Herd und Schwert. Fritz Skowronnek
Herr von Berg, kosten Geld.«
»Gewiss kosten sie das, es muss aber eben darauf angewandt werden.«
»Auch wenn man keins hat?« fragte sie mit verzweifeltem Lächeln.
»Sie bilden sich ja nur ein, dass Sie keines mehr haben,« sagte er. »Wenn Sie Ihr Gut verkaufen, so bleibt Ihnen, wenn Sie einen rechtschaffenen Käufer haben, dem daran liegen muss, das Land in seine Hand zu bekommen, weil er dadurch, so wie ich, sein eigenes Gut arrondieren kann, dann sicher nach Abzug aller darauf lastenden Schulden, gewiss noch eine Summe übrig, die jedenfalls hinreichen dürfte, Ihren Lebensbedürfnissen zu genügen und jene Ausgaben zu ermöglichen, die Sie ja selbst für notwendig halten. Und wenn das nicht der Fall wäre, dann müssten Sie eben mir erlauben, in meinem Interesse, im Interesse meines gefährdeten Wildstandes, das meinige dazu beitragen.«
Er lächelte, als er das sagte, sie aber rief:
»Herr von Berg!«
und die alte Empörung schien wieder in ihr zu erwachen.
»Mit Ihrer Entrüstung, mein verehrtestes Fräulein, kommen Sie nicht weit. Wenn Sie mir das Recht nicht geben wollen, zu helfen; wenn Ihr krankhafter Stolz sich wirkliche immer noch dagegen aufbäumt, dann lässt sich eben nichts dagegen machen, dann sind Sie ebenso unheilbar, wie die Zustände auf Ihrem Gute.
Mein Recht, gnädiges Fräulein, mein ganz unumstößliches Recht, Ihr Fräulein Schwester ihrer Bestrafung zuzuführen, lasse ich mir nicht nehmen, und Sie gestatten wohl, dass ich diesmal Kläger und Richter in einer Person bin und demgemäß Ihr Fräulein Schwester zu zwei Jahren Festung, zwei Jahren Königsberg verurteile, die sie in einem guten Pensionate abzubüßen hat. Was aber Sie anbelangt, so rate ich Ihnen als Freund – ich weiß, ich weiß, als sehr unerwünschter und ungebetener Freund, meinen Vorschlag anzunehmen.«
Er sah, wie sie zusammenzuckte und förmlich nach Atem ringend, mit sich kämpfte.
»Ich verstehe,« sagte er, »wie schwer Ihnen der Entschluss werden muss. Denken Sie aber doch, was für ein Unterschied zwischen einem freihändigen und einem Zwangsverkaufe Ihrer Liegenschaften ist. Bei ersterem können Sie Ihre Bedingungen stellen, bei letzterem müssen Sie tatenlos zusehen. Stellen Sie doch diese Bedingungen. Das schwerste für Sie ist jedenfalls der Gedanke, das Haus, das Ihren Vätern gehört hat, das Haus Ihrer Jugend, verlassen zu müssen. Ist denn das aber nötig? Kann in den Kaufvertrag nicht eine Bedingung hineinkommen, die Ihnen das Recht gibt, auf dem Gut zu verweilen? Etwa als Eigentümern einer Sitzstelle mit Garten. Ist das nicht ein annehmbarer Vorschlag? Nehmen Sie ihn an, Fräulein Mertinat, es ist nur zu Ihrem Besten.«
Er streckte ihr seine Hand entgegen, als solle sie in diese einschlagen, sie aber übersah wohl geflissentlich seine Bewegung.
»Ich werde mich mit meiner Schwester besprechen,« sagte sie. »Nicht mit meiner Schwester Georginne, sondern Malvine. Leben Sie wohl, Herr von Berg.«
Damit war sie gegangen. Er hatte sie bis zur Tür begleitet.
Ein stummer, ganz förmlicher Gruß und dann … war alles vorbei.
Das heißt, nicht alles, denn Herr von Berg nahm seine Zigarre, zündete sie sich an und warf sie nach wenigen Augenblicken mit einem Ausruf des Zornes weit von sich weg.
»Kurtchen, mein alter Junge, ich glaube, du warst eben ein recht großer Esel oder bist auf dem besten Wege, es zu werden.«
Dann ging er hin, drehte das elektrische Licht wieder ab, steckte sich einen anderen Glimmstängel an, und gab sich seinen Gedanken wieder hin, die jetzt ganz, aber ganz anderer Art waren, als früher.
6. Kapitel
Am nächsten Tage schon wurden von Madeline von Mertinat die Verkaufsverhandlungen mit dem Herrn Oberinspektor der von Bergschen Güter begonnen.
Nicht mit Herrn von Berg selber, und so stand er persönlich, einem Ausgeschalteten gleich, bei dem ganzen Verkaufe hinter den Kulissen und gab nur vor dem Notar seine Unterschrift. Damit war die Sache erledigt, denn dass er sich nicht vordrängte, wenn man ihm so deutlich zeigte, wie man ihn mied, das war doch selbstverständlich…
Das Mertinatsche Gut hatte aufgehört zu bestehen, den drei Mertinatschen Töchtern aber war, ganz so, wie Kurt von Berg das in Vorschlag gebracht hatte, das Recht geblieben, das Gutshaus bis an ihr Lebensende zu bewohnen, und ein schönes Stück Hausgarten und Obstgarten war bei dem Hause geblieben, und ein Stück Feld und eine Wiese zum Nießbrauch auch.
Haus und Garten hatten sich die beiden Mertinats – denn Georginne war selbstverständlich fort – umfrieden lassen, wohl um damit anzudeuten, dass sie sich ganz für sich allein, von der Welt, zum mindesten aber von ihrer nächsten Umgebung abschließen wollten.
Selbstverständlich wurde dieser Wunsch respektiert, was aber nicht verhindern konnte, dass die Gedanken des jungen Gutsherrn, doch öfter als sie sollten, hinüberschweiften nach dem Mertinatschen Hause und seiner schönen Insassin.
Diese selbst hatte sich mit dem Schicksal abgefunden, ja, wenn sie offen gegen sich selber sein wollte, musste sie sich sogar gestehen, dass sie sich glücklich fühlte.
Die schwere Last der Sorgen, die auf ihr gewuchtet hatte, war von ihr genommen, ihr und ihrer Schwestern Leben war gesichert, ja sogar eine gewisse Behaglichkeit herrschte wieder in dem Hause, und das war mehr, weit mehr, als sie noch je vom Leben erhoffen zu dürfen geglaubt hatte.
Georginne schrieb aus Königsberg auch sehr übermütig, lustig und zufrieden »die anderen Mädels seien noch viel doller als sie«, und Madeline, die unter den Verhältnissen mehr als sie es gezeigt hatte, gelitten zu haben schien, bekam auch allen Lebensmut wieder, der schon arg im Versagen gewesen war.
Ja, sie bekam wieder einen Anflug von Farbe, und in ihren Augen strahlte ein ruhiges, zufriedenes Glück.
Nur eines nagte an ihr, und das war, dass sie das alles dem Manne verdankte, den sie nicht nur darum, weil er der Erbe der Christine von Rosen war, hasste, sondern noch viel mehr, weil er sie seine Überlegenheit damals, als sie zum ersten und letzten Mal mit ihm sprach, so sehr hatte fühlen lassen.
Sie betrachtete darum auch stets ihr wiedergekehrtes Glück als eine Art Demütigung ihm gegenüber, aber als eine Demütigung, die zu ertragen ist, wie Malvine ihr in ihrem praktischeren Sinne sagte.
Das Haus des Herrn von Berg war übrigens durchaus nicht das geworden, was die Nachbarschaft, oder ein Teil der Nachbarschaft sich von ihm versprochen hatte.
Es war nicht das laute, fröhliche Heim eines sein Leben genießenden Junggesellen geworden, sondern das ruhige, behagliche Heim eines Mannes, der nach des Tages reichlicher und ernster Arbeit, in einer stillen Behaglichkeit sich selbst leben wollte und seine ruhige Zufriedenheit fand.
»Zufriedenheit ist aber nicht Glück, Herr von Berg,« hatte ihm Frau Strawischke gesagt. »Bei Ihnen müsste das Glück hier im Hause herrschen und das kann Ihnen nur eine Frau geben.«
»Das kann schon sein,« hatte Herr von Berg ihr zur Antwort gegeben, und der unwillkürliche Seufzer, der diese Antwort begleitet hatte, war von Frau Strawischke nicht etwa als ein Zeichen der Sehnsucht nach einer ganz bestimmten Person, sondern als allgemeines Sehnsuchtszeichen gedeutet worden.
Und so hatte sie sich denn beinahe den Mund fusselig darüber geredet, was für ein anderer Mensch man durch die Ehe gleich würde, und was für einen Segen die Ehe ins Haus bringe, obwohl der einzige Segen, den ihr die Ehe gebracht hatte, nur der sehr problematische ihrer sechs Töchter gewesen war.
In allem Übrigen aber war die Strawischkesche Ehe in geradezu kläglicher Weise gescheitert, was allerdings nicht an der netten, rundlichen Frau gelegen hatte, sondern ganz natürlich an ihm.
So oft auf dem Bergschen Gutshofe etwas los war, und das war wie gesagt nicht so oft, fuhr sie natürlich mit allen Sechsen an, was die beiden Ältesten als eine verfehlte Taktik empfanden, da merkwürdigerweise die Männer für die Reife weit weniger Verständnis zu haben pflegen, als für das Grüne der vorlauten Jugend.
Mutter Strawischke hatte