Frau Dirne. Artur Landsberger
wußten nicht, wohin mit den Beinen und den Schleppen. Nur die blasse, schlanke Marianne gab sich völlig natürlich und lachte laut, als sich Lona und die Rothblonde in ihren Schleppen verwickelten.
Die Baronin erschrack, als hätte sie es für unmöglich gehalten, daß eins dieser Mädchen einen menschlichen Laut von sich gäbe.
»Meine Damen!« begann Frau Ina, und die Mädchen, die an alle Schimpf- und Liebesworte, nur an keine formale Anrede – und nun gar an diese! – gewöhnt waren, grienten teils, teils senkten sie den Kopf und schämten sich – aus einem Gefühl heraus, das Ina später verstehen lernte. »Von heute ab«, fuhr sie fort und genoß während sie sprach, die Wonnen eines Würdenträgers, der sein hohes Amt antrat, »unterstehen Sie mir. Das Ehepaar Löschner tritt zurück. Ich trete an ihre Stelle. Mehr, als das unter der bisherigen Leitung der Fall war, wird von nun ab vor allem auch für ihr seelisches Wohl gesorgt werden. Sie werden in mir und den Meinen – dabei wies sie auf die Baronin und den Rittmeister – »dies da ist meine Mutter, dies mein Mann – Menschen finden, die für alles, was Sie bewegt, Verständnis haben. Das ganze Unternehmen, das in dieser Form unwürdig und veraltet ist, wird auf eine völlig neue Basis gestellt werden.«
Von alledem verstand kaum ein Mädchen ein Wort. Nur als von der veralteten Form und der neuen Basis die Rede war, stieß die Rotblonde ihre Nachbarin, die nicht gerade die jüngste war, an und flüsterte ihr zu:
»Du fliegst!«
»Besitzen Sie außer diesen abscheulichen Kleidern nichts Anziehbares?« fragte Frau Ina.
Für die Mädchen antwortete Frau Löschner stolz:
»Die Schränke sind bis oben hin voll. Jede hat mindestens zwei Abendkleider, die meisten drei. Und Matinees über ein Dutzend.«
»Warum haben Sie sich denn so entstellt?« fragte Ina, und Löschner antwortete:
»Ihnen zu Ehren.«
Frau Ina lächelte, trat auf sie zu, gab jeder die Hand. Nur Marianne brachte es mit dieser Begrüßung in Zusammenhang, daß sie sich zuvor die dicken wildledernen Reithandschuhe überzog und dachte:
»Wie viel Ehre! das tut sie nur unsertwegen«, während der gutmütige Rittmeister peinlich berührt war und sich sagte:
»Diese Kränkung könnte sie ihnen auch ersparen.«
Einige blieben sitzen, einige standen auf, als Frau Ina ihnen die Hand reichte. Änne schien sich zu schämen und sah zu Boden. Die Anderen waren gleichgültig. Marianne war gerührt und weinte.
»Also, meine Lieben,« fuhr Frau Ina nach vollendeter Prozedur, während der sie den Atem anhielt, fort, »während der baulichen Renovationen in diesem Hause bringe ich Sie in meiner Villa unter.«
»Allmächtiger!« platzte die Baronin heraus und hielt sich an ihrem Schwiegersohne fest. Und Katz, der bisher schweigend und staunend alles mit angesehen hatte, trat an Frau Ina heran und sagte:
»Das verstößt gegen die polizeiliche Vorschrift.«
»Mit den Leuten verständige ich mich schon«, erwiderte Frau Ina und zu den Mädchen gewandt, fuhr sie fort:
»Gehen Sie nun bitte hinauf und ziehen Sie sich etwas Anständiges an; möglichst ein einfaches Straßenkleid oder Kostüm.
Die Mädchen sahen ängstlich und fragend Frau Löschner an.
»Meine Mädchen streichen nicht auf der Straße herum,« sagte die Alte herausfordernd. »Das hatten sie bei mir nicht nötig.«
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