Memoiren einer Favorite. Александр Дюма

Memoiren einer Favorite - Александр Дюма


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Ich verstand, daß Sir John das, was ich ihm in bezug auf Sir Harry gesagt, nämlich, daß ich diesen noch nie gesehen, bezweifelte.

      »Hören Sie mich an, Sir John,« sagte ich zu ihm. »Ich habe noch niemals gelogen und Sie, der Sie so gut gegen mich gewesen sind, würde ich weniger belügen als sonst jemand. Ich werde Ihnen daher alles sagen.«

      »O nein, nein,« hob er wieder an, indem er zu lächeln versuchte.

      »Ich will es aber,« entgegnete ich beharrlich. Mit wenigen Worten erzählte ich ihm, was mir in Miß Arabellas Garten in jener Nacht begegnet war, wo ich, während ich allein zu deklamieren glaubte, dort einen unbekannten Mitakteur gefunden, ich sagte ihm von dem Briefe, den ich den nächsten Tag empfangen, und wie, weil ich gerade denselben Tag mit Amy zu Sir John gegangen, um ihn um Dicks Freilassung zu bitten, ich den angeblichen Studenten von Cambridge nie wiedergesehen.

      Allerdings hatte ich gleich bei den ersten Worten, welche Sir Harry beim Eintritt in den Salon gesprochen, seine Stimme wiederzuerkennen geglaubt, allerdings hatte ich bei den ersten Versen, die er beim Auftreten als Romeo gesprochen, keinen Zweifel mehr gehegt, dennoch aber hatte ich, als ich Sir John versicherte, daß ich Sir Harry niemals gesehen, nichts als die reine Wahrheit gesagt.

      »Was wollen Sie, mein Freund?« setzte ich hinzu. »Wenn es von Seiten eines schwachen Wesens wie ich nicht allzu anmaßend wäre, so würde ich sagen, mein Leben sei einem Verhängnis unterworfen, gegen welches ich nichts vermag.«

      Sir John antwortete nicht, sondern seufzte bloß.

      In diesem Augenblick hörte ich unsere Zuschauer, welche mich, wie man im Theater zu tun pflegt, herausriefen.

      »Kommen Sie, liebes Kind,« sagte Sir John, »empfangen Sie die Huldigungen, welche Ihnen mit Recht gebühren.«

      Und er führte mich mit sanfter Gewalt zurück in das Gewächshaus, wo ich, sobald ich erschien, von allen umringt und beglückwünscht ward, ausgenommen von Sir Harry, der sich abseits hielt, dessen Augen mir aber mehr sagten als alle Beifallsbezeigungen seiner Freunde, wie stürmisch und übertrieben dieselben auch waren.

      Viertes Capitel

      Die Vorstellung war noch nicht zu Ende. Nach der Balkonszene blieb uns noch die Fensterszene zu spielen übrig. Nach dem Ausdruck der Sehnsucht hatten wir den des Glücks zu malen.

      Ich fürchtete diese zweite Leistung sehr und bat, Ermüdung vorschützend, Sir John leise und seine Freunde laut, mir das weitere zu erlassen.

      Das krampfhafte Zucken meiner Muskeln aber, mein funkelnder Blick und der fieberhafte Klang meiner Stimme verrieten im Gegenteil, daß ich mehr der Ermüdung als der Ruhe bedurfte.

      Die Zuhörer beharrten auf ihrem Verlangen. Mein Herz stimmte mit diesen Bitten zu sehr überein, als daß ich lange hätte widerstehen können. Ich gab nach.

      Diesmal hatten wir, Sir Harry und ich, wie man sich erinnern wird, gemeinschaftlich auf dem Balkon zu erscheinen. Mein Arm mußte seinen Hals umschlingen, meine Augen sich in die seinigen verlieren und unser beider Herz vor Liebe beben.

      Sir Harry sah sich daher in dieser improvisierten Kulisse einen Augenblick lang mit mir allein.

      Er näherte sich mir, umschlang mich mit seinem Arm und drückte mich an sein Herz, indem er das einzige Wort murmelte:

      »Endlich!«

      Ich ward wie von einem elektrischen Schlag durchschauert. Meine Augen schlossen sich, ich schlang meine Arme um Romeos Hals, indem ich einen leisen Schrei entschlüpfen ließ.

      Dann weiß ich nicht mehr, wie es geschah, aber es war als würden meine Lippen von einer Flamme berührt. Es war nicht der erste Kuß, den Julia empfing, wohl aber der erste, den Romeo ihr gab.

      Ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe.

      Sir Harry zog mich in der Richtung des Fensters. Ich machte eine gewaltige Anstrengung über mich selbst und war wieder Herrin meines Willens. Eine ganze Nacht der Liebe hätte mich nicht besser auf jenen so berauschenden und zugleich so schmerzlichen Abschied vorbereiten können, welcher der ewigen Trennung der Liebenden von Verona vorangeht.

      Unser Erscheinen ward mit einstimmigem Beifall begrüßt.

      Die Reihe des Beginnens war an mir. Selbst die studierteste Kunst hätte in meine Stimme keinen so wahren Ausdruck legen können wie der Zustand, in welchem sich mein Herz befand.

      Die schönen Verse Shakespeares entquollen meinem Munde wie der süßeste Honig, und als Sir Harry antwortete, er verlange nichts inniger, als bei mir zu bleiben und für mich zu sterben, verkündete ein dreifacher Beifallssturm, daß jeder bereit sei, es ebenso zu machen wie der falsche Romeo.

      Unsere Szene hatte ihren Fortgang und machte alle Phasen durch, womit Shakespeares gewaltiges Genie sie koloriert hat. Als Romeo aber sich meinem Arm entwand, war es mir, als löste meine Seele sich von mir, und ich sank wie geknickt auf die Knie nieder.

      Man nahm das, was nur eine Schwäche des Körpers war, für eine Begeisterung des Herzens.

      Ich spielte den übrigen Teil der Szene über den Balkon hinausgebeugt und mich an das Geländer anklammernd.

      Als Romeo sich, mir sein letztes Lebewohl zuschickend, entfernte, machte mein Trennungsschmerz sich auf eine Weise Luft, daß man nicht anders glauben konnte, als es sei wirklich der Schmerzensschrei eines Körpers, der seine Seele sich losreißen fühlte.

      Vergebens würde ich versuchen, den Enthusiasmus, welchen diese Szene hervorrief, und den wahnsinnigen Beifall, der ihr folgte, zu schildern.

      Was mich betraf, so war ich halb ohnmächtig auf dem Balkon zurückgeblieben.

      Sir John näherte sich mir, richtete mich in seinen Armen empor und trug mich mehr, als er mich führte, in die Mitte seiner Freunde zurück.

      Sir Harry bekam ebenfalls seinen Anteil an den Lobsprüchen, die er aber bescheiden ablehnte und ausschließlich mir zuwies.

      Sir John faßte unsere beiden fieberhaft glühenden Hände in die seine, welche kalt und feucht war, und sagte:

      »Wenn Romeo und Julia einander so geliebt hätten, wie ihr, so würde der Tod, so unerbittlich er sonst auch ist, nicht den Mut gehabt haben, sie zu trennen.«

      Ich betrachtete ihn mit Erstaunen und zog meine Hand zurück, die er mir erst nach einem feurigen Druck zurückgab.

      Wir tranken Tee, dann zog Sir John seine Uhr heraus.

      »Meine Herren,« sagte er, »um zwölf Uhr bin ich genötigt, Sie zu verlassen. Die Admiralität hält eine Nachsitzung. Wir haben also noch eine Viertelstunde miteinander zuzubringen.«

      Dann nahm er mich beiseite und fuhr fort:

      »Ihnen, liebe Emma, sage ich nicht Lebewohl. Es ist möglich, daß die Sitzung zeitig genug endet, um mir zu gestatten, wiederzukommen und die Nacht bei Ihnen zuzubringen. Warten Sie jedoch nicht auf mich, sondern legen Sie sich zu Bett und schlafen Sie. Ich habe meinen Schlüssel. Machen Sie sich daher um mich keinerlei Unruhe.«

      Ich weiß nicht, warum mich bei diesen Worten ein kalter Schauer durchrieselte.

      »Können Sie denn nicht von dieser Sitzung wegbleiben?« fragte ich, ohne recht zu wissen, ob ich auch wirklich wünschte, daß er bliebe.

      »Unmöglich,« antwortete er.

      Dann kehrte er an den Teetisch zurück, um welchen herum seine Freunde gruppiert waren, plauderte und machte eine sichtbare Anstrengung, seine Gemütsbewegung hinter einer erheuchelten Heiterkeit zu verbergen.

      Die Viertelstunde verging. Man hörte die Mitternachtsstunde schlagen.

      Sir John zog zum zweiten mal die Uhr. Sie stimmte mit dem Schlage der Turmuhr überein.

      Die Herren begriffen, daß es Zeit für sie war, sich zu entfernen. Sie nahmen daher Abschied von mir, Harry ebenso wie die andern, aber mit einem Blick tiefer Trauer, dann kam Sir John auf mich zu, küßte mich auf die Stirn und sprach die beiden Verse Romeos:

      »Es senke sich der Schlummer leis' auf dich herab,

      So wie die Biene auf den Kelch


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