Herd und Schwert. Fritz Skowronnek

Herd und Schwert - Fritz Skowronnek


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mehr dafür, und darum hat sich ja die selige, gnädige Frau auch so geärgert.«

      Natürlich befolgte Herr von Berg den Rat seines alten, erfahrenen Inspektors. Die Hypotheken waren bald alle in seiner Hand, die erste sowohl wie die zweite und dritte.

      Wenn er aber darauf gerechnet hatte, dass die Damen, wie er sie nannte, mit der Bezahlung der Zinsen im Rückstande blieben, so irrte er sich sehr. Mit einer ganz regelmäßigen Pünktlichkeit ging das Geld ein, und er rechnete es sich schon aus, dass, wenn es so weiterging, die Mertinats weiter zahlen würden, so lange auch nur ein Atemzug in ihrem Leibe und die letzte Faser Fleisch an ihren Knochen war.

      Ganz gegen seinen Willen rang ihm diese geradezu verzweifelte Hartnäckigkeit, mit der sie sich durchkämpften, ein Gefühl der Bewunderung ab, und eines Tages sagte er auch seinem Inspektor: »Die alten Damen flößen mir tatsächlich Respekt ein, Grundmoser, Ihnen nicht?«

      »Welche alten Damen?« fragte der, wie aus den Wolken gefallen.

      »Na, die ollen Margellen, wie Sie sie nennen, die Mertinats.«

      Da lachte aber der Inspektor hellauf, trotz seines Respekts vor dem Herrn.

      »Alte Damen?« rief er. »Wenn Sie sie nur sehen würden! Ganz junge Dinger sind’s, aber sie schlagen sich durch wie alte Kriegsveteranen, und namentlich die eine, die ficht und kämpft wie eine Katze.«

      »Jung also sind sie, Grundmoser?« fragte Herr von Berg, der maßlos erstaunt war, denn das gab jeder Sache ein ganz anderes Gesicht.

      »Ganz jung. Die älteste wird, na was wird sie sein? Wenn’s hoch kommt, ihre vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Jahr, und die jüngste und gerade die ärgste ist noch nicht einmal flügge, mit ihren sechzehn oder siebzehn Jahren. Unser Förster aber, glaub’ ich, kennt die Jüngste am besten.«

      »Wie ist das zu verstehen? Wie meinen Sie das?«

      »Na, man redet nicht gern davon, aber schließlich muss es Ihnen ja doch endlich gesagt werden, wenn Sie auch noch kein Interesse an der Jagd haben. Die Jüngste, – ein Racker! Na, wenn Sie die einmal kennen lernen! – Die treibt’s doch schon ein bisschen zu arg. Die hat nämlich die Forstmeisterei drüben unter sich, wie sie’s nennt. Stolziert in ihrem Forstanzug herum und ist ohne Flinte überhaupt im Wald nicht zu treffen. Schießt übrigens wie der Deuwel. Aber … hm … wie soll ich’s sagen? Sie beschränkt sich nicht auf das Wild aus dem eigenen Grund und Boden, sondern hat auch schon manch einen unserer Hasen und unserer Fasanen abgeschossen.«

      »Seht mal an,« sagte Kurt von Berg, um nur etwas zu sagen.

      »Wir hatten’s natürlich der Seligen seinerzeit vermeldet und die hatte mit den Achseln gezuckt und gesagt: ‘Lasst sie nur machen. Viel Schaden tut sie uns doch nicht, so lange sie’s nur für die eigene Küche braucht, und ich glaube fest, unser Wild richtet mehr Unheil auf ihren Äckern an, als sie uns schadet.’«

      »Da könnten die jungen Damen ja den Schaden anmelden,« sagte Herr von Berg.

      »Ja, das könnten sie wohl, aber da kennen Sie die Mertinatschen Mädels schlecht. Eh’ die einen Heller genommen hätten, eher wären sie verhungert. Nun handelt es sich nur darum, wie wir die Geschichte jetzt handhaben sollen.«

      »Wir lassen es natürlich beim Alten, also ganz so wie es zu Tante Christinens Zeiten gewesen ist.«

      »Das ist ja ganz schön und ganz gut,« sagte der Gutsinspektor, »aber die Sache hat einen neuen Haken bekommen. In Goldap ist nämlich seit einer Weile Wild auf dem Markt, das ganz sicher kein anderer hingeliefert hat, als die kleine Mertinat. Einmal hat unser Förster sie ja dabei erwischt, wie sie sich gerade einen Rehbock bei uns herausgeholt hatte, na und da hatte er, um ein Exempel zu statuieren, nicht viel Federlesens gemacht, hatte ihr ihre Büchse abgenommen, mit der sie den Bock geschossen hatte, und hatte sie bei der Gutsherrin zur Anzeige gebracht. Die aber hatte wieder nur gelächelt und gesagt: ‘Lassen Sie’s gut sein, Fröhlich, die Angst wird schon als Lektion gefruchtet haben. Geben Sie ihr die Büchse nur ruhig wieder. Sie soll sich’s aber gesagt sein lassen, dass so was nicht länger geht.’«

      »Na und?« fragte der Gutsherr, den die Sache sichtlich zu interessieren schien.

      »Unser Förster wollte die Kleine nicht vor ihren Schwestern blamieren. Er wartete also ab, bis er sie allein fand. ‘Ich habe Ihnen hier etwas zu geben, Fräulein Georginchen’, sagte er, ‘hier Ihr Gewehr, und Frau von Rosen lässt Ihnen sagen, sie sähe von einer Bestrafung noch ab und sie gäbe Ihnen sogar Ihr Gewehr zurück.’ Da aber hätten Sie die Kleine sehen sollen. ‘So? Tut sie das?’ rief sie. ‘Na, dann erzählen Sie ihr auch, wie ich ihr Geschenk aufgenommen habe und was ich daraus mache.’ Mit diesen Worten nahm sie das Gewehr und wollte es einfach über ihrem Knie zerbrechen. Als das aber nicht ging, da nahm sie’s, wirbelte es ein paarmal herum und schlug es mit solcher Gewalt gegen einen Baum, dass es in tausend Splitter ging. Die warf sie dem Kittler vor die Füße. ‘So, und das können Sie ihr auch mit zurücktragen.’«

      »Das muss ja ein ganz gefährliches Mädel sein«, rief Kurt von Berg.

      »Ist sie auch und wenn die so bleibt, dann Gnad’ Gott dem, der die einmal heimführt! Ich weiß aber immer noch nicht, was wir mit der kleinen Grünröckin tun sollen, wenn wir sie wieder einmal auf Wildfrevel erwischen.«

      »Ja, wenn Sie wirklich den Markt damit beschickt, dann ist das eine ganz verteufelte Sache«, erwiderte Herr von Berg. »Aber wissen Sie was, das Beste ist, Sie schreiben der Ältesten, wie die Sache steht und bitten sie, doch ein bisschen besser auf ihre jüngere Schwester zu achten und sie ein klein wenig mehr an der Kandare zu halten, damit sie ihre tollen Seitensprünge nicht mehr macht, die ihr teuer zu steh’n kommen könnten. Halten Sie aber das Schreiben in einem recht versöhnlichen Tone, aus dem sich sofort herauslesen lässt, dass wir die Sache nicht tragisch nehmen, denn das tun wir doch nicht, was? Solange sich der kleine Wilddieb in mäßigen Grenzen hält.«

      »Das zu beurteilen ist ganz Ihre Sache, Herr von Berg,« sagte der Inspektor, und der Brief ging ab.

      5. Kapitel

      Es war abends.

      Die Dämmerung, die alles Licht aus der sonst so hellen Arbeitsstube des jungen Gutsherrn allmählich vertrieben hatte, wich nun schon selber der Dunkelheit, in der sich Kurt am wohlsten fühlte, zumal wenn er die glimmende Glut seiner gut brennenden Zigarre, bei jedem Zuge, den er tat, in ihrem leuchtenden Rot aufzucken sah.

      Da konnte er am besten allen seinen Gedanken nachhängen, die ihn der wirklichen Welt entrückten und in das Reich jener Lebensträume führten, die mehr oder minder ja jeder für sich oder für andere spinnt.

      Plötzlich aber wurde er von Jons aus diesen Träumen durch die Meldung geweckt:

      »Es ist jemand draußen, der den Herrn gern sprechen möchte.«

      »Zu dieser Stunde? Wer denn, Jons? Etwa Herr Braczko?«

      »Nein, eine Dame. Eine von den Mertinats unten.«

      »Oh!« rief Herr von Berg ganz erstaunt und erhob sich aus seiner so wundervoll bequemen Stellung, die er bis jetzt eingenommen hatte.

      »Ich lasse bitten.«

      »Es tut mir leid,« sagte in demselben Augenblick eine sehr weiche, liebliche Stimme, »dass ich Sie zu dieser Stunde noch belästigen muss. Der Zweck meines Kommens duldet aber leider keinerlei Aufschub, wenigstens hätten wir, meine Schwester und ich, keine ruhige Stunde, ehe diese Sache geordnet ist.«

      Kurt von Berg war, während diese Worte wie Glockenton an sein Ohr schlugen, an die Tür getreten und hatte das elektrische Licht angedreht. Bei dem hellen Lichtschein, der plötzlich das ganze Gemach überflutete, sah er, nicht ein Weib, nein eine Vision, sah das Weib seiner Träume!

      Madeline von Mertinat war schlank, kraftvoll und sehnig gebaut, hatte aber einen Leidenszug auf ihrem Gesicht liegen, der ihre ganze Gestalt mit zu umfließen und ihrer ganzen Erscheinung den Wesenszug einer Dulderin


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