Neu-Land. Иван Тургенев

Neu-Land - Иван Тургенев


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– übersetzen: »C’est un mot!?« Das ist – ein Wort!? . . . Ich bitte Sie!

      – Ich würde sagen: das ist – ein treffendes Wort.

      Kallomeyzew lachte laut auf.

      – »Ein treffendes Wort!« Valentine Michailowna! Fühlen Sie es denn nicht, daß dies . . . nach dem Seminar schmeckt . . . Es schwindet ja alles Salz . . .

      – Nun, Sie werden mich nicht umstimmen. – Aber wo bleibt denn Marianne?

      Sie ergriff die Tischglocke und schellte; es erschien ein zur Dienerschaft gehörender Knabe.

      – Ich hatte Marianne Wikentjewna in’s Gastzimmer bitten lassen. Ist es ihr denn nicht gemeldet worden?

      Der Knabe hatte noch nicht Zeit gehabt zu antworten, als hinter seinem Rücken auf der Schwelle der Thür ein junges Mädchen mit kurz geschorenem Haar, in einem weiten, dunklen Morgenkleid, Marianne Wikentjewna Ssinetzky, von mütterlicher Seite eine Nichte Ssipjagin’s, erschien.

      Sechstes Capitel

      – Entschuldigen Sie, Valentine Michailowna, sagte sie näher tretend, – ich war beschäftigt.

      – Kallomeyzew begrüßend, setzte sie sich auf einen kleinen Sessel neben dem Papagei, welcher bei ihrem Anblick mit den Flügeln zu schlagen begann und ihr entgegen strebte.

      – Warum hast Du Dich denn so weit von uns weggesetzt, Marianne, bemerkte Valentine Michailowna, die ihr mit den Augen gefolgt war. – Du willst wohl in der Nähe Deines kleinen Freundes sein? Stellen Sie sich vor, Ssemen Petrowitsch, – wandte sie sich zu Kallomeyzew, – dieser kleine Papagei ist in unsere Marianne förmlich verliebt. . . .

      – Das wundert mich nicht!

      – Mich aber kann er nicht leiden.

      – Das wundert mich viel mehr!i Sie necken ihn wahrscheinlich.

      – Niemals, im Gegentheil, ich füttere ihn mit Zucker. Er nimmt aber nichts aus meiner Hand. Nein . . . das ist Sympathie . . . und Antipathie. . .

      Marianne warf einen Blick hinüber auf Valentine Michailowna . . . Diese desgleichen auf Marianne.

      Beide Frauen liebten einander nicht.

      Im Vergleich zu ihrer Tante erschien Marianne fast häßlich. Ihr Gesicht war rund, die Nase groß und adlerartig gebogen, die grauen Augen waren ebenfalls groß und sehr hell, die Brauen und Lippen fein geschnitten. Sie pflegte sich das braune, dichte Haar scheeren zu lassen, und etwas Scheues lag in ihrem Blick. Aber etwas Starkes und Kühnes, Leidenschaftliches und Ungestümes sprach aus ihrem ganzen Wesen. Ihre Hände und Füße waren überaus klein; der feste und geschmeidige kleine Körper erinnerte an die Florentiner Figuren aus dem XVI. Jahrhundert; ihre Bewegungen waren rasch und anmuthig.

      Die Stellung Mariannen’s im Hause Ssipjagins war nicht leicht. Ihr Vater, ein kluger und gewandter Mann halb-polnischer Herkunft, hatte sich bis zum Range eines Generals heraufgedient, stürzte dann aber plötzlich, einer kolossalen Veruntreuung am Eigenthum des Staats überwiesen, von seiner Höhe herab; er kam unter Gericht . . . wurde verurtheilt, seines Ranges, seines Adels entkleidet, und nach Sibirien geschickt. Später wurde er begnadigt . . . er kehrte zurück, konnte aber nicht mehr emporkommen und starb in Armuth und Elend. Seine Frau, eine Schwester Ssipjagin’s, die Mutter Mariannen’s, ihres einzigen Kindes, hatte diesen Schlag, der ihren ganzen Wohlstand zertrümmerte, nicht ertragen können und war ihrem Manne bald nachgefolgt. Onkel Ssipjagin hatte Marianne darauf in sein Haus genommen. – Aber in dieser Abhängigkeit zu leben war ihr schrecklich; mit der ganzen Kraft einer unbeugsamen Seele rang sie nach Freiheit, und es entspann sich zwischen der Tante und ihr, ein nie ruhender, wenn auch verborgener Kampf. In den Augen Valentinen’s war sie eine die Existenz Gottes leugnende Nihilistin; Marianne ihrerseits aber haßte Valentine als ihre unvermeidliche, wenn auch unwillkürliche Feindin. Vor dem Onkel, wie überhaupt vor allen Menschen empfand sie eine gewisse Scheu. – Sie scheute sich eben vor ihnen, aber sie fürchtete sie nicht; eine solche Furcht lag nicht in ihrem Charakter.

      – Antipathie!f – wiederholte Kallomeyzew, – ja, das ist ein seltsames Ding. Es ist zum Beispiel Allen bekannt, daß ich ein tief-religiöser Mensch bin, orthodox im wahren Sinne des Worts; aber den Pfaffenzopf – kann ich nie gleichgültig anblicken: da beginnt es in mir zu kochen, so zu kochen!

      Die zusammengeballte Hand emporhebend, versuchte Kallomeyzew sogar zu veranschaulichen, wie es in ihm reiche.

      – Es scheinen Sie überhaupt die Haare zu beunruhigen, Ssemen Petrowitsch, – bemerkte Marianne: – ich bin überzeugt, daß Sie es auch nicht gleichgültig ansehen können, wenn Jemand das Haar kurz geschoren hat, wie ich.

      Valentine Michailowna hob die Brauen langsam empor und neigte den Kopf – voll Staunen gleichsam über die Ungenirtheit, mit welcher sich die modernen jungen Damen am Gespräch betheiligen, – Kallomeyzew aber lächelte nachsichtsvoll.

      – Es ist mir natürlich unmöglich, Marianne Wikentjewna, – sagte er, – um die schönen Locken nicht zu sagen, die da gleich den Ihrigen unter der erbamungslosen Scheere fallen; aber ich habe keine Antipathie gegen kurze Haare; und jedenfalls könnte Ihr Beispiel mich . . . mich . . . konvertiren!

      Kallomeyzew konnte das russische Wort nicht finden; französisch wollte er jedoch nach der Bemerkung der Hausfrau nicht mehr sprechen.

      – Mariane trägt, Gott sei Danks noch keine Brille, – fiel Valentine Michailowna ein, – von Kragen und Manschetten hat sie sich auch noch nicht getrennt: – dafür beschäftigt sie sich freilich zu meinem Bedauern mit naturwissenschaftlichen Studien und interessirt sich auch für die Frauenfrage . . . Nicht wahr, Marianne?

      Es war dies Alles in der Absicht gesagt, Marianne verlegen zu machen, aber diese ließ sich nicht einschüchtern.

      – Ja, Taute, – antwortete sie, – ich lese Alles, was darüber geschrieben wird; ich gebe mir Mühe, in das Wesen dieser Frage einzudringen.

      – Was doch die Jugend ausmacht! – wandte sich Frau Ssipjagin zu Kallomeyzew – wir Beide, wir beschäftigen uns schon nicht mehr damit – wie?

      Kallomeyzew lächelte beifällig; man mußte die liebenswürdige Frau in ihrem heiteren Scherzspiel doch unterstützen.

      – Marianne Wikentjewna, – begann er, – ist noch von jenem Idealismus erfüllt . . . von jener Romantik der Jugend . . . welche . . . mit der Zeit . . .

      – Uebrigens verleumde ich mich selbst, – unterbrach ihn Valentine Michailowna: – diese Fragen interessiren mich auch. Ich bin noch nicht ganz alt geworden!

      – Auch ich interessire mich dafür, – rief Kallomeyzew hastig aus; – ich würde nur verbieten, darüber zu sprechen!l

      – Sie würden verbieten, darüber zu sprechen? – fragte Marianne.

      – Ja! – Ich würde dem Publikum sagen: sich dafür zu interessiren gestatte ich . . . aber sprechen . . . ssst – t! – Er legte den Finger an die Lippen. – Jedenfalls würde ich verbieten – gedruckt darüber zu sprechen? – Unbedingt!

      Valentine Michailowna begann zu lachen.

      – Ei was? Wenn’s nach Ihnen ginge, müßte man wohl gar, um diese Frage zu lösen, eine Commission beim Ministerium niedersetzen?

      – Nun, und selbst eine Commission, was ist denn dabei? – Sie denken, daß wir diese Frage schlechter lösen würden, als jene hungrigen Schnattergänse, die nicht weiter sehen, als die Nase reicht, und sich einbilden, daß sie . . . die genialsten Menschen der Welt sind? Wir würden Boris Andreitsch zum Präsidenten wählen . . .

      Valentine Michailowna begann noch lauter zu lachen.

      – Nehmen Sie sich in Acht; Boris Andreitsch ist zuweilen ein solcher Jakobiner . . .

      – Jaco, Jaca, Jaco – schrie plötzlich der Papagei.

      Frau Ssipjagin schwenkte das Taschentuch nach ihm.

      – Störe doch nicht die klugen Leute in ihrer Unterhaltung! . . . Marianne, beruhige ihn.

      Marianne


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