Wie Satan starb . Artur Landsberger

Wie Satan starb    - Artur Landsberger


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unberechtigt.«

      »Ja, erlauben Sie mal, Verehrteste,« erwiderte der Landrat, »ich verstehe Sie jar nich . . .«

      »Na, wenn ich nicht so taktvoll wäre, könnte ich Ihnen das sehr schnell verständlich machen.«

      »Ich bitte ergebenst darum,« forderte er. »Wir sind nicht empfindlich.«

      »Na, vor vier Jahren lagen die Dinge doch wohl wesentlich anders.«

      »Inwiefern?« fragte Zobel, und Ilse meinte:

      »Ihre Ehe hat doch mit dem Krieg nichts zu tun.«

      »Indirekt schon,« erwiderte Margot. »Wie lagen denn die Verhältnisse, als Sie vor vier Jahren zu meinem ahnungslosen Vater kamen, um ihm klar zu machen, daß eine Ehe zwischen Peter und mir für beide Teile – na, wie soll ich sagen – also auf gut deutsch, Herr Landrat: eine aufgelegte Sache wäre.«

      »Wie, Sie wissen?« fragte Ilse erstaunt.

      »Alles weiß ich. Bei uns gibt es – das heißt gab es – denn jetzt, wo unsere Einverleibung in die Gesellschaft sozusagen beendet ist, hat sich auch bei uns manches gegen früher geändert – jedenfalls vor vier Jahren sagten wir uns noch alles. Na, und da weiß ich denn, was mir auch sonst wohl nicht eingegangen wäre, denn ich bin nicht auf den Kopf gefallen, daß auf Ihrer Seite der tadellose, gutaussehende junge Mann im Staatsdienst, mit der Aussicht auf eine große Karriere, aus alter, vornehmer Familie, die damals wenigstens noch keinen Schönheitsfehler aufwies, der ebenfalls gut aussehenden Tochter eines reich gewordenen Fabrikanten ohne Stammbaum und mit unverkennbar jüdischem Einschlag gegenüber steht.«

      »Das sind Nebenerscheinungen rein zufälliger Art,« log der Landrat.

      »Nein, nein, das sind die wesentlichen Voraussetzungen,« widersprach Margot. »Hier der gesellschaftliche Fundus, bei uns der materielle. Das ist ein ganz einfaches Exempel und geht von selbst auf. Und ist vor allem ein sichererer Wechsel auf die eheliche Glückseligkeit, als die himmelstürmende Liebe.«

      »Na, also,« sagte der Landrat. »Dann stimmt’s ja.«

      »Stimmte,« erwiderte Margot. »Durch diese Ehe wäre ich, und durch mich meine Familie, mit einem Schlage auf eine gesellschaftliche Stufe gerückt, auf die wir sonst vielleicht nie, im besten Falle aber in ein paar Jahrzehnten gerückt wären. Nun aber hat der Krieg mit seinem rasenden Tempo eine sogenannte neue Gesellschaft geschaffen, durch die wir mit einem Schlage aufgehört haben, Parvenüs zu sein. Neben denen bilden wir heute, da wir schon vor dem Kriege unser Haus, unsere Diener, unser Auto und unsere seidene Bettwäsche hatten – lachen Sie nicht! es ist so! – die sogenannte gute Gesellschaft.«

      »Na, na, na,« widersprach der Landrat ironisch. »Die jesellschaftliche Distanz zwischen Ihnen und uns, die bleibt doch wohl auf alle Fälle bestehen.«

      »Arg vermindert,« erwiderte Margot, »denn der Unterschied zwischen guter – das sind wir!« betonte sie übermütig, »und bester Gesellschaft, das sind Sie! ist allemal geringer, als der Unterschied zwischen Gesellschaft ganz allgemein und Parvenütum.«

      »Das trifft doch nur sehr bedingt zu,« sagte der Landrat, da ihm nichts Besseres einfiel.

      »Bedingt oder unbedingt,« erwiderte Margot. »Ich für meine Person pfeife auf den Kram. Mir genügt’s, wenn ich in großem Stile leben und mich gut kleiden kann. Schließlich läuft doch alles auf denselben Stumpfsinn hinaus. Aber für meine Eltern, das geben Sie zu, hat diese Ehe ein Teil ihres ursprünglichen Reizes eingebüßt.«

      »Ich wiederhole,« sagte der Landrat, der sich inzwischen angestrengt hatte, scharf zu denken, »das ist nicht logisch. Für jeden, der sehen kann, bleibt Klasse Klasse und Minderwertiges minderwertig.«

      »Es kommt nur darauf an, wie es äußerlich in die Erscheinung tritt,« erwiderte Margot, »und da hat sich das Bild eben verändert, wenn nicht gar ins Gegenteil gekehrt. Wenn Mama und Papa früher im Theater saßen, dann kamen sie vor Aerger, daß rings um sie überall Leute saßen, die ihnen gesellschaftlich unerreichbar blieben, überhaupt nie zu einem Genuß. Heute fühlen sie sich! Denn heute sind sie wer! Weil die meisten andern, die heute auf den teuren Plätzen sitzen, ganz einfach noch weniger sind als sie.«

      »Das ist doch dann aber sozusagen Selbstbetrug,« meinte Ilse.

      Margot sah den Landrat an und mußte lachen.

      »Worüber lachen Sie?« fragte der Landrat.

      »Mir kam nur so der Gedanke, ob am Ende nicht alles Selbstbetrug ist.«

      Der Landrat bekam einen roten Kopf und sagte:

      »Das soll doch nicht etwa heißen, daß jede jesellschaftliche Distanz, womöglich also auch die zwischen uns und dieser sojenannten neuen Jesellschaft – pfui Deibel! – jar nich vorhanden is und nur auf Selbstbetrug beruht? wo se doch nachweisbar existiert. Zum Fassen deutlich. Einfach da is, für jeden, der Augen hat und sehen will.«

      »Hat Ihr sogenannter gesellschaftlicher Aufstieg denn auch eine Wandlung Ihrer Gefühle zur Folge gehabt?« fragte Zobel.

      »Meine Gefühle?« wiederholte Margot. »Was für Gefühle?«

      »Nun, zu Peter natürlich.«

      »Zu Peter?« fragte sie erstaunt, »den ich kaum kenne?«

      »Ja, wenn Sie ihn doch aber heiraten wollen?« sagte Ilse.

      Margot lachte.

      »An zuviel Gefühl wird die Ehe jedenfalls nicht scheitern.

      Und daß eine Ehe je an zuviel Vernunft gescheitert wäre, ist mir jedenfalls noch nicht zu Ohren gekommen.«

      »Sie für Ihre Person haben demnach Ihre Stellung zu dem Projekte nicht geändert?« fragte Zobel.

      »Nein! Mir sagt es zu. Und wenn Peter äußerlich geblieben ist, wie er war, so gefällt er mir. Na, und wie er innerlich aussieht, erfahre ich ja doch erst in der Ehe.«

      »Dann ist ja alles gut,« sagte Zobel.

      »Ja! Aber Mama! Die ist nicht halb mehr so verrückt nach dieser Ehe wie vor vier Jahren.«

      »Sie sagten doch vorhin, Ihre Frau Mutter warte ungeduldig darauf, mit uns in Verkehr zu treten,« warf Hilde ein.

      »Ja, glauben Sie, daß das jahrelange vergebliche Warten sie grade günstig für das Projekt gestimmt hat?«

      »Hätten wir das doch gewußt,« sagte Ilse.

      »Mama gefällt sich augenblicklich nämlich in einer neuen Rolle.«

      »Darf man wissen, welche das ist?« fragte Ilse.

      »Gewiß! Es ist dieselbe, die Sie uns gegenüber spielen. Sie können sich vorstellen, was für ein Vergnügen ihr das bereitet.«

      »Janz unbejreiflich,« meinte der Landrat gekränkt. »Ihre Frau Mutter sollte dieselbe Rolle spielen wie wir?«

      »Ja, ja, Herr Landrat! Die Welt ist rund und dreht sich. – Wissen Sie, was Leder ist?«

      »Leder?« wiederholte der Landrat. »Was für ’n Leder?«

      »Einfach Leder! Ich kann Ihnen verraten, Herr Landrat, daß das heute keine schlechte Sache ist.«

      »Ich denke,« erwiderte der Landrat, »daß Ihr Vater sein Vermöjen in Terrains jemacht hat?«

      »Gewiß. Aber vielleicht kennen Sie Herrn Priester?«

      »Priester?« wiederholte der Landrat. »Ne, wer soll’n das sein?«

      »In Firma A. W. Priester, bis zum Jahre 1914 Schuhmachermeister.«

      »Ich verstehe jar nich, wie ich zu so ’ner Bekanntschaft kommen sollte.«

      »Es wäre doch möglich, zumal er nur Schuhe nach Maß anfertigte,« sagte sie und sah auf seine Schuhe – »aber nein, Sie tragen ja fertige Stiefel. Wie unschick! Ich hoffe, daß Peter das nicht auch tut. Sonst gewöhne ich’s ihm ab. Ich bin in solchen Dingen sehr peinlich. Und ein Mann mit schlechtem Schuhwerk ist für mich schon erledigt.«

      »Ich kann Sie beruhigen,« sagte Ilse, während der Landrat seine


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