dem Fußtritt bedachte, »das hast Du für Dein Lügen und das für Dein Spotten.«

      Ohne sich weiter um Thibault zu bekümmern, der alle Viere von sich streckte, gab Herr Jean jetzt, da er bemerkte, daß seine Meute sich auf Marcassino’s Gebell wieder gesammelt hatte, seinen Hunden ein lustiges Hornsignal und ritt in kurzen: Galopp davon.

      Thibault stand mit großen Schmerzen wieder auf und befühlte sich von Kopf zu Fuß, um sich zu überzeugen, ob er nichts gebrochen habe.

      »Schon gut,« sagte er, nachdem er ein Glied ums andere gestreichelt hatte, »ich bin noch zufrieden, daß ich weder oben noch unten etwas gebrochen habe. Ha, Herr Baron, so gehet Ihr also mit den Leuten um, weil Ihr die Bastardtochter eines Prinzen geheiratet habt? Aber obschon Ihr Wolfsjägermeister und ein gewaltiger Nimrod seid, so sollt Ihr doch den Damhirsch nicht essen, den Ihr jaget; der Lumpenhund, der Lümmel, der Schlingel von Thibault soll ihn essen. Ja, ja, ich schwöre es, daß ich ihn essen werde,« rief der Holzschuhmacher, indem er sich immer mehr in seinem waghalsigen Entschluß bestärkte, »und ich müßte kein Mann sein, wenn ich diesen Eid nicht halten sollte.«

      Er steckte schnell seine Hippe in den Gürtel, nahm seinen Spieß, horchte aus das; Gebell der Hunde, orientirte sich, und indem er selbst die Saite des Bogens wurde, dessen Kreis der Damhirsch und die Meine bildeten, suchte er, so schnell als ihn seine Beine trugen, ihnen den Rang abzulaufen.

      Thibault hatte freie Wahl: er konnte dem Damhirsch auflauern und ihn mit seinem Spieß erlegen, oder er konnte in dem Augenblick, wo das Thier den Hunden erliegen mußte, über dasselbe herfallen und sich seiner bemächtigen.

      Der Wunsch, sich wegen der Brutalität des Barons Jean zu rächen, war bei Thibault nicht so überwiegend, daß er nicht während seines Eilmarsches zugleich an die leckern Mahlzeiten gedacht hätte, die er sich beinahe einen ganzen Monat lang aus den Schultern, Rückenstücken und Lenden des Damhirsches bereiten konnte, ob er sie nun gehörig in Essig legte, ob er sie am Spieß oder schnittenweise in der Pfanne briet.

      Im Uebrigen zerschmolzen diese beiden Ideen Rache und Eßgier in seinem Hirn dermaßen mit einander, daß er, während er aus Leibeskräften seinem Ziele zulief, nicht umhin konnte, in seinen Bart zu lachen, wenn er sich die jammervollen Gesichter dachte, welche der Baron und seine Leute bei ihrer Heimkehr von dieser schmählich verunglückten Expedition schneiden würden; wie behaglich es dagegen ihm selbst zu Muthe sein müßte, wenn er sich bei verschlossener Thüre und einem guten Schoppen Wein an einer Keule des Thieres erlabte, wenn eine köstlich duftende, blutige Brühe ans derselben hervorliefe, während er zum dritten oder vierten Mal mit dem Messer über sie käme.

      Der Damhirsch nahm, so weit Thibault es beurtheilen konnte, seine Richtung nach der Ourcqbrücke zwischen Noroy und Troësne.

      Zur


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