Frau Dirne. Artur Landsberger

Frau Dirne - Artur Landsberger


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eine kurze Bewegung, die niemand sah, und der Papagei kreischte der Baronin ins Gesicht:

      »Quatsch nicht!«

      Damit war sein Repertoire erschöpft. Doch dem tiefsinnigen Beobachter wurde klar, daß dieser Sprachschatz für die Unterhaltung in einem sogenannten besseren Salon durchaus genügte.

      Der Diener kam und reichte Frau Ina eine Karte.

      »Haben Sie nicht gesagt, daß Besuch da ist?«

      »Wenn gnädige Frau wenden wollen.«

      Frau Ina wandte die Karte und las:

      »Ich habe unbedingt und unaufschiebbar mit Ihnen zu sprechen.«

      »Geh!« trieb ihre Mutter, die über ihren Nachbar hinweg schneller als sie Name und Text der Karte entziffert hatte, sie an.

      Ina stand auf, entschuldigte sich und ging. Als der Graf ihr lässig die Hand reichte, wurde sie rot und zitterte in den Knien; den fragenden Blick ihres Mannes ließ sie unbeantwortet, zerknitterte die Karte und ging hinaus.

* * *

      Der Diener hatte den alten Katz in den vorderen Salon geführt, der von dem erlesenen Geschmack Frau Inas und ihrer Mutter zeugte und auf Generationen alten Reichtum schließen ließ.

      Katz zog den abgeschabten roten Glacéhandschuh von der rechten Hand, fuhr sich mit den ungepflegten Fingern durch das ergraute Haar, kaute an seinem Zigarrenstummel, musterte mit ein paar Blicken den Salon, ging auf ein kleines Schränkchen zu, in dem allerhand alter Schmuck aufgebaut war, schloß es auf, nahm einen breiten Platinring mit glitzernden Steinen heraus und steckte ihn sich in die Tasche. Dann zog er den abgeschabten roten Handschuh wieder auf.

      Ungeduldig sah er zur Tür. Nebenan hörte man Schritte. Gleich darauf betrat Frau Ina den Salon.

      Katz sagte ohne sich zu verbeugen:

      »Guten Tag!«

      Frau Ina bewegte leicht den Kopf, wies mit ihrer weißen schlanken Hand auf einen Stuhl und sagte:

      »Bitte!«

      Katz setzte sich, griff in die Tasche, legte ihr ein Papier vor und sagte:

      »Unterschreiben Sie!«

      Dabei schob er den abgekauten Zigarrenstummel, der nicht mehr brannte, in den anderen Mundwinkel, wobei die Asche auf den Tisch, dicht neben das Papier fiel.

      Frau Ina, deren Gedanken noch bei dem Grafen und Miras schönen Beinen waren, überflog das Papier, verstand es nicht und sah Stanislaus Katz, der schmutzig und aus Lodz war, fragend an.

      »Worauf warten Sie?« fragte der und hielt ihr die Füllfeder hin.

      »Auf das Geld«, erwiderte sie.

      »Es sind die Zinsen für das schuldige Kapital.«

      Er legte seine Füllfeder neben das Papier.

      Frau Ina rührte sie nicht an. Sie stand auf, nahm das Papier, ging damit zum Schreibtisch, nahm ihren Halter und unterschrieb.

      Katz zerbiß wütend seinen Stummel und steckte seine Füllfeder wieder ein.

      »Es klebt kein Dreck dran«, sagte er.

      Frau Ina erwiderte:

      »Aber Sünde.«

      »Mein Beruf und Frömmigkeit vertragen sich nicht miteinander.«

      »Um so mehr Grund hätten Sie, zur Beichte zu gehen.«

      Katz wehrte ab. Mein Beruf fordert Diskretion. Oder wäre es Ihnen lieb, wenn ich dem Probst Weidner von Ihren Beziehungen zu dem Grafen . . .«

      Frau Ina wurde kreidebleich, richtete sich auf und fuhr ihn an:

      »Schweigen Sie!«

      »Wenn ich im Beichtstuhl säße und er die Geldgeschäfte machte – vielleicht, daß Sie dann freundlicher zu mir wären.«

      »Schweigen Sie!« wiederholte Frau Ina, und ihre Stimme überschlug sich. »Sie mischen irdische und weltliche Dinge – Sie versündigen sich!«

      »Wir sind allein, und ich konstatiere Tatsachen.«

      »Das sind Dinge, die mit unseren Geschäften nichts zu tun haben. Wenn ich im Guten auf Sie einzuwirken versuche, so brauchen Sie nicht ausfallend zu werden.«

      »Ich bin ein Mensch, der mit beiden Füßen fest auf der Erde steht und kein Ohr für das Paradiesgeklimper hat.«

      »Schlimm für Sie!«

      »Jedenfalls ist die Hilfe, die ich Ihnen hier auf Erden leiste, zuverlässiger als die Versprechungen, die er Ihnen auf das Jenseits macht.«

      »Sie tun es nicht aus Liebe!«

      »Und er nicht aus Religiosität.«

      Katz war aufgestanden und lehnte sich an den Schreibtisch, der dicht neben dem Sessel stand, auf dem Frau Ina saß. Sie hielt noch immer den Halter in der Hand.

      »Zerreißen Sie den Wisch«, sagte er und beugte sich zu ihr.

      Sie warf den Halter hin und schob ihm das Blatt zu.

      »Zerreißen Sie's!« wiederholte er mit belegter Stimme und griff nach ihrer Hand.

      »Was fordern Sie?« fragte sie leise.

      »Nicht mehr als das letzte Mal.«

      Sie beugte sich in den Sessel zurück und schloß die Augen. Katz nahm den Stummel aus dem Mund, schob sich zwischen Sessel und Schreibtisch, stemmte die Arme auf die Lehne und drückte seine Lippen auf Frau Inas Mund. – Zwei Sekunden lang – dann schob sie ihn zur Seite und sagte:

      »Genug! Mein Mann ist da.«

      Katz, der außer Atem war, lächelte und meinte spöttisch:

      Der kommt – doch nicht – ohne daß – Sie ihn rufen.«

      Dann trat er zur Seite, atmete auf, nahm das Papier, zerriß es, warf es in den Papierkorb und sagte:

      »Man ist bescheiden«, und lachte laut auf. Dann fügte er leise hinzu: »und doch nicht dumm.«

      Das klang so herausfordernd, daß sich Frau Ina, die noch immer ihr Spitzentuch vor den Mund hielt und sich damit die Lippen betupfte, in ihrem Sessel aufrichtete und zu ihm umwandte.

      Katz zog den Mund breit, griente, wies auf den Papierkorb und fragte:

      »Was war der Schein wert?« Frau Ina fuhr auf: »Sie haben mich betrogen!«

      »I Gott bewahre!« erwiderte er. »Höchstens Sie mich.«

      »Was bedeutet das?«

      »Der Schein war richtig ausgestellt über viertausendfünfhundert Mark Zinsen, die Sie mir schulden.«

      »Nun also.«

      »Aber, was war er wert? Wovon wollten Sie zahlen?« – Er sah sich im Zimmer um. »Alles, was in der Wohnung steht, alles, was Sie am Leibe haben, gehört mir. – Nur Sie noch nicht.«

      Frau Ina sprang auf.

      »Ich rufe meinen Mann!«

      Katz schüttelte in aller Ruhe den Kopf.

      »Das tun Sie nicht. Denn Sie wissen genau, der kann's nicht ändern. – Im übrigen: weiß er von alle dem was?«

      »Nein.«

      »Wovon glaubt er, daß das Geld für Ihren Luxus und Ihre Gesellschaften herrührt?«

      »Er ist ein Kind, das nicht nachdenkt und mir blind vertraut.«

      »Wollen Sie ihm nicht reinen Wein einschenken?«

      »Sie sagten doch eben selbst, er kann's nicht ändern.«

      »Aber am Ende muß er seine Dispositionen treffen.«

      »Er tut seinen Dienst – basta!«

      »Wenn Sie fallieren, wird er den Dienst quittieren müssen.«

      »Ich? – Wie meinen Sie das?«

      »Daß ich einzutreiben und zu versteigern gedenke.«

      Frau Ina fuhr


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