Bis an die Grenze. Grazia Deledda

Bis an die Grenze - Grazia Deledda


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e tornamila a dare

      Unu bestire ’e seda biaiatta,

      Dami sa manu, bellita, bellita.«3

      Zu Signora Zoseppa sagte er: »Die Weinstöcke sehen aus wie schwarze Schafe, so voller Trauben sind sie.«

      Der Tag verging schnell. Der Knecht, Signora Zoseppa und Luca, der sich ebenfalls eingefunden hatte, legten die Gärbottiche um und wuschen sie aus. Der Alte scherzte immerfort, und mitunter waren seine Reden so frei, daß die Herrin die Brauen zusammenzog. Luca arbeitete den ganzen Tag; den Kopf im Bottich, scheuerte er diesen mit einem Besen aus und war ganz still, wie berauscht von dem Mostgeruch, den das Holz noch ausströmte. Gegen Sonnenuntergang schien er der Arbeit müde, paßte schlau einen günstigen Augenblick ab und trank den Wein, den seine Mutter im Schrank geborgen hatte; dann legte er sich nieder und schlief.

      Nachdem auch Gavina den ganzen Tag gearbeitet hatte, ging sie und setzte sich auf einen großen Stein am Stamm der Eiche. Dort war es, als weile sie inmitten eines grünen Meeres: die rote, strahlenlose Sonne neigte sich den violetten Bergen zu und breitete einen lieblichen und melancholischen Schleier von rosigem Licht über die Weinberge und den Buschwald, auf dessen Lichtungen kleine, friedliche Pferde weideten, die aus der Entfernung aussahen wie schwarze Schafe. An der rotbestrahlten Eiche regte sich kein Blatt: es war, als ob die Natur schweigend dem großen Mysterium des Sonnenunterganges zuschaue. Und zum ersten Mal nach drei Monaten trüber Träumerei empfand Gavina, wenn auch gegen ihren Willen, die Freude am Leben; sie verspürte eine Bewegung, eine Regung süßer Melancholie, der gleich, die die Erde beim Abschiednehmen von ihrem besten Freunde, der Sonne, zu erfüllen schien. Und als sie gegangen war, und alle Dinge stiller und ernster erschienen, wie in die Erinnerung an den entschwundenen Freund versenkt, da dachte Gavina an Priamo.

      Er war fern und unglücklich, und vielleicht würde sie ihn nie mehr wiedersehen! So durfte sie bisweilen seiner gedenken ohne zu sündigen, ja sich freuen, daß sie ihre leidenschaftliche Liebe überwunden hatte!

      In den folgenden Tagen hörte sie Zio Sorighe, den Hüter und Dichter, manchmal von der Familie Felix reden: »Früher waren sie reich«, erzählte er, »aber sie haben viel Feindschaft, Streit und Unglück erfahren, und jetzt sind sie vollständig ins Elend geraten. Zum Glück ist noch der Kanonikus da, der sie unterstützt und seinen Sitz einst dem Neffen hinterlassen wird . . . wenn dieser es so weit bringt, daß er geschoren wird (Stirnrunzeln Signora Zoseppas). Ach, dem Burschen gefallen die Schürzen besser als die Soutane . . . ja, ja, das ist so klar wie die Sonne! Übrigens, wenn das nun einmal sein Charakter ist, was ist schlimmes dabei? Wem gefallen die Schürzen etwa nicht? Ich zum Beispiel . . .«

      »Still jetzt. Mann Gottes!«

      »Aber was sag’ ich denn? Ich sage bloß: hätten sie mich gezwungen, gegen meinen Willen Priester zu werden, so hätte ich . . . mich ebensogut amüsiert. Lustige Priester Hab’ ich genug gekannt! Pride Monnoi, z. B . . . habt ihr ihn nicht gekannt? Dann werd’ ich euch erzählen . . .«

      Aber Signora Zoseppa wollte von Priester Monnois Abenteuern nichts wissen. Und Gavina betete still, daß Priamo ein guter Diener des Herrn werden möge. In Rom, in der Stadt des Glaubens, würde er sich gewiß bekehren und das Amt, das seine Verwandten ihm auferlegten, mit Freuden annehmen. Und so begann sie in der Ferne wieder, an ihn zu denken. Abends namentlich zuckte die Erinnerung an ihn durch ihren Sinn gleich dem unsichern Schein der fernen Feuer, die in der einsamen Landschaft aufflammten und wieder erloschen.

      Die Nacht war dämmerhell, und die Luft roch nach Weinlaub und Haidekraut. Dann und wann ertönte die Stimme eines kleinen Hirten, der seine Herde auf die Wiesen führte, den trockenen Asphodelus abzuweiden; dann antwortete ihm die scharfe aber wohlgeübte Stimme des alten Weinberghüters, und beide Stimmen sangen Liebeslieder, die wie die Klage der von der abgeschiedenen Sonne träumenden Geholte erschienen.

      Auch die Eiche erschauerte leise. Es war, als erwache sie bei dem Gang der Liebe wie ein alter Verbannter beim Erklingen einer heimatlichen Melodie. Stärker regte sich alsdann bei Gavina der Gedanke an Priamo, und auch sie stimmte unwillkürlich in die Liebeslieder ein, die durch die Nacht zitterten.

      Eines Tages kamen nun die Winzer an, fast alle jung und fröhlich. Zio Sorighe dichtete für jede Winzerin eine Ottava und fand viel Beifall, doch auch einigen Widerspruch wegen allzu gewagter Behauptungen. Luca, der von der Stadt zum Weinberg kam und ging, ereiferte sich gegen den Hüter, der ihn als einen Tugendbold hinstellte, der die Weiber nicht ansähe und von den andern verlangte, sie sollten ein gleiches tun. Der lustige Alte lachte Luca ins Gesicht und dieser ging zu seiner Mutter und forderte die sofortige Entlassung Zio Sorighes.

      »Ich werde den Hüter machen und alles selbst tun!«

      »Ach wirklich?« sagte Gavina geringschätzig, »wirklich du?«

      »Ja, ich, ich, du Esel! Und wenn der verfluchte Kerl nicht sogleich geht, dann gehe ich!«

      »Geh nur, der Keller erwartet dich!«

      Er ging. Die Mutter schalt Gavina, aber die Lese ging vortrefflich von statten, auch ohne Luca. Einige Winzerinnen schliefen nachts im Weinberg, und obwohl sie müde waren, erklang ihr Singen und Lachen bis zum späten Abend.

      Gavina saß wieder unter der Eiche. Auf einmal hörte sie, wie ein Winzer und eine Winzerin den Abhang heraufkamen. Sie bemerkten Gavina nicht, die durch den Stamm der Eiche verdeckt war, setzten sich auf das Mäuerchen und fingen an, miteinander zu schäkern. Zuerst lachte das Mädchen leise, leise, dann war es still, dann seufzte es. Auch der Mann schwieg. Gavina begriff, daß die beiden sich küßten, und sie erbebte: es war ihr, als ob sie selbst noch hinter jenem Felsen im Garten ihres Beichtvaters stände, als Priamo sie küßte. Sie verbrachte eine unruhige Nacht: jeden Augenblick erwachte sie mit einem seltsamen Angstgefühl. Es war ihr, als sei sie aufs neue in Todsünde verfallen, und wenn sie das Rauschen der Eiche im Nachtwind hörte, dann kam ihr der Gedanke, wie wohl die Einsiedler daran täten, die verderbten Menschen mit ihrem gemeinen Treiben zu fliehen, deren Beispiel nur Versuchung bereitet.

      Nachdem die Winzer abgezogen waren, blieben die Frauen wieder mit Zio Sorighe allein im Weinberg. Der Alte war mit den Bottichen beschäftigt, die wie die Kessel kochten.

      Aus der Stadt kam der andere Knecht, um wieder neuen Most dorthin zu führen. »Und was werdet Ihr tun, wenn Ihr hier fertig seid?« fragte er den Hüter.

      »Dann werde ich wieder wie ein Vogel durch die Lust fliegen«, erwiderte der Alte. »Zuerst besuche ich das Fest des heiligen Franz, dann das des heiligen Konstantin; ich will singen bis ich sterbe.«

      »Hoffentlich aber nicht, ohne vorher zu beichten? Werdet Ihr auch Eure Beichte in Versen absingen?«

      »Und warum sollt’ ich wohl beichten? Was hab’ ich im Leben Schlimmes getan? Ich habe gelebt, ich habe genossen. Und dazu hat uns Gott geschaffen, wenn mir recht ist. Essen, trinken und fröhlich sein: alles andere ist Todsünde.«

      Die Herrin runzelte die Stirn. Wirklich, die Moral des Alten war der ihren völlig entgegengesetzt. Auch Gavina billigte Zio Sorighes Ansichten nicht; sie hielt ihn aber auch für ein wenig verrückt. Wenn er sie mit seinen glänzenden Äuglein ansah und immer wieder anfing:

      »Dami sa manu, bellita, bellita . . .«

      dann machte sie sich aus dem Staube, statt ihm die Hand zu geben.

      Kurz vor dem zu ihrer Rückkehr in die Stadt bestimmten Tage hörte sie einmal, wie Zio Sorighe oben von dem Abhang aus zum Eingangstor hinüberrief: »Heil, Don Pilimu, Seil, Don Pilimu!« Und Gavina fragte sich, ob der Alte nun wohl wirklich toll geworden sei. Gleich darauf aber sah sie Priamo zu Pferde und in bürgerlicher Kleidung, in Begleitung eines hochgewachsenen Mannes, der ebenfalls beritten war und wie ein Imperator aussah; ein junger zahmer Damhirsch folgte ihnen.

      Fast erschrocken zog Gavina sich zurück und benachrichtigte ihre Mutter, die ihr gelassen erwiderte: »So muß man sie einladen, abzusteigen.«

      Priamo, der aus seinem Dorfe zurückkehrte und einen weiten Umweg gemacht hatte, um an Gavinas Aufenthalt vorüberzureiten, ließ sich nicht lange bitten.

      »Es geht meinem Vater besser«, sagte


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Gib mir die Hand, du Schöne, du Schöne, Gib mir die Hand und gib mir sie noch einmal, dann schenk’ ich dir ein Kleid aus himmelblauer Seide, Gib mir die Hand, du Schöne, du Schöne.