Wie Satan starb . Artur Landsberger

Wie Satan starb    - Artur Landsberger


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um auf besagten Schuster zurückzukommen – du lieber Gott, es kann ja nicht jeder Landrat sein! – Also dieser Priester hat sich gleich bei Beginn des Krieges ein großes Lederlager angelegt und das ständig erweitert. Kurz und gut, der Mann soll heute seine vierzig Millionen haben. Denken Sie, Landrätchen!«

      »Ja, was jeht das denn uns an?« fragte der Landrat.

      »Unter Umständen viel,« erwiderte Margot. »Der Mann hat außer einer Frau nämlich auch einen erwachsenen Sohn.«

      »Wa . .« stieß der Landrat hervor, »und der soll am Ende« – er wies auf Margot – »wie? am Ende jar an Stelle von Peter treten? Pfui Deibel!« – Dann lachte er laut auf und sagte: »Ergebensten Diener!« und wandte sich zur Tür.

      »Hallo!« rief Margot. »Einen Augenblick, Herr Landrat, so lassen Sie mich doch ausreden. Dieser junge Mann hat studiert und ist Dr. med.«

      »Die Laufbahn eines Schustersohnes interessiert mich nicht.«

      »Aber meine Mama. Passen Sie auf, wie komisch. Dieser Schuster . . .«

      »Scheußlich!« sagte der Landrat und wandte sich wieder um. »Da dieser . . . Mensch durch Sie in Beziehung zu meinem Schwager, dem königlich preußischen Regierungsassessor Dr. von Reinhart jebracht wird, so haben Sie jefälligst die Jüte und nennen ihn nicht immer Schuster.«

      »Ja, aber wie soll ich ihn denn nennen?«

      »Sie sagten doch, er handelt mit Leder. Dann sagen Sie wenigstens Lederfritze.«

      »Gut, den Gefallen tu’ ich Ihnen gern, obschon er als einfacher Schuster tausendmal eher nach meinem Geschmack war als jetzt, wo er Millionär ist. Also denken Sie, wie entsetzlich komisch! Dieser Lederfritze ist plötzlich von einer krankhaften Sucht nach gesellschaftlichem Aufstieg besessen und hat den brennenden Ehrgeiz, in unsere Familie zu kommen! Mama, denken Sie doch, meine Mama, die gerade gelernt hat, sich auf dem Parkett zu bewegen ohne auszurutschen, die soll ihn zu sich emporziehen und gesellschaftlich lancieren.«

      »Und Sie? Was haben Sie damit zu tun?« fragte Zobel.

      »Ich soll seinen Sohn, dem er das großartigste Sanatorium der Welt erbauen will, heiraten! Nicht, himmlisch!«

      »Ich finde es degoutant,« sagte Hilde und führte die Hand vor den Mund, »wenn man denkt, mit wem man da konkurriert.«

      »Sieht man daran nicht besser als an allem andern, wie die Welt sich verkitscht hat?« fragte Margot, »wenn es so weit gekommen ist, daß meine Mama die Menschen gesellschaftlich zu sich emporzieht.«

      »Und wieweit ist die Sache gediehen?« fragte Zobel.

      »Ich wußte ja nicht, was hier wird,« sagte Margot. »Infolgedessen habe ich durch Launen und Ausflüchte die Entscheidung hingezogen. Lange wäre es nicht mehr gegangen.«

      »Sie hätten es, falls Peter ausgeschieden wäre, wirklich über sich gebracht . . .?« fragte Zobel.

      »Warum nicht? Ich denke mir so’n Leben im Sanatorium ganz amüsant. Denken Sie, mit wieviel Menschen man da in Berührung kommt. Wirklich Kranke dürften natürlich nicht aufgenommen werden. Das wäre für mich Bedingung. Aber leicht Nervöse. Gott, wer ist heute nicht nervös!«

      »Ich!« sagte der Landrat.

      »Das trifft natürlich nur auf die feiner Besaiteten zu,« erwiderte Margot, und der Landrat, der aus dem Ton die Ironie heraushörte, fragte:

      »Was?«

      »Ich meinte das nur ganz allgemein,« erwiderte Margot. »Und als Ort hatten wir Baden-Baden in Aussicht genommen. Da gibt’s zwar schon unzählige so’ner Nepplokale, aber das unsrige sollte alle andern in den Schatten stellen.«

      »Und der Mensch?« fragte der Medizinalrat.

      »Was für ’n Mensch?« erwiderte Margot.

      »Der dazu gehört! den Sie heiraten sollen?«

      »Ein allerliebster Kerl! Und verliebt, sage ich Ihnen. Also davon können Sie sich gar keinen Begriff machen, was der alles aufstellt, um aus mir das Jawort herauszubringen. – Aber er hat einen Fehler. Er hält sich nicht gut und hat einen schlechten Gang. Das kann ich auf den Tod nicht leiden. Und dann seine Hände! Nicht, daß er etwa einen Schusterdaumen hätte – Sie wissen doch: so!« – und dabei machte sie die entsprechende Bewegung, schüttelte sich und sagte: »Brr! – Das natürlich nicht. Aber die Hand gefällt mir nicht. Schade! Er ist sonst wirklich ein lieber Kerl! Na, und das Geld ist schließlich auch nicht zu verachten. Aber wie gesagt: alles in allem gefällt mir Peter doch besser! Wenigstens so, wie ich ihn in der Erinnerung habe. Auch alles Drum und Dran sagt mir mehr zu. Und da ich nun weiß: er lebt, ist da und ist gesund, so dränge ich Herrn Dr. med. Paul Priester morgen zu einer Erklärung und sage: Nein! – Auf das Gesicht bin ich gespannt. Er rechnet nämlich ganz bestimmt drauf, daß ich ja sage. Aber er wird sich damit eben abfinden, daß ich, wenn ich später von Peter mal ein paar Wochen getrennt sein will, sein Sanatorium nicht als seine Frau, sondern als sogenannte Patientin aufsuche. Das aber tue ich bestimmt! Das bin ich ihm sozusagen moralisch schuldig. Oder finden Sie nicht?« wandte sie sich an Ilse.

      »Ich kann das schwer beurteilen,« sagte sie. »Auf alle Fälle sind Sie also entschlossen . . .«

      »Peter zu heiraten,« beendete Margot den Satz und stand auf. »Ja! das bin ich!« wiederholte sie, streifte ihre weißen Schweden auf und trat vor Ilse und Hilde hin. »Ich verlasse mich nun also fest darauf.«

      »Das dürfen Sie!« sagte der Landrat.

      »Und was hätte nun zunächst zu geschehen?« fragte Margot.

      »Meine Mama fährt morgen nach Luzern und nimmt Peter in Empfang.«

      »Kann ich da nicht mit?« fragte sie lebhaft. »Himmlisch jetzt in Luzern. Im Hotel National! Das heißt, im des Alpes ist die Verpflegung besser. Aber da kann man nicht hin, weil es zu billig ist.«

      »Meine Mama hat den Wunsch,« erwiderte Ilse, »erst mal ein paar Tage mit ihrem Sohne allein zu sein.«

      »Das paßt mir ganz gut. Da habe ich ein paar Tage Zeit, meine Garderobe in Ordnung zu bringen. Und wie erfahre ich, wenn ich fahren soll?«

      »Das werden wir Sie natürlich, sobald Mama ihn gesprochen hat, wissen lassen,« erwiderte Ilse. – »Und wenn es Ihnen recht ist, machen wir morgen vormittag Ihren Eltern unsere Aufwartung.«

      »Natürlich! Das paßt sogar ganz gut und wird Mama über Dr. Priester hinwegtrösten.« Sie reichte allen die Hand, nickte ihnen noch einmal zu und sagte: »Also bis morgen.«

      Die Herren verbeugten sich. Zobel begleitete sie bis zur Tür. Ilse und Hilde sagten:

      »Auf Wiedersehen!«

      An der Tür drehte sich Margot noch einmal um und rief:

      »Und viele Grüße und eine glückliche Reise für Mama!«

      Im ersten Augenblick stutzten alle. Dann sagten sie wie aus einem Munde:

      »Danke!«

      Als sie draußen war, herrschte zunächst wieder tiefes Schweigen. Alle saßen unbeweglich und starrten vor sich hin. Der Landrat lehnte sich in den Sessel zurück, ließ das Monokel aus dem Auge fallen, zündete sich eine Zigarette an und sagte halblaut:

      »Na, ich danke!«

      Nach einer Weile sagte Ilse:

      »Ob das die richtige Frau für Peter ist?«

      »Kaum,« erwiderte Hilde.

      Der Medizinalrat machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte:

      »Mir mißfällt sie nicht.«

      Als Johann eine Viertelstunde später die Familie auf den Flur hinausbegleitete, sagte er:

      »Recht leise, wenn ich bitten darf, die Frau Geheimrat schläft.«

      Ohne ein Wort zu sprechen, zogen sie sich an und gingen auf den Zehen über die Terrasse die Treppe hinunter bis in den Hausflur, wo ihnen ein Diener leise die Haustür öffnete.

      Johann irrte.

      Wohl


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