Die Fünf und Vierzig. Александр Дюма
ihn in Antwerpen oder Brüssel enthaupten zu lassen; allerdings gelangte er am Ende zu demselben Resultat; aber auf der Reise, die der Zweck seiner Geständnisse war, hoffte Salcède von seinen Parteigängern befreit und entführt zu werden; zu seinem Unglück hatte er ohne Herrn von Bellièvre gerechnet, der, mit dieser kostbaren Verwahrung betraut, so gut Wache hielt, daß weder die Spanier, noch die Lothringer, noch die Liguisten sich des Gefangenen eine Meile nähern konnten.
Salcède hoffte im Gefängnis, Salcède hoffte auf der Folter; Salcède hoffte auf dem Karren; er hoffte noch auf dem Schafott. Nicht als hätte es ihm an Muth oder Resignation gefehlt; aber er gehöhrte zu den lebhaften Wesen, die sich bis zum letzten Athemzuge mit der Hartnäckigkeit und der Stärke wehren, welche die menschliche Kraft nicht immer bei den Geistern von untergeordnetem Werthe erreicht.
Dem König entging so wenig wie dem Volk dieser beständige Gedanke von Salcède.
Catharina studierte ängstlich jede, auch die geringste Bewegung des unglücklichen jungen Mannes; aber sie war zu weit von ihm entfernt, um der Richtung seiner Blicke zu folgen und ihr fortwährendes Spiel zu bemerken.
Bei der Ankunft des Missethäters erhoben sich wie durch einen Zauber Stockwerke von Männern, Frauen und Kinder; so oft ein neuer Kopf über diesen beweglichen, aber schon von dem wachsamen Auge von Salcède gewesenen Niveau erschien, analysirte er ihn völlig in einer Prüfung von einer Secunde, welche wie eine Prüfung von einer Stunde dieser übermäßig gereizten Organisation genügte, in der die so kostbare Zeit alte Fähigkeiten verzehnfachtes oder vielleicht verhundertfachte.
Nach diesem Blick, nach diesem auf das unbekannte und neue Gesicht geschleuderten Blitz, wurde Salcède wieder düster und wandte seine Aufmerksamkeit einer andern Seite zu.
Der Henker fing indessen an, sich seiner zu bemächtigen, und band ihn mitten um den Leib auf den Mittelpunkt des Schaffots.
Auf ein Zeichen von Meister Tranchon, dem Lieutenant vom Stadtgericht und Comrnandanten der Hinrichtung, waren schon zwei Bogenschützen durch die Menge gedrungen, um die Pferde zu holen.
Unter anderen Umständen oder in einer anderen Absicht hätten die Bogenschützen nicht einen Schritt in dieser kompacten Masse machen können, aber die Menge wußte, was die Bogenschützen thun wollten, und sie schloß sich noch enger an und gab Raum, wie man auf einem überfüllten Theater stets den mit wichtigen Rollen beauftragten Schauspielern Platz macht.
In diesem Augenblick entstand ein Geräusch an der Thüre der königlichen Loge, und den Vorhang aufhebend meldete der Huissier Ihren Majestäten, der Präsident Brisson und vier Räthe, von denen der eine der Berichterstatter des Prozesses, wünschten die Ehre zu haben, mit dem König über den Gegenstand der Hinrichtung eine kurze Unterredung zu pflegen.
»Das ist wunderbar,« sagte der König.
Dann sich gegen Catharina umwendend, fuhr er fort:
»Meine Mutter, Ihr werdet befriedigt werden.«
Catharina machte ein leichtes Zeichen mit dem Kopf, womit sie ihre Billigung bezeugte.
»Laßt die Herren eintreten,« sagte der König.
»Sire, eine Gnade,« sprach Joyeuse.
»Laß hören,« erwiederte der König, »vorausgesetzt, es ist nicht die Begnadigung des Verurtheilten.«
»Seid unbesorgt, Sire.«
»Nun?«
»Sire es ist ein Ding, was besonders das Gesicht meines Bruders und hauptsächlich auch das meinige verletzt: die rothen Roben und die schwarzen Roben; Eure Majestät wolle also die Güte haben, uns zu erlauben, daß wir uns zurückziehen.«
»Wie, Ihr interessiert Euch so wenig für meine Angelegenheiten, Herr von Joyeuse, daß Ihr Euch in einem solchen Augenblick entfernen zu dürfen verlangt?« rief Heinrich.
»Glaubt das nicht, Sire, Alles, was Eure Majestät berührt, ist von tiefem Interesse für mich; aber ich bin von einer erbärmlichen Organisation und die schwächste Frau ist in diesem Punkte stärker als ich. Ich kann keine Hinrichtung sehen, ohne auf acht Tage krank zu werden. Da nun aber nur ich noch bei Hofe lache, seit dem mein Bruder, ich weiß nicht warum, nicht mehr lacht, so bedenkt, was aus dem armen, jetzt schon so trübseligen Louvre werden wird, wenn es mir einfällt, ihn noch trübseliger zu machen. Habt also Gnade, Sire…«
»Du willst mich verlassen, Anne?« sagte Heinrich mit einem Ausdruck unbeschreiblicher Traurigkeit.
»Seht, Sire, Ihr fordert sehr viel; eine Hinrichtung auf der Grève, das heißt die Rache und das Schauspiel, und zwar ein Schauspiel, auf das Ihr, ganz im Gegensatze zu mir, äußerst begierig seid, die Rache und das Schauspiel genügen Euch nicht, und Ihr müßt Euch noch zugleich an der Schwäche Eurer Freunde weiden.«
»Bleibe, Joyeuse, bleibe; Du wirst sehen, daß es interessant ist.«
»Ich zweifle nicht daran; ich befürchte sogar, wie ich Eurer Majestät gesagt habe, das Interesse dürfte sich auf einen Grad steigern, wo ich es nicht mehr auszuhalten vermöchte. Ihr erlaubt mir also, Sire, nicht wahr?«
Und er machte eine Bewegung gegen die Thüre.
»Gehe,« sagte Heinrich III. seufzend, »halte es nach Deiner Phantasie, es ist mein Loos allein zu leben.«
Und der König wandte sich die Stirne gefaltet gegen seine Mutter, denn er befürchtete, sie könnte das Gespräch gehört haben, das zwischen ihm und seinem Günstling stattgefunden.
Das Gehör von Catharina war eben so fein als ihr Gesicht, wenn sie aber nicht hören wollte, so war kein Ohr härter als das ihrige.
Mittlerweilen neigte sich Joyeuse an das Ohr seines Bruders und sagte zu ihm:
»Geschwinde, geschwinde, du Bouchage, während die Räthe eintreten, schlüpfe hinter ihren großen Roben hinaus und laß uns wegschleichen; der König sagt, jetzt ja, in fünf Minuten wird er nein sagen.«
»Ich danke, mein Bruder,« erwiederte der junge Mann, »ich war wie Du, es drängte mich, wegzugehen.«
»Vorwärts, die Roben erscheinen, verschwinde zarte Nachtigall.«
Man sah in der That hinter den Herren Räthen wie zwei rasche Schatten die zwei jungen Leute entfliehen.
Hinter ihnen fiel der Vorhang mit seinen schweren Flügeln herab.
Als der König den Kopf umwandte, waren sie schon verschwunden.
Heinrich stieß einen Seufzer aus und küßte seinen kleinen Hund.
Fünftes Kapitel
Die Hinrichtung
Die Räthe blieben schweigsam im Hintergrunde der königlichen Loge stehen und warteten, bis der König das Wart an sie richtete.
Der König ließ einen Augenblick auf sich warten, wandte sich dann gegen sie um und sprach:
»Nun, meine Herren, was gibt es Neues? Guten Morgen, Herr Präsident Brisson.«
»Sire,« antwortete der Präsident mit seiner leichten Würde, die man bei Hofe seine Hugenotten-Höflichkeit nannte, – »wir kommen, um Eure Majestät, wie es Herr von Thou gewünscht hat, anzuflehen, das Leben des Schuldigen zu schonen. Ohne Zweifel hat er einige Offenbarungen zu machen, und wenn man ihm das Leben verspräche, würde man sie von ihm erhalten.«
»Aber hat man sie nicht von ihm erhalten, Herr Präsident?«
»Ja, Sire, – theilweise, – genügt das Eurer Majestät?«
»Ich weiß, was ich weiß, Messire.«
.»Eure Majestät weiß also, woran sie sich in Beziehung auf die Theilnahme Spaniens bei dieser Angelegenheit zu halten hat.«
»Spaniens, ja, Herr Präsident, und sogar mehrerer anderer Mächte.«
»Es wäre wichtig, diese Theilnahme zu konstatieren, Sire.«
»Der König hat auch die Absicht, die Hinrichtung zu verschieben,« sagte Catharina, »wenn der Schuldige ein mit seinen Angaben vor dem Richter, der ihn auf die Folter spannen