Justizmord . Artur Landsberger

Justizmord  - Artur Landsberger


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bringen Ihre Frau in schlechten Ruf.«

      »Ihr Leben ist mir wichtiger.«

      »Sie sehen immer gleich Tote.«

      »Wundert Sie das?« fragte Marot betont.

      6

      Frau Turel trat ins Zimmer, blieb an der Tür stehen und sagte:

      »Die Herren hatten geläutet.«

      »Sie sind die Hoteldetektivin?« fragte Marot – und Harvey fügte hinzu:

      »Eine so junge Dame auf einem so schwierigen Posten?«

      »Glauben Sie, daß das Alter die Klugheit gepachtet hat, Mister Harvey?«

      »Sie kennen mich? – Übrigens, so alt, wie Sie glauben, bin ich nicht.«

      »Ich mache mir darüber keine Gedanken.«

      Marot wurde ungeduldig:

      »Wollen Sie der Dame nicht sagen, weshalb wir sie haben rufen lassen?«

      »Gewiß! Also Fräulein . . .«

      »Turel ist mein Name.«

      »Fräulein Turel! wir sind beruhigt das heißt mein Freund« – er stellte ihn vor – »Andrée Marot – ist in Sorge.«

      »Sie ja auch.«

      »Ich gebe es zu.«

      »Darf ich endlich erfahren, worüber die Herren in Sorge sind?«

      »Frau Marot hat ihren Mann vor über einer Stunde verlassen.«

      »Im Bösen? Nach einem Streit? Aus Eifersucht? Nach einer Untreue? Mit Gepäck? Im Auto? Hatte sie Geld bei sich? Ja, so reden Sie doch! Einen Grund wird es ja wohl haben, wenn Ihre Gattin Sie mitten in der Nacht verläßt.«

      »Hat es auch«, sagte Marot. »Mister Harvey hatte ihr eine neue amerikanische Frisur in den Kopf gesetzt.«

      »Dann ist sie vermutlich zum Coiffeur gegangen.«

      »Ausgezeichnet!« erwiderte Harvey nicht ohne Ironie. »Aber was uns beunruhigt: sie ist nicht wieder zurückgekehrt.«

      »Eine gute Stunde für eine neue Frisur – das ist durchaus normal.« – Mister Harvey und Marot atmeten auf. »Im übrigen hätten Sie beim Hotelfriseur doch nur einmal anzuläuten brauchen.«

      »Warum haben Sie dies nicht getan?« fragte Harvey – und Marot erwiderte:

      »Weil ich so wenig daran gedacht habe wie Sie.«

      »Sie gestatten«, sagte Frau Turel zu dem Amerikaner gewandt und nahm den Hörer ab.

      »Selbstredend«, erwiderte Harvey, verbesserte sich schnell, wies auf Andrée und sagte: »Das heißt, das Zimmer gehört dem Ehepaar Marot.«

      Frau Turel sprach bereits mit François Robert, der ihr den Hotelklatsch des Tages erzählen wollte. Die Turel wehrte ab:

      »Alles das hat Zeit für später. Sagen Sie mir nur, ob vor einer Stunde eine Dame bei Ihnen war, der Sie eine neue amerikanische Frisur gemacht haben.«

      »Nein!« erwiderte Robert so laut, daß die beiden Männer es hörten und verzweifelt riefen:

      »Großer Gott!«

      »Ich kopiere nicht!« fuhr der Coiffeur fort. »Meine Frisuren sind sämtlich eigene . . .«

      »Schon gut«, fiel ihm die Turel ins Wort. »Es war aber eine Dame bei Ihnen?«

      »Eine Dame? – nun ja – wie man es nimmt. Wie soll sie denn aussehen? Die Marquise von Poittiers war es jedenfalls nicht – und die Prinzessin von Wagram auch nicht.«

      »Einen Augenblick«, erwiderte Frau Turel, wandte sich an Marot und sagte: »Bitte, beschreiben Sie mir Ihre Gattin.«

      Marot erwiderte zerfahren:

      »Sie ist. . . hübsch.«

      »Schön ist sie!« verbesserte der Amerikaner.

      »Was für eine Figur?«

      »Figur?« wiederholte Marot und überlegte. »Sie ist nicht dick – aber auch nicht übermäßig schlank.«

      »Sie hat eine auffallend gute Figur«, erklärte Harvey, »ist grazil, graziös und ' hat einen leichten schwebenden Gang.«

      »Ja«, sagte Marot, »einen guten Gang hat sie – das ist mir auch schon aufgefallen.«

      Frau Turel, die jedes Wort weitergab, fragte:

      »Die Haarfarbe?«

      »Wechselnd«, sagte Marot zögernd »das heißt. . .«

      »Naturblond, voll, weich«, fiel ihm Harvey ins Wort – und Marot erwiderte:

      »Woher wissen Sie, daß das Haar meiner Frau weich ist?«

      »Weil ich Sie oft genug darum beneidet habe, wenn Sie ihr mit der Hand durchs Haar gefahren sind.«

      Frau Turel, die sich inzwischen weiter mit Robert verständigt hatte, wandte sich wieder an Marot und fragte:

      »Besondere Kennzeichen?«

      »Keine!«

      »Doch!« widersprach Harvey. »Einen entzückenden Leberfleck hinter dem linken Ohr.«

      »Soo?« sagte Marot erstaunt – und François Robert, an den Frau Turel den Leberfleck weitergab, erwiderte in einem Ton, der niederträchtig klang und den Anschein erwecken sollte, als wüßte er um die geheimsten Dinge dieser Frau:

      »Nicht nur hinter dem linken Ohr.«

      Frau Turel hing den Hörer an, wandte sich an Marot und sagte:

      »Ihre Gattin muß demnach jeden Augenblick hier sein.« – Dann beugte sie leicht den Kopf, sagte »Gute Nacht!« und verschwand. Als sie draußen war, sagte Harvey: »Sie kennen ja nicht mal Ihre eigene Frau.« »Sie scheinen sie dafür um so besser zu kennen«, erwiderte Marot, der die ganze Zeit über zu Frau Turels Belustigung mit seinen Hosen gekämpft hatte, ohne verhindern zu können, daß sie nun endgültig zu Boden fielen.

      »Vielleicht, daß Sie das doch lieber da drin fortsetzen«, sagte der Amerikaner und wies auf die Koje – in der Marot dann auch verschwand, das Licht anknipste und sich, soweit man das durch den mattbeleuchteten Vorhang, der nicht mehr als die Umrisse erkennen ließ, verfolgen konnte, weiter auszog.

      Mister Harvey setzte sich eben wieder an den Tisch, auf dem die Cocktails standen, als die Tür geöffnet wurde und Dorothée ins Zimmer trat.

      7

      Dorothée sah in ihrer neuen Frisur bezaubernd aus. Da aber Mister Harvey sich darauf beschränkte, zu sagen:

      »Ich bin wie erlöst, daß Sie da sind,« – so fragte sie – nachdem sie schnell noch einen Blick in den Spiegel geworfen hatte:

      »Und wie gefällt Ihnen die neue Frisur? Sehe ich aus, wie Sie es sich gedacht haben?«

      »Genau so,« erwiderte Harvey.

      Dorothée stutzte, sagte erstaunt:

      »So?« – wandte sich um und fragte: »Wo ist denn Andrée?«

      Mister Harvey wies auf die Koje, hinter der man Marots Schatten sah

      »Du gehst zu Bett, während du Besuch hast?« rief Dorothée ihm zu.

      »Ich bin todmüde. – Im übrigen gilt Mister Harveys Besuch dir.«

      »Ich hatte in der Tat den Wunsch, Ihnen noch gute Nacht zu sagen und« – fügte er zögernd hinzu und wies auf den Tisch, auf dem die vollen Gläser standen – »vor dem Schlafengehen noch einen selbstgemixten Cocktail mit Ihnen zu trinken.«

      »O, wie nett!«

      Harvey reichte ihr das Glas, stieß mit ihr an und sagte:

      »Auf daß alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen.«

      »Das hängt vor allem von Ihnen ab.«

      »Auf Paris also.«

      »Ich


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