Memoiren einer Favorite. Александр Дюма

Memoiren einer Favorite - Александр Дюма


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Madame?« wußte ich nicht, was ich ihm antworten sollte.

      »Fahrt immer die Straße entlang,« sagte ich.

      »Welche denn?« fragte er wieder.

      »Diese da.«

      »Aber bis wohin denn?«

      »Bis in das erste Dorf oder bis an die erste Stadt.«

      »Der erste Marktflecken ist Nutley.«

      »Nun, dann fahret nach Nutley.«

      Der Kutscher setzte, nicht wenig erstaunt, seine Pferde in Bewegung. Nach Verlauf von drei Stunden machte er Halt auf dem Marktplatze eines großen Dorfes, welches in einer reizenden Gegend am Fuße einer Anhöhe lag.

      »Nun sind wir in Nutley,« sagte er zu mir.

      »Erkundigt Euch, ob es hier ein kleines Haus zu vermieten gibt, welches von einer Dame allein mit ihrer Dienerin bewohnt werden kann.«

      Er warf die Zügel dem Pferde auf den Hals und begann zu suchen, was ich begehrte.

      Ich blieb stumm und unbeweglich im Wagen sitzen, wie viel Minuten oder wie viel Stunden weiß ich nicht zu sagen, ich hatte den Sinn für den Lauf der Zeit verloren.

      Der Kutscher kam endlich zurück.

      Am andern Ende des Dorfes hatte er wirklich ein kleines Haus gefunden, was nach seiner Meinung ganz für mich paßte.

      »Fahret mich hin,« sagte ich zu ihm.

      Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung und hielt nach kurzer Zeit vor einem kleinen Hause, welches im Schatten einiger Bäume stand und von einem Blumengärtchen umgeben war.

      Dieser Garten war mit einer lebendigen Hecke umzäunt und diese mit einem hölzernen Einlaßpförtchen versehen, welches ebenso wie die Fensterläden grün angestrichen war.

      Die Eigentümerin hatte es in der Obhut einer alten Frau gelassen und diese beauftragt, es zu vermieten, wenn sie einen Liebhaber dazu fände.

      Die Eigentümerin, die kein anderes Vermögen besaß als dieses kleine Haus und eine kleine Rente von fünfzig Pfund, wovon sie lebte, war zu ihrem Bruder, einem Stabsoffizier außer Dienst, gerufen worden, der kürzlich seine einzige Tochter verloren. Das Haus war so geblieben, wie sie es verlassen, das heißt vollständig möbliert – bescheiden, aber sauber.

      Ich brauchte bloß einen Blick auf das Haus zu werfen, um zu sehen, daß es in jeder Beziehung dem Zustand meines Herzens und meiner Mittel entsprach. Es war abgelegen, so daß mein Herz hier die Ruhe finden konnte, deren es bedurfte. Es war bescheiden und ich gewann infolge dieses Umstandes, so wenig reich ich auch war, Zeit, einen Entschluß in Bezug auf das zu fassen, was mir in Zukunft zu tun übrigblieb.

      Der Mietzins war dreißig Pfund jährlich. Ich bezahlte sechs Monate voraus unter der Bedingung, daß es mir freistünde, das Haus zu verlassen, wenn ich nichts weiter bezahlen wollte, und vorausgesetzt, daß ich es dann im Laufe der sechs ersten Monate verließe. Mein Vermögen schmolz demzufolge bis auf zweihundertunddreißig Pfund oder fünftausendsiebenhundertundfünfzig Francs zusammen.

      Wenn ich in diesem Hause bleiben und darin fern von der Welt leben wollte, so hatte ich so ziemlich drei Jahre Ruhe vor mir.

      Zwei Stunden später war ich in das Haus eingezogen, zu welchem selbst meine einfachste Toilette allerdings einen seltsamen Kontrast bildete. Dennoch, wenn ich mit dieser bescheidenen, aber reizenden Wohnung den Punkt verglich, von welchem ich ausgegangen war, so fand ich, daß ich bei meinem Sturze wenigstens noch in der Hälfte der Höhe mich festgeklammert hatte.

      Für ein Pfund monatlich und freie Beköstigung verstand die alte Aufwärterin sich dazu, bei mir zu bleiben und alle häuslichen Vorrichtungen zu besorgen.

      Das erste, woran ich dachte, mir einige Kleider fertigen zu lassen, welche mit der neuen Existenz, die ich zu führen im Begriff stand, besser übereinstimmten. Ich ließ sie von schwarzer Seide fertigen.

      Auf alle Fragen nach meinem Namen antwortete ich, ich hieße Mistreß Heart, ich wäre Witwe und wolle die ersten Monate meines Schmerzes und meines Witwenstandes in Einsamkeit und Zurückgezogenheit zubringen.

      Ich war noch sehr jung, um schon Witwe zu sein. Man glaubte von meiner Erzählung natürlich bloß soviel man wollte. Mir kam darauf wenig an, denn ich hatte ja mit niemandem Umgang.

      Die ersten acht Tage meiner Zurückgezogenheit vergingen ganz in der Hingebung an jenen physischen und moralischen Schmerz, von welchem schwere Schicksalsschläge des Lebens begleitet zu sein pflegen.

      Allmählich kehrte dann die Ruhe, wenn auch nicht in mein Herz, doch wenigstens in meinen Geist zurück, und ich konnte meine Lage mit prüfendem Blick ins Auge fassen.

      Ich hatte einen Mann verloren, den ich liebte; aber war dieser Mann der Trauer wert, welche ich ihm widmete? War seine Handlungsweise gegen mich die eines Gentleman gewesen? Hatte er bei dem Ruin seines Vermögens an mich gedacht? Hatte er sich gefragt, was aus mir werden sollte? Hatte er versucht, mir eine jener Existenzen zu gründen, welche sonst den unglücklichen Frauen beschieden zu sein pflegen, die ihr Leben der Liebe geweiht haben?

      Ich mußte mir gestehen, daß er von all diesem nichts getan.

      Welch' ein Unterschied zwischen seiner Handlungsweise und der Sir John Paynes.

      Von dem Augenblick an, wo ich dahin gelangt war, daß ich Sir Harry mit Unparteilichkeit beurteilte und nach seinem wahren Werte würdigte, war ich nahe daran, mich über seinen Verlust zu trösten. Er war allerdings ein schöner, eleganter junger Mann; mein Gedächtnis erinnerte mich aber unter den Freunden Sir Johns und den seinigen an fünf oder sechs junge Männer, die ebenso schön und ebenso elegant waren als er.

      Aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich ohne den geheimnisvollen Vorfall, mit Hilfe dessen er sich in mein Leben eingeführt und der eine unauslöschliche Spur darin zurückgelassen, auf ihn nicht mehr geachtet haben als auf einen andern, und er wäre unbemerkt an mir vorübergegangen.

      Was die Situation betraf, in der ich mich befand, so war dieselbe jedenfalls viel besser, als die bei meiner ersten Ankunft in London. Wenn ich in Zurückgezogenheit und Einsamkeit leben wollte, so hatte ich eine lange Reihe von ruhigen Tagen vor mir.

      Wollte ich in London wieder mit demselben Glanz auftreten, wie ich es verlassen, so hatte ich einen oder zwei Monate Luxus jener Gesellschaft in die Augen zu werfen, unter welcher ich gelebt, und in welche ich stets unter denselben Bedingungen zurückkehren konnte.

      Ich warf, nachdem ich diese Betrachtungen angestellt, einen Blick in meinen Spiegel. Ich sah jünger, schöner und frischer aus als jemals, und wenn auf meinem Gesicht noch einige Spuren von den vergossenen Tränen zurückgeblieben waren, so wurden sie bereits durch ein halbes Lächeln verwischt.

      Nach dem geräuschvollen Leben, welches ich geführt, nach den festlichen Tagen, nach den durchspielten Nächten empfand ich nur ein Bedürfnis, nämlich das einiger Wochen Ruhe.

      Die heitere Ruhe meines Herzens war getrübt wie die Reinheit eines Sees nach einem Sturme. Man mußte ihm Zeit lassen, seine Durchsichtigkeit wieder zu gewinnen.

      Die ersten Tage der Einsamkeit, die ich in diesem kleinen Hause in Nutley verlebte, waren daher nicht ohne einen gewissen melancholischen Reiz, nach welchem ich mich zuweilen, selbst auf der Höhe meines Glanzes, zurückgesehnt habe.

      Ich fragte mich, ob dieses ruhige, bequeme Leben, wo ein Tag dem andern glich, beim Lichte besehen, nicht eigentlich das sei, für welches die Natur uns bestimmt hat.

      Dennoch aber antwortete auf diese Frage eine geheime Stimme, daß ich nicht zur Zahl der Menschen gehöre, für welche die Natur die Ruhe der Mittelmäßigkeit und die stillen Freuden der Einsamkeit aufgespart hat.

      Ich gehörte vielmehr zu jenen außergewöhnlichen Organisationen, die den Kampf und den Sieg oder die Niederlage bedürfen, welche die Folge davon sind.

      Auf welchem Theater sollte dieser Kampf meiner Zukunft gegen das Schicksal beginnen? Ich wusste es nicht; ich, die Athletin des Luxus und der Laune, fühlte aber, daß die augenblickliche Ruhe, in welche ich mich versenkt, nur die schnell vergängliche war, welche dem Kampfe vorangeht.

      Ich


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