Memoiren einer Favorite. Александр Дюма
Sie dringend, Madame,« sagte ich »gestatten Sie mir, mich wieder anzukleiden.«
»Man muß Ihnen doch erst passende Wäsche bringen. Obschon Sie sich übrigens so zieren, so bin ich doch überzeugt, daß Sie sich in dem Kostüm, welches Sie jetzt tragen, schon mehr als einmal im Spiegel betrachtet haben, denn sonst wären Sie nicht Weib. Indes, hier ist Ihre Wäsche, Sie können sich nun ankleiden. Gestatten Sie mir, Ihnen bloß noch eins zu sagen, nämlich daß, wenn Sie keine Törin sind, Sie Ihr Glück in den Händen haben; verstehen Sie mich?«
»Ja, Madame, ich verstehe, obschon nicht ganz.«
»Nun gut denn, Miß Clarissa, dann wird man Ihnen jemanden schicken, der sich deutlicher erklären wird. Kleiden Sie sich jetzt nach Belieben und mit Muße an und wenn Sie etwas brauchen, so klingeln Sie. Man wird Sie nicht warten lassen. Auf Wiedersehen, mein Kind! Zieren Sie sich nicht, und alles wird gut gehen.«
Mit diesen Worten entfernte sich Mistreß Love zugleich mit der Dienerin, welche die Wäsche auf einen Stuhl gelegt hatte.
Als ich allein war, blieb ich einen Augenblick gedankenvoll und unbeweglich stehen. Ich dachte nicht mehr daran, daß ich nackt war, oder vielmehr ich dachte daran, um einen Blick in den Spiegel auf mich selbst zu werfen. Mistreß Love hatte, wie mir wenigstens schien, mir kein übertriebenes Lob gespendet und ich konnte den Vergleich mit den schönsten Marmorwerken des Altertums in der Tat recht wohl aushalten.
Endlich, langsam, und Stück um Stück bekleidete ich mich mit der Wäsche, welche den aristokratischen Ansprüchen der Königin Anna von Österreich genügt haben würde. Alle meine luxuriösen Instinkte waren wieder erwacht und unaufhörlich summten Mistreß Loves Worte in meinem Ohr:
»Wenn Sie nicht töricht sind, so haben Sie Ihr Glück in den Händen.«
Und ich breitete die Arme diesem versprochenen Glück entgegen und murmelte:
»So möge es denn kommen! Ich bin bereit, es zu empfangen.«
Ich muß ein sehr schwaches und leicht in Versuchung führendes Wesen sein, denn ich hatte endlich begriffen, an was für einem Ort ich mich befand. Ich hatte das schändliche Handwerk erraten, welches meine freche Wirtin betrieb. Ich wußte, daß die Bewunderung, welche sie mir zollte, die des Roßkamms für das Pferd war, welches er kaufen oder verkaufen will, und bei dem Anblick meiner erfrischten Schönheit, bei der Berührung dieser feinen schmeichelnden Wäsche fand ich die Hoffnung wieder und erwachte wieder zum Leben.
In dem Augenblicke, wo ich mich in mein weites Negligé gehüllt und mit den nackten Füßen in allerliebste kleine seidene Pantoffeln gefahren war, sah ich meine Tür sich öffnen und man brachte einen vollständig gedeckten Tisch mit zwei Kuverts herein. Der Tisch trug eine Art Komfort und selbst Reichtum zur Schau. Ziseliertes Silbergeschirr, chinesisches Porzellan, holländische Leinwand – nichts fehlte.
Nun war, wie ich schon bemerkt, dieser Tisch nicht für mich allein gedeckt. Das zweite Kuvert ließ auf einen unbekannten Gast schließen. Fortuna nahm, indem sie zu mir zurückkehrte, wieder ihre geheimnisvollen Gewohnheiten an, diesmal aber schien es, als benähme sie sich gegen die arme Emma ziemlich kavaliermäßig.
Allerdings befand ich mich in einer so traurigen Lage, daß sie keine großen Rücksichten zu nehmen brauchte.
Als der Tisch vor den Kamin gestellt war, öffnete die Tür sich wieder und ein Mann von vier- bis fünfundzwanzig Jahren trat ein.
Derselbe war elegant gekleidet, obschon die Eleganz seines Kostüms mehr in dem Schnitt als in dem Stoff und in der Kostbarkeit seiner Kleider bestand. Er trug einen schwarzbesetzten Rock von granatfarbenem Sammet, eine gestickte Weste von weißer Seide, Beinkleider von Atlas und schwarzseidene Strümpfe.
Ein weißes Halstuch, ein Hemd mit einem prachtvollen Busenstreif von englischen Spitzen, Schuhe mit Diamantschnallen und ein dreieckiger Hut mit schwarzer Seide garniert vervollständigten seine Toilette, welcher eine goldene Brille einen gewissen Charakter verlieh, der zwischen der Haltung eines Beamten und der eines Mannes der Wissenschaft schwankte.
Als ich ihn erblickte, erhob ich mich zugleich verlegen und erzürnt. Da ich aber auch sofort einsah, daß das Haus und die Situation, in der ich mich befand, mir nicht das Recht gaben, mich gegen irgend jemanden zu »zieren«, wie Mistreß Love sagte, so sank ich zitternd in meinen Lehnstuhl zurück.
Der Unbekannte, welcher mich bald blaß, bald rot werden sah, begriff, welche Unruhe mich bewegte, und indem er sich mir mit ausgesuchter Höflichkeit näherte, sagte er:
»Ich bitte um Entschuldigung, Miß, wenn ich vor Ihnen erscheine, ohne mich vorher anmelden zu lassen; ich möchte aber gern so bald als möglich erfahren, ob Sie eben so gut als schön sind.«
Ich stammelte einige unverständliche Worte. Wie tief ich auch in diesen meinen Tagen des Mangels und Elends gesunken war, so war ich es doch noch nicht so weit, daß ich ohne Vorbereitung und ohne Übergang das Eigentum des ersten besten gewesen wäre. Wider Willen traten mir die Tränen in die Augen.
»O,« rief ich, »dieses elende Weib! Sie hat keine Zeit verloren.«
Der Unbekannte betrachtete mich mit einem gewissen Erstaunen und wie um sich zu überzeugen daß es wirklich aufrichtige Tränen wären, die ich vergösse.
»Miß,« hob er wieder an, »meine Erfahrung in bezug auf menschliche Physiognomien verrät mir auf den ersten Blick, daß ich es mit einer Person von Distinktion zu tun habe, die durch ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände, nach welchen ich nicht das Recht habe zu fragen, in eine falsche Stellung versetzt worden ist. Ich beeile mich daher, Sie zu beruhigen. Ich komme nicht, um mit Ihnen von Liebe zu sprechen, obschon Ihre Schönheit jede andere Konversation von Ihnen fern zu halten scheint.«
»Ach, Sir,« rief ich, »die Schönheit ist zuweilen ein sehr großes Unglück.«
Der Unbekannte lächelte.
»Sie ist,« sagte er, »ein großes Unglück, über welches ich die Frauen, die davon heimgesucht worden, sich sehr leicht trösten gesehen habe. Die Schönheit, Miß, ist die sich auf Erden offenbarende Gottheit. Gestatten Sie daher einem Apostel des großen allgemeinen Kultus, Ihnen seine Huldigung zu Füßen zu legen.«
Ich lächelte trotz des pathetischen Tones, mit welchem der Unbekannte diese letzten Worte gesprochen hatte.
»Verzeihen Sie, Sir,« antwortete ich, »ich glaube, Sie haben mir eben versprochen, nicht von Liebe zu sprechen.«
»Und inwiefern bin ich meinem Versprechen untreu geworden? Eine Huldigung ist keine Liebeserklärung.«
Ich verstand immer weniger.
»Nach dem, was Ihre Wirtin mir mitgeteilt hat,« fuhr der Unbekannte fort, »bedürfen Sie der Speise und des Trankes. Setzen Sie sich daher zu Tische und essen Sie. Ich werde neben Ihnen Platz nehmen, um Ihnen Gesellschaft zu leisten und ganz besonders, um die Ehre zu haben, Sie zu bedienen.«
Ich konnte eine solche Einladung, besonders da ich buchstäblich vor Hunger ganz kraftlos war, nicht zurückweisen.
Ich rückte meinen Stuhl an den Tisch. Der Unbekannte, welcher sich noch nicht gesetzt, rückte ebenfalls einen Stuhl an den Tisch und nahm mir gegenüber Platz.
»Miß,« hob er dann an, indem er ein kaltes Huhn anspießte und es mit bewundernswürdiger Gewandtheit zu tranchieren begann, »ein lateinischer Dichter Namens Horaz sagt: ›Die Angelegenheiten, welche am leichtesten zu einem guten Resultat gelangen, sind die, welche man bei Tische verhandelt, denn der Wein ist für die Gedanken das, was das Wasser für die Pflanzen ist; er bringt sie zum Sprossen und Blühen!‹ Essen Sie daher und trinken Sie, besonders um Ihre Gefühle wieder in ein richtiges Gleichgewicht zu bringen. Dann wollen wir von dem Geschäft sprechen, welches mich hierherführt, und welches vielleicht für Sie und für mich eine Goldmine werden kann.«
Indem er gleichzeitig einen Flügel von dem Huhn auf meinen Teller legte, füllte er mein Glas zur Hälfte mit vortrefflichem, Bordeauxwein.
Neuntes Capitel
Der gebieterische Wille der physischen Bedürfnisse ist eine der größten Demütigungen für unsere arme Menschennatur, denn dadurch