Diana de Lys. Александр Дюма
sie sieh gesetzt hatte, frug sie sich, ob sie wohl, wie sie fünf Stunden zuvor gehofft hatte. Ein Mittel für ihre Langeweile gefunden habe?
Wenn in diesem Augenblicke der vertraute Genius der Marquise sich zu ihrem Ohre geneigt und ihr das einzige Wort zugeflüstert hätte:
»Und nun?«
So hätte sie ihm wahrscheinlich geantwortet:
»Nun, ich bereite es noch nicht, aber wenn ich diesen Morgen gewußt hätte, was ich heute Abend weiß, so würde ich vielleicht heute nicht ausgegangen sein.«
Als die Marquise früh erwachte, erinnerte sie sich nicht sogleich dessen, was sich am Abend ereignet hatte, aber nach einigen Augenblicken kehrte das volle Bewußtsein zurück, und sie sagte bei sich:
»Ich habe also einen Geliebten!« und sich in dem Spiegel über ihrem Bett betrachtend, fuhr sie fort: »Es ist sonderbar, daß dieses Wort keine größere Rolle in meinem Leben spielt. Liebe ich denn etwa Maximilian nicht, und erschreckt denn dieses Wort nur, wenn man« liebt?«
»Ja, ohne Zweifel, denn man zittert dann vor der Möglichkeit, nicht geliebt zu werden, und es muß eine grausame Strafe sein, ohne Erwiderung zu lieben. Glücklicher Weise bin ich nicht in diesem Falle. Nach alle dem kommt die Liebe vielleicht nicht sogleich, und es ist möglich, daß ich einstens Maximilian noch liebe.
Aber in demselben Augenblicke schien Madame de Lys diese Möglichkeit abzuleugnen.
Hierauf klingelte sie ihrem Kammermädchen, und als diese gekommen war, sagte sie:
»Zu welcher Stunde ist mein Mann gestern zurückgekehrt?«
»Um Ein Uhr des Morgens.«
»Ist er wach«
»Ich will fragen, wenn Sie es wünschen.«
»Laß ihn durch Joseph bitten, zu mir zu kommen, sobald er aufgestanden ist.«
»Ja, Madame.«
»Oeffne das Fenster.«
Das Kammermädchen gehorchte, und die Marquise legte ihr liebliches Köpfchen auf die Seite.
»Ich bin sehr neugierig, meinen Mann diesen Morgen zu sehen,« sagte sie zu sich, und von Zeit zu Zeit schwebte ein Lächeln auf ihren Lippen, der Reflex gewisser bizarrer Gedanken, welche so oft ihren Geist durchkreuzten.
Eine halbe Stunde nachher klopfte man an der Thür der Marquise.
»Herein,« sagte diese.
Der Marquis trat ein.
Der Marquis war ein Mann von ungefähr fünfundvierzig Jahren. Er hatte blonde Haare gehabt und verbarg sorgfältig die wenigen grauen, welche sich bereits zeigten. Seine Augen waren blau, sein Mund fein, geistreich und witzig. Er hatte eine aristokratische Nase und trug den Bart auf englische Manier. Er war ein Weltmann im ausgewähltesten Sinne des Wortes. Das Alter und das Leben, welches er bisher geführt hatte, hatten ihm einen gewissen Embonpoint gegeben. Er hatte viel Vermögen besessen, und man hätte dies nicht geahnt, wenn nicht aus der Eleganz seiner Sprache und dem Skepticismus seiner Theorieen.
Er war mehr geliebt worden als liebenswürdig, und aus diesem Leben, in welches er, glücklich für ihn, mit einem ausgezeichneten Magen, einem schönen Vermögen und einem großen Namen eingetreten war, war er siegreich hervorgegangen, denn er hatte seinen Namen ungeschmäht, seinen Magen kräftig erhalten, und nur sein Vermögen hatte in dieser stürmischen Existenz Schiffbruch gelitten. Er hatte Geist, schöne Zähne, weiße und zarte Hände wie eine Frau, eine angeborene Eleganz einen anerkannten Muth, kurz, er war einer von den Männern, welche sich verheirathen, um die Mittel zu erhalten, ihr Garcon-Leben fortzusetzen, und welche sich durch ihre Frau hintergehen lassen, sobald dies ohne großes Aufsehen geschieht.
Er wußte zwar, daß die Marquise ihn nicht hinterging, er wußte aber auch, daß sie für ihn keine enthusiastische Liebe hegte, und er gab mit ziemlich hinreichenden Gründen diese Treue der Indolenz seiner Frau Schuld.
Er hielt sich in dieser Ueberzeugung vollkommen berechtigt, nicht erkenntlich zu sein, und sie benutzte das Recht, ihm nicht mehr treu zu sein.
Es folgte aus diesem erworbenen Rechte die vollständige Freiheit Beider.
»Sie haben mich rufen lassen, Diana?« sagte der Marquis eintretend.
»Habe ich Sie gestört?«
»Keineswegs, und hätten Sie mich gestört,« so würde ich mich darüber nicht beklagen.«
»Kommen Sie denn und setzen Sie sich neben mich, Marquis.«
»Was haben Sie heute, liebe Freundin, ich habe Sie niemals so gütig gesehen.«
»Ist dies ein Vorwurf?«
»Nein, im Gegentheil.«
»Was ist denn so Wunderbares darin zu finden, daß eine alte Frau einige Augenblicke mit ihrem Manne sprechen will?«
»Es ist in der That sehr einfach.«
»Besonders, wenn sie wie ich ihren Mann seit drei Tagen nur auf wenige Stunden gesehen hat.«
»Wünschen Sie, daß ich nicht mehr ausgehe?»
»Es würde ein zu großes Opfer sein, Marquis, und ich will von Ihnen nicht zu viel fordern.«
»Was wünschen Sie denn? Denn Sie müssen doch etwas von mir wollen?«
»Ich will Sie sehen« sage ich Ihnen, und nichts weiter, ich schwöre es.«
Und als wäre es in der That das einzige Verlangen gewesen, betrachtete Diana den Marquis mit Aufmerksamkeit und begann zu lächeln.
»Marquis, beeilte sie sich hinzuzufügen, als Herr de Lys sie nicht um die Bedeutung dieses Lächelns frug, »das Unerwartete interessiert mich, Sie wissen es, und heute will ich, daß Sie Ihren heutigen ganzen Tag mir opfern; verlange ich zu viel?«
»Ich wünschte« daß Sie einen andern Tag wählten, denn heute ist es kein Opfer, das ich Ihnen damit bringe.«
»Also heute wollen Sie mir ganz angehören?«
»Mit Leib und Seele«
»Bis morgen?«
»Bis morgen? wollen wir denn zum Ball gehen?«
»Nein.«
»So werden wir zu Hause bleiben?«
Diana nickte.«
»Wem verdanke ich diese ausgezeichnete Gunst?« sagte der Marquis, indem er die Hände seiner Frau drückte.
»Sie willigen also ein?«
»Von ganzem Herzen.«
»Nun, Marquis, so gehen Sie, ich will mich ankleiden.«
Der Marquis küßte die Hand feiner Frau und begab sich auf sein Zimmer zurück; er nahm ein Blatt Papier und schrieb:«
»Liebes Kind!
»Ein unvorhergesehenes Ereigniß wird mich abhalten, Sie heute zu sehen, aber morgen früh werde ich Sie bestimmt überraschen.«
Er unterzeichnete, siegelte den Brief und klingelte seinem Bedienten.
»Du wirst, sagte er zu diesem, »für diesen Abend eine Loge im Theater bestellen und das Billet zu der Adresse dieses Briefes, mit dem Briefe nämlich, wohl verstanden, tragen.«
»Soll ich aus Antwort warten?«
»Nein.«
Diana ihrerseits hatte geschrieben:
»Mein Freund!
»Es ist mir unmöglich, heute auszugehen, ich werde den ganzen Abend Gesellschaft bei mir haben. Ich habe nicht nöthig, Ihnen zu sagen, wo mein Herz und meine Gedanken weilen. Morgen vielleicht.«
Die Marquise unterzeichnete nicht, versiegelte den Brief und schrieb einen zweiten, in welchen sie den ersten einschloß und welchen sie an Marcelline richtete, sie bittend, den inliegenden an seine Adresse gelangen zu lassen.
Hierauf gab sie das Billet ihrem Kammermädchen, indem sie ihm sagte, es sogleich zu Madame